Die beiden Emerging-Markets-Experten von Neuberger Berman, Gorky Urquieta und Conrad Saldanha, erklären, warum der Wahlsieg Bolsonaros ein Comeback der Schwellenländer auslösen könnte.

 

Mit seinem autoritären Stil und seinen umstrittenen Äußerungen ist Bolsonaro ein Vertreter des internationalen Rechtspopulismus. So nebulös er sich im Wahlkampf zu Wirtschaftsfragen geäußert und so oft er in der Vergangenheit gegen Wirtschaftsreformen gestimmt hat, so wenig populistisch waren seine jüngsten Äußerungen. Sein Chefwirtschaftsberater Paulo Guedes, Absolvent der Universität Chicago und möglicher Finanzminister, spricht sich für radikale Reformen mit Privatisierungen und Ausgabenkürzungen aus.

Bolsonaro mag mit seinem polternden Politikstil US-Präsident Donald Trump ähneln, aber er gleicht Trump auch insofern, als er eine Wirtschaft übernimmt, die sich zwar erholt, aber mit strukturell hohen Staatsschulden und einem hohen Haushaltsdefizit zu kämpfen hat. Die brasilianischen Staatsschulden werden 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschreiten, und die Zinsen sind hoch. Ein wichtiges Ziel wird daher ein primärer Haushaltsüberschuss sein.

Dazu dürften Subventionskürzungen und Privatisierungen nötig sein, aber das allein reicht vermutlich nicht. Renten und Sozialleistungen verschlingen fast die Hälfte des Staatshaushalts; in den letzten 20 Jahren machten sie rund 79 Prozent des Wachstums der Bundesausgaben aus (in Prozent des BIP).

Die Investoren dürften Bolsonaros Schonfrist verkürzen, wenn sie bei der Rentenreform bis Mitte nächsten Jahres keine echten Fortschritte sehen. Doch ohne eine solche Reform kann Brasilien kaum die Ausgaben so weit begrenzen, wie es die unter Präsident Michel Temer vor zwei Jahren verabschiedete Verfassungsänderung verlangt.

Politisches Kapital

Tatsächlich ist noch längst nicht alles in trockenen Tüchern. Das Rentenreformgesetz steckt im Kongress fest. Dennoch könnte es zu einer neuen Dynamik kommen, noch bevor der neue Präsident am 1. Januar in sein Amt eingeführt wird. Seit Bolsonaros Sozial-Liberale Partei mit 52 Sitzen die zweitgrößte Fraktion in der Abgeordnetenkammer ist, dem wichtigsten Gesetzgebungsorgan, ist die Hoffnung gestiegen. Viele seiner Abgeordneten stehen in wirtschaftlichen Fragen aber deutlich links von Paulo Guedes. Die Fortschritte könnten davon abhängen, ob Bolsonaro sein eigenes politisches Kapital riskiert und, einmal mehr nach dem Vorbild von Trump, direkt die Wähler anspricht, um mit seinem Charisma die Partei auf seine Linie zu zwingen.

Damit wächst das Risiko, dass ein zunehmend autoritärer Stil und eine Schwächung der zivilgesellschaftlichen Institutionen jeden Reformeifer ersticken könnten. Bis jetzt sind wir aber optimistisch, dass vernünftige Standards beibehalten werden. Das gilt insbesondere im Vergleich zu der Korruption früherer Regierungen, die Brasiliens beeindruckend unabhängige Justiz aufgedeckt hat. Bolsonaro ist im Kreis der derzeitigen Populisten keine Ausnahme, und sein Mandat ist deutlich schwächer als etwa das von Andrés Manuel López Obrador in Mexiko.

Neuberger Berman erwartet eine deutlich härtere Haltung bei sozialen Themen, insbesondere Kriminalität. Natürlich kann dies zu negativen Schlagzeilen führen, doch erwarten wir keine deutliche Schwächung der Rechtsstaatlichkeit.

Stimmung

Es ist davon auszugehen, dass der Real selbst nach der jüngsten Aufwertung unterbewertet bleibt, da Brasilien anders als Argentinien nicht unter dem Druck steht, sich ausländisches Kapital beschaffen zu müssen. Außerdem halten wir die Zinsen angesichts der strukturell niedrigen Inflation von zwei bis vier Prozent für attraktiv: Die Zweijahresrendite beträgt etwa 8,5 Prozent.

Durch die Rallye brasilianischer Aktien seit der ersten Wahlrunde und die Branchenrotation von Exportunternehmen mit Dollareinnahmen zu binnenorientierten Unternehmen mit Einnahmen in Real halten wir die besten Aktien jetzt für sehr hoch bewertet – zumal sich das Wirtschaftswachstum noch immer in Grenzen hält. Interessant scheinen nach wie vor Mid Caps, die in der Frühphase der durch Mittelzuflüsse ausgelösten Rallye ins Hintertreffen geraten waren.

Noch wichtiger ist aber vielleicht, dass ein Sieg Bolsonaros am nächsten Wochenende die Anleger wieder optimistischer für Lateinamerika stimmen dürfte. Brasilien würde dem Regime in Venezuela etwas entgegensetzen können. Eine Konjunkturerholung würde auch anderen Ländern der Region stark nutzen, insbesondere Argentinien und Uruguay. Brasilien hat fast drei Prozent Anteil am Welt-BIP, sodass die Aussichten auf Wirtschaftsreformen in Brasilien den Emerging Markets insgesamt gut täten.

 

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