Beitrag von Dr. Thorsten Voß, Rechtsanwalt, Frankfurt a. Main

 

Direktinvestitonen in Crypto Currencies, ICOs und erste Kapitalanlageprodukte um diese Phänomene herum haben in jüngster Zeit viel Furore gemacht – leider nicht immer nur positive. Erste Totalverluste haben die Runde gemacht und viele ICO-Initiatoren mussten sich zutreffenderweise den Vorwurf gefallen lassen, dass sie abseits von einer nett anzuhörenden Pitchdesk-Idee nicht über ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügen. Die gute Nachricht: Der Markt wird erwachsen und entwickelt sich, Spreu und Weizen werden

voneinander getrennt. Auch die Aufsichtsbehörden machen bei der Handhabung der Regularien große Fortschritte und so die Projekte planbarer. Das ist wichtig und gut so, denn nur bei verlässlichen tatsächlichen wie rechtlichen Rahmenbedingungen werden sich Crypto Currency-Produkte als Kapitalanlagen für institutionelle Investoren behaupten können.

Was macht eigentlich den Hintergrund und den Reiz eines ICOs aus?

Ein Blick auf die ökonomischen Grundlagen von Token-Sales ist hier hilfreich. Abstrakt geht es regelmäßig um die folgenden Punkte: Nahezu jeder Token-Sale hat die Schaffung eines Netzwerks von Nutzern zum Gegenstand, wobei eine Gruppe in Tokens für ihre Beiträge zu dem Netzwerk entlohnt wird. Die andere Gruppe benötigt dann Tokens für die Inanspruchnahme des Netzwerks. Im berühmten Munchee-Fall, der letztendlich, weil es sich um Wertpapiere handelte, von der SEC untersagt wurde, erhielten Restaurantbesucher Tokens für das Verfassen von Kritiken der von ihnen frequentierten Lokale. Ziel ist dabei die Erzeugung positiver Netzwerkeffekte, indem die Nutzer zu hochqualitativen Beiträgen incentiviert werden.

Hier kommen Smart Contracts ins Spiel. Diese ermöglichen eine stärkere Dezentralisierung als in klassischen Netzwerken, bei Munchee Inc. war die Tokenzahl auf 500 Mio. begrenzt. Ist aber die verfügbare Menge an Tokens künstlich begrenzt, sollte der Wert der Tokens mit steigender Nachfrage nach Werbung in dem jeweiligen “Ökosystem“ steigen – der Wert der Tokens korreliert mit dem Wert des Netzwerks. Hinzu kommt, dass die Initiatoren ein entsprechendes Listing der Tokens sicherstellen möchten, damit die Tokeninhaber ihre Crypto Units an einem Sekundärmarkt veräußern können.

Das alles hat ein hochdisruptives Potential: Zunächst können auf diesem Wege Transaktionskosten drastisch reduziert werden, da die Blockchain die Möglichkeit bietet, Tokens ohne wesentliche Kosten grenzüberschreitend zu übertragen. Smart Contracts ermöglichen dabei die automatisierte, nichtdiskretionäre und daher kostengünstige Durchsetzung vertraglicher Abreden innerhalb des Netzwerks.

Ein weiterer Pluspunkt ist die Desintermediatiserung: Wenn Smart Contracts an die Stelle von Intermediären treten, ist zu erwarten, dass die insgesamt in dem Netzwerk anfallenden Transaktionskosten sinken. Das führt aber zur Monetarisierung von Netzwerkeffekten, was schlechthin der Grund ist, warum Tokeninhaber Renditen erzielen können, die bisher Frühinvestoren in klassischen Venture-Capital-Finanzierungen vorbehalten waren. Und nicht nur Investoren profitieren von den gestiegenen Netzwerkeffekten, sondern vor allem auch diejenigen, die zu dem Netzwerk beitragen.

Zugespitzt: Der Tokenwert ist unmittelbarerer mit positiven Netzwerkeffekten verbunden als der Wert einer finanziellen Beteiligung (z.B. einer Aktie) an dem Intermediär, dem das Netzwerk gehört. Diesem hohen disruptiven Potential stehen nicht geringe Gefahren gegenüber: So bestehen, da die Whitepaper keinen gesetzlichen Prospektvorgaben folgen und ICOs für Security-Token nach dem WpPG noch in der Planung sind, sehr hohe Informationsasymmetrien.

Hinzu kommt, dass es bei ICOs nur eine Finanzierungsrunde gibt. Da die Menge der Tokens von Anfang an begrenzt sein muss, werben Initiatoren meist mehr Geld ein, als sie zum Aufbau des Netzwerks anfangs benötigen. Mehr Geld einzuwerben, als benötigt wird, ist aber leider genau das, was typischerweise Betrüger tun – deshalb fühlen sich diese vom ICO-Markt auch angezogen.

Ein besonderes Thema ist das der verdächtigen Preisbildung: Üblicherweise werden die Preise von den Initiatoren der Projekte bestimmt und die Tokens auf einer „Take it or leave it“-Basis angeboten; es gibt kein Bookbuilding oder ähnliche Mechanismen. Hinzu kommt, dass die Funding-Phase meist beliebig verlängerbar ist und häufig keine harten funding caps vorgesehen sind. Auch Frühzeichnerrabatte u.ä. erschweren die Transparenz.

Dem allen steht ein Mangel an Intermediären auf der Finanzierungsseite gegenüber – und das ist die Schlüsselfrage. Intermediäre haben als repeat players einen starken Anreiz, die Interessen der Anleger und diejenigen der Emittenten zum Ausgleich bringen und Informationsasymmetrien zu beseitigen. Die Erfahrung auf dem IPO- und Crowdinvesting-Markt sprechen dafür, dass Intermediäre einen sinnvollen Beitrag zum Funktionieren des Marktes leisten können. Auf dem ICO-Markt hat nun die Herausbildung solcher Intermediäre gerade erst begonnen.

Eine zentrale Rolle spielen hierbei Service-Kapitalverwaltungsgesellschaften, die von der BaFin beaufsichtigt werden. Diese Marktteilnehmer haben hohe Hürden nehmen müssen, um eine Zulassung nach dem Kapitalanlagegesetzbuch zu erlangen und verfügen – in ihrem ureigensten Interesse – über ein hohes Maß an Professionalität und an Expertise in Fragen des Portfolio- und Risikomanagements.

Hier werden demnächst mehrere Kapitalanlageprodukte in Form von Spezial-AIF für professionelle Anleger das Licht der Produktwelt erblicken, die sich die vorhandene Expertise zunutze machen. Das ist gut so, wird doch jedes Investment in ICOs und Crypto Currencies zuvor einer Due Diligence unterzogen, wie sie ein einzelner Anleger kaum zu leisten vermag. Damit aber nicht genug: Auch Spezia-AIF, die in Mining-Farmen für Crypto Currencies investieren, stehen kurz vor der Lancierung. Das ist sehr zu begrüßen. Voll BaFin reguliert

bestehen hier deutlich geringere Risiken als in einem Investment in ICOs „auf eigene Faust“. Und ist eine Kryptowährung am Sekundärmarkt erst einmal erfolgreich lanciert und weist eine entsprechende Marktkapitalisierung auf, ist ein Mining- Rechenzentrum eine hochlukrative Infrastruktur, die für sich betrachtet schon eine „eigene Assetklasse innerhalb der Crypto-Assetklasse“ darstellt. Wunderbar – das ist genau der Professionalisierungsschub, den der Markt für eine erfolgreiche Etablierung benötigt. We live in exciting times.

 

Artikel erschienen in der aktuellen Ausgabe des FinanzBusinessMagazin.de.  Hier der Link zur Online-Ausgabe: https://www.wmd-brokerchannel.de/2018/11/26/finanzbusinessmagazin-de-professionelle-investoren-setzen-verstaerkt-auf-alternative-anlagen/

 

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