Anmerkung zu BGH, Urt. v. 03.08.2017 – Az.: VII ZR 32/17 von Rechtsanwalt Oliver Timmermann, Kanzlei Michaelis, Hamburg

 

Insbesondere bei Beendigung eines Handelsvertretervertrags entsteht oft Streit über die ausstehenden Provisionen. Wichtigstes Hilfsmittel und besonderes Druckmittel des Handelsvertreters ist die Forderung nach einem Buchauszug. Dieser spielt auch bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichs eine wichtige Rolle. Der BGH hat nun mit o.g. Entscheidung klargestellt, dass die Verjährung dieses Anspruchs in ganz entscheidendem Maße von der Abrechnung der Provision abhängt. Sämtlichen anderen Auffassungen erteilte der BGH eine klare Absage.

Der BGH-Entscheidung vom 03.08.2017 liegen folgende Gedanken zugrunde:

Der Unternehmer ist verpflichtet, die Provision des Handelsvertreters laufend abzurechnen, vgl. § 87c Abs. 1 S. 1 HGB. Der Handelsvertreter muss mindestens alle drei Monate eine Provisionsabrechnung erhalten. Üblicherweise wird monatlich oder sogar noch kürzer abgerechnet.

Dem Handelsvertreter ist es oft während des Vertragsverhältnisses und bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht bewusst, ob die erhaltene Abrechnung dann alle relevanten Geschäfte umfasst. Teilweise vergisst der Unternehmer auch die Abrechnung oder „vergisst“ einige Passagen.

Vielen Handelsvertretern ist nicht bewusst, dass der Zeitpunkt der Abrechnung dann trotzdem besondere Bedeutung für den Verlust ihrer Ansprüche und spätere Konflikte hat. Die Abrechnung ist im laufenden Vertrag und nach dessen Beendigung die Grundlage des Provisionsanspruchs. Dieser Anspruch bildet auch einen zentralen Teil der sachlichen Grundlage für den Handelsvertreterausgleich am Vertragsende.

Weil der Handelsvertreter nur begrenzt Zugriff auf Informationen hat, was tatsächlich aus den von ihm vermittelten Aufträgen wird, gewährt ihm das Gesetz einen Informationsanspruch. Er kann vom Unternehmer immer und ohne besonderen Anlass einen Buchauszug über die provisionspflichtigen Geschäfte verlangen, vgl. § 87c Abs. 2 HGB. Dieser muss dann sämtliche relevanten Informationen zu den für eine Provision in Frage kommenden Geschäften enthalten. Der Buchauszug ist damit im Zweifel für die korrekte Bestimmung der Provisionsansprüche von elementarer Bedeutung. Die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien sind zudem für den Unternehmer nur mit großen Mühen und erheblichem Aufwand zu erfüllen. Jedenfalls kann der Handelsvertreter mit der Forderung nach einem Buchauszug dem Unternehmer erhebliche Kosten und die Bindung wichtiger personeller Ressourcen verursachen. Über die Forderung nach einem Buchauszug gelingt es dem Handelsvertreter daher häufig, den Unternehmer in eine größere „Kompromissbereitschaft“ zu drängen. Der Unternehmer ist daher stark daran interessiert, den Buchauszugsanspruch abzuwehren, der Handelsvertreter wird sich den Anspruch in jedem Fall behalten wollen. Auf der anderen Seite wird er ihn auch nicht ohne Not geltend machen, um das Verhältnis der Zusammenarbeit nicht zu belasten.

In dieser bekannten Melange aus Interessen und Streitstrategien sorgt die o.g. Entscheidung des BGH nunfür Klarheit und eine potentielle Verbesserung der Situation des Unternehmers. Zuletzt schien die Rechtsprechung fast rückhaltlos den Interessen des Handelsvertreters beizustehen. So verfestigte sich die Rechtsansicht, dass selbst die jahrelang widerspruchslose Hinnahme von Provisions-Abrechnungen nicht als Anerkenntnis eines Kontokorrent-Saldos des Provisionskontos anzusehen sei, vgl. LG Karlsruhe, Urt. v. 08.02.2013 – Az.: 6 O 440/10. Die aktuelle Entscheidung des BGH senkt nun die Waage der Justitia wieder etwas mehr in Richtung der Unternehmer.

Nach dem Ende eines Handelsvertretervertrags forderte der Handelsvertreter im Wege der Stufenklage:

auf erster Stufe die Erteilung des Buchauszugs für den Zeitraum vom Vertragsbeginn 27.10.2008 bis Vertragsende 31.12.2014

auf zweiter Stufe die Zahlung der sich aus dem Buchauszug ergebenden offenen Provisionen.

Der beklagte Unternehmer berief sich auf Verjährung des Anspruchs auf Buchauszug, soweit sich dieser auf einen Zeitraum vor dem 01.01.2012 bezog. Der Unternehmer hatte immer monatlich abgerechnet. Der BGH hat die Verjährung bestätigt. In seinem Urteil stellt er Folgendes klar:

1.) Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges ist ein selbständiger Anspruch

Der Anspruch auf Buchauszug gemäß § 87c Abs. 2 HGB ist ein selbstständiger Anspruch des Handelsvertreters. Als solcher kann er auch selbstständig entstehen, untergehen und verjähren, vgl. BGH, Beschl. v. 23.02.2016 – Az.: VIII ZR 28/15; OLG München, Urt. v. 14.07.2016 – Az.: 23 U 3764/15.

2.) Der Anspruch des Buchauszuges geht aber mit dem Provisionsanspruch unter

Bei dem Anspruch auf Buchauszug handelt es sich allerdings um einen Hilfsanspruch zur Durchsetzung des Anspruchs auf die Provisionen. Entfällt daher der Provisionsanspruch, wird der Anspruch auf Buchauszug ebenfalls gegenstandslos. Das gilt auch, wenn der Provisionsanspruch verjährt ist oder aus anderen Gründen nicht mehr durchgesetzt werden kann, vgl. BGH, Beschl v. 23.02.2016, a.a.O.; OLG München, Urt. v. 14.07.2016, a.a.O.

3.) Der Buchauszugsanspruch verjährt daher selbst regelmäßig in drei Jahren

Der Anspruch auf Buchauszug verjährt in drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Handelsvertreter von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat, vgl. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.

Der BGH konkretisiert diesen Umstand in seiner Entscheidung nunmehr und macht dies handhabbar:

Der Anspruch auf einen Buchauszug entsteht mit der abschließenden Provisions-Abrechnung.

Der Anspruch entsteht, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege einer Klage durchgesetzt werden kann; dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Anspruch fällig ist. Die Fälligkeit des Anspruchs auf Buchauszug setzt die Fälligkeit des Provisionsanspruchs voraus, vgl. BGH, Urt. v. 11.07.1980 – Az.: I ZR 192/78. Der Anspruch auf Buchauszug entsteht nicht (erst) bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, sondern wird bei der Abrechnung fällig, vgl. BGH, Urt. v. 29.10.2008 – Az.: VIII ZR 205/05. Voraussetzung für den Beginn der Verjährung ist eine vollständige und abschließende Abrechnung über die provisionspflichtigen Geschäfte in einem bestimmten Zeitraum, vgl. OLG München, Urt. v. 14.07.2016, a.a.O.

Um abschließend zu sein, muss der Unternehmer eine Abrechnung über die dem Handelsvertreter zustehende Provision ohne Einschränkungen oder Vorbehalte erteilen. Mit einer solchen Abrechnung ist stillschweigend auch die Erklärung des Unternehmers verbunden, dass es keine weiteren Provisionsforderungen gibt, vgl. OLG Stuttgart, ZVertriebsR 2016, 233.

Der Buchauszug entsteht nicht aber bereits mit Verweigerung der Abrechnung

Der BGH stellt in der o.g. Entscheidung ausdrücklich klar, dass es nicht ausreicht, wenn nur die Voraussetzungen der Abrechnung vorliegen. Insbesondere entsteht der Anspruch auf den Buchauszug nicht mit der Weigerung des Unternehmers, eine Abrechnung zu erteilen. Der Handelsvertreter könne in diesem Fall zwar die Forderung nach der Abrechnung mit der Forderung eines Buchauszugs verbinden, er müsse dies jedoch nicht. Stattdessen könne der Handelsvertreter gestuft vorgehen und erst nur die Abrechnung verlangen. Der Anspruch auf Buchauszug sei dann noch nicht fällig.

Keine Zweifel an der Abrechnung erforderlich

Es ist zudem nicht erforderlich, dass Zweifel an der Abrechnung bestehen. Der Hilfsanspruch auf Überprüfung der Abrechnung durch den Buchauszug kann immer verlangt werden.

Kein Erfordernis einer vollständigen Abrechnung

Spannend ist die weitere Klarstellung des BGH, dass es auch nicht darauf ankomme, dass die Abrechnung vollständig ist. Der Buchauszug diene gerade der Prüfung der Abrechnung. Es könne daher nicht Voraussetzung sein, dass die zu prüfende Abrechnung vollständig ist. Dies war aber immer wieder ein beliebtes Argument der den Handelsvertreter vertretenden Rechtsanwälte in einem solchen Rechtsstreit.

Buchauszugsanspruch nicht erst geltend zu machen

Das Entstehen des Anspruchs auf Buchauszug hänge auch nicht davon ab, dass der Handelsvertreter den Anspruch geltend mache. Entgegen weitverbreiteter Auffassung handle es sich nicht um einen solchen sogenannten verhaltenen Anspruch, weil der Unternehmer den Buchauszug auch schon vorher erteilen kann.

Buchauszugsanspruch unabhängig vom Vertragsende

Schließlich sei nicht erforderlich, dass das Vertragsverhältnis bereits beendet ist. Der Buchauszug kann nach dem Gesetz immer gefordert werden. Die Einforderung des Buchauszugs stelle insbesondere keinen Grund dar, ob dessen der Unternehmer den Handelsvertretervertrag außerordentlich kündigen könnte. Die Forderung könne zwar das Verhältnis erheblich belasten, das sei aber keine spezifische Besonderheit des Buchauszugs.

Keine weiteren Kenntnisse des Handelsvertreters nötig

Der Handelsvertreter besitzt mit der abschließenden Abrechnung die für den Verjährungsbeginn erforderlichen Kenntnisse. Erneut komme es nicht darauf an, dass der Handelsvertreter Zweifel an der Abrechnung hat.

4.) Vertragliche Ausschlussfristen beachten

Eine besondere Verschärfung der Situation kann eintreten, wenn im Handelsvertretervertrag – wie üblich – Ausschlussfristen vereinbart sind. Diese sind an §§ 305c, 307 BGB zu prüfen. Sind diese wirksam (dies werden wir in einem gesonderten Beitrag behandeln), gelten sie nach h.M. auch für den Anspruch auf Buchauszug, vgl. Küstner/Thume, Hdb. d. VertriebsR, Kap. VI, Rn. 119.

5.) Ansprüche bei unzureichendem Buchauszug

Wird ein Buchauszug erteilt und ist dieser unvollständig, hat der Handelsvertreter grundsätzlich das Recht auf Nachbesserung, bei völliger Unbrauchbarkeit auch auf Neuerteilung, vgl. OLG Bamberg, NJW-RR 2008, 1422. Daneben besteht das Recht auf Bucheinsicht (§ 87 Abs. 4 HGB). Die Ansprüche schließen selbstständig an den ursprünglichen Anspruch auf Bucheinsicht an und verjähren auch selbständig.

Fazit

Hatte der Handelsvertreter bisher nach vielen der vertretenen Ansätze die Möglichkeit, am Ende des Vertrags einen Buchauszug auch über länger zurückliegende Geschäfte zu verlangen, fällt dieser Schachzug nun praktisch weg. Der Unternehmer muss bei der Erteilung des Buchauszugs nie länger als drei Jahre zurückgehen, wenn er die Provisionen immer abgerechnet hat. Bei entsprechender Vereinbarung sogar noch kürzer. Will der Handelsvertreter keine möglichen Ansprüche verschenken, muss er regelmäßig, z. B. alle drei Jahre, einen Buchauszug verlangen. Dass diese Forderung beim Unternehmer auf wenig Gegenliebe stoßen wird und in den meisten Vertragsverhältnissen wohl Utopie bleiben muss, ist absehbar. Der BGH sorgt damit insgesamt für einen schnelleren Rechtsfrieden, allerdings zu dem Preis, dass die Handelsvertreter ihr gesetzliches Kontrollrecht oftmals nicht mehr werden ausüben können.

 

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