Marktkommentar von Frank Häusler, Chief Strategist bei Vontobel Asset Management

 

Wie die armen Seelen in der Abschlussszene von Monty Pythons Komödie „Das Leben des Brian“ neigen auch Ökonomen dazu, im Angesicht widriger Umstände, ein optimistisches Lied anzustimmen. In diesem Sinne werfen wir zum Jahresende einen Blick auf die „Bright Side“, also die wirtschaftlichen Chancen des kommenden Jahres 2020, und behalten unsere Risikobereitschaft ungeachtet der reißerischen Schlagzeilen der Medien bei. Und offen gesagt sind die Dinge nicht so schlimm, wie sie scheinen.

Handelskriege, Unruhen in Hongkong, die Politik der US-Notenbank, Umweltverschmutzung in Indien, australische Buschfeuer, die Degradierung des Schweizer Mittelfeldspielers Granit Xhaka bei Arsenal – mit solch düsteren Nachrichten werden wir fast jeden Tag bombardiert. Die Finanzmärkte quittieren das Ganze mit einem Schulterzucken und machen weiter, als sei nichts gewesen. Doch wie ist es möglich, dass fast alle Anlageklassen unter scheinbar widrigen Umständen positive Renditen im Jahresverlauf aufweisen?

If life seemed jolly rotten in 2018 …  there’s something you’ve forgotten in 2019 – eine weitere Anleihe bei Monty Python sei hier erlaubt.

In der Tat hat sich die Situation im abgelaufenen Jahr zum Besseren gewandt. Vor etwa zwölf Monaten waren die Zentralbanken damit beschäftigt, die Schrauben anzuziehen. Heute scheint der damalige Liquiditätsentzug der US-Notenbank Fed längst vergessen, und deren Vorsitzender Jerome Powell könnte die Leitzinsen weiter senken, nachdem er dies in diesem Jahr bereits dreimal getan hat. Auch andere große Zentralbanken befinden sich im Lockerungsmodus oder unterstützen ihre Wirtschaften durch eine Vielzahl von geldpolitischen Maßnahmen.

Vor einem Jahr gab die Weltwirtschaft aufgrund der Schwäche des verarbeitenden Gewerbes nach. Zweifel bezüglich der Widerstandsfähigkeit des Dienstleistungssektors kamen auf, und es gab Befürchtungen, dass ein sich verschlechternder Arbeitsmarkt den privaten Konsum dämpfen könnte. Der Handelsstreit zwischen den USA und China wurde immer heftiger. Heute stehen die Aufträge von Industriegütern, gemessen an den Einkaufsmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes, vor einer Stabilisierung. Der Dienstleistungsbereich verlangsamt sich immer noch, aber die relevanten Indizes liegen weiterhin über der kritischen Marke von 50. Auch die Verbraucher machen keine Anstalten, den Gürtel enger zu schnallen. Die USA und China scheinen sich zumindest einem „Phase 1“-Deal anzunähern, hoffentlich gefolgt von weiteren Vereinbarungen.

Dennoch sehen wir, wie Monty Pythons Brian, durchaus auch die dunklen Seiten. In Deutschland hat sich beispielsweise der Dienstleistungssektor etwas abgeschwächt, und die Industrieproduktion dürfte sich gerade erst stabilisieren. Die Aussichten für die größte Volkswirtschaft Europas werden 2020 klarer werden.

Wachstum ja, aber nicht allzu viel

Allerdings sind Vorhersagen über Entwicklungen zum jetzigen Zeitpunkt kaum mehr als Rätselraten. Wenn sich das Wirtschaftswachstum auf dem derzeitigen Niveau stabilisiert, wird es keinen Anstieg der Inflation geben und die Inflationserwartungen werden gedämpft bleiben. In diesem Fall wird die Politik der Zentralbanken weder ein Hindernis noch eine zusätzliche Unterstützung darstellen. Angenommen, die US-Wachstumsrate wird durchschnittlich knapp unter 2% liegen, ebenso wie Inflation und Leitzinsen. Das wäre ein gutes Umfeld für Anleger.

Sollten wir eine überraschend starke Wachstumserholung mit einem deutlichen Anstieg der Inflationserwartungen (und -raten) erleben, werden die Zentralbanken wieder in einen restriktiven Modus übergehen. Das wäre zwar gut für die Volkswirtschaften, jedoch schlecht für die Anleger. Wie immer könnten die Dinge auch anders laufen, aber die stetige Ungewissheit ist ein Kreuz, das die Märkte nun mal zu tragen haben.

Wir bleiben risikobereit

Wir bleiben bei unserem risikobetonten Ansatz mit einer Übergewichtung in Aktien. Unsere Risikobereitschaft hat sich sogar leicht erhöht, da wir unseren Aktienkorb für die Industrieländer um einige Schweizer Titel erweitert haben. Staatsanleihen dagegen bleiben bei uns untergewichtet, während wir Unternehmenspapiere weiterhin positiv bewerten. Ebenso sind Schwellenländeranleihen für uns attraktiver als Staatsanleihen aus Industrieländern. Unsere Übergewichtung in den europäischen Währungen hat sich verstärkt, da wir nun eine Long-Position im Euro gegenüber dem US-Dollar aufbauen neben den jüngst von uns eingegangen Long-Positionen im Schweizer Franken gegenüber dem US-Dollar. Derweil betrachten wir Gold als eine geeignete Absicherung gegen Portfoliorisiken und als eine attraktive Option in einem Umfeld niedriger und negativer Zinsen.

Obwohl das momentane Umfeld sicherlich besser sein könnte, gehen wir gewissermaßen mit einem Monty-Python-Lied auf den Lippen ins Jahr 2020.

 

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