Die digitale Transformation bei Finanzinstrumenten nimmt immer mehr Fahrt auf. Diese Disruption wird umso greifbarer, weil der Gesetzgeber nun Nägel mit Köpfen macht.

 

Am 1. Januar 2020 sind in Deutschland erhebliche Rechtsänderungen in Kraft getreten, die Kryptowährungen ganz offiziell als Finanzinstrument anerkennen, dessen Handel den üblichen Kontrollen unterliegt. Das bedeutet, dass die Finanzaufsicht Kryptoanbietern und Kryptoverwahrern nun noch genauer auf die Finger schaut.

Das neue Jahr begann mit erheblichen Rechtsänderungen für den Finanzmarkt. Beispiele sind das Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur 4. EU-Geldwäscherichtlinie sowie, mit der wohl weitreichendsten Änderung, das Kreditwesengesetz (KWG). In den Begriffsbestimmungen (§ 1 Abs. 11 S. 1 KWG) wird der Katalog der Finanzinstrumente um eine neue Nr. 10 ergänzt, die zukünftig den Kryptowert (nämlich sogenannte Currency-Token und Security-Token) erfasst.  § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG enthält nun eine Rechtsdefinition der sogenannten Kryptowerte. Daraus folgt, dass Tätigkeiten mit diesen Kryptowerten eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) nach § 32 Abs. 1 KWG erfordern. Wer Kryptowährungen wie Bitcoin, Ripple, Litecoin oder IOTA für Kunden z.B. verwahrt, benötigt dafür seit 1. Januar 2020 eine Genehmigung der BaFin. Die Rechtslage ist nun also seit dem Jahresbeginn eindeutig(er), auch wenn die BaFin gerade erst ihre Verwaltungspraxis dazu entwickelt.

Marktanteil der Kryptowerte mit viel Potenzial

Im Moment ist der Marktanteil der Kryptowährungen im Vergleich zum gesamten Finanzmarkt noch relativ gering. Im Vergleich zum Goldmarkt wie auch zum Aktien- und Derivatemarkt stellt der Kryptowährungsmarkt nur einen Bruchteil des gehandelten Wertes dar und hat somit noch sehr viel Potenzial. Grob gerundet lässt sich sagen, dass der Goldmarkt rund das 25-fache, der Aktienmarkt gar das 600-fache und der Derivatemarkt das 4.000-Fache an Wert aufweist. Aber die neuen Rechtsänderungen werden durch die erhöhten Kontrollen mehr Vertrauen beim Verbraucher schaffen, der sich nun eher zu Transaktionen mit Bitcoins entschließen könnte. Der Name Bitcoin steht dabei häufig synonym für den gesamten Kryptomarkt. Mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 50 Prozent nimmt er unangefochten die Rolle der Leitwährung ein. Gemeinsam mit Ethereum und Ripple liegt der Anteil bei rund 90 Prozent. Andere Währungen wie EOS, Litecoin, Stellar, Binance Coin usw. führen dagegen nur ein Nischendasein.

Der nächste Schritt: Wertpapiergeschäfte über Blockchain papierlos abwickeln

Kryptowährungen sind das bislang bekannteste Beispiel einer auf der Blockchain-Technologie basierenden Anwendung. Aber die dezentrale Alternative zur klassischen, zentralisierten Datenbank kann noch viel mehr und eröffnet dem Finanzmarkt ungeahnte Möglichkeiten, zum Beispiel den Handel mit digitalen Wertpapieren, ganz ohne Papierurkunde. Das deutsche Zivilrecht erlaubt es noch nicht, dass Wertpapiere auf Basis einer Blockchain ausgegeben werden. Es bedarf zur rechtlich wirksamen Entstehung der Verkörperung des mit dem Wertpapier eingeräumten Rechts immer einer (Papier-) Urkunde. Ein rein digitales Token kann diese mit einer Urkunde verknüpfte Legitimationsfunktion (noch) nicht erfüllen. Denn nach aktueller Rechtslage kann das Token lediglich Ansprüche, Forderungen oder Rechte gewähren, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Parteien entstehen. Aber auch hier stehen Änderungen an. Die Bundesregierung plant, das deutsche Zivilrecht zeitnah für digitale Wertpapiere zu öffnen. Laut der im September 2019 verabschiedeten Blockchain-Strategie der Bundesregierung soll die Papierform (urkundliche Verkörperung) für bestimmte Wertpapiere nicht mehr zwingend erforderlich sein. Großer Vorteil digitaler Wertpapiere: Durch einen Verzicht auf Wertpapierurkunden könnten Emission, Handel und Verarbeitung von Wertpapieren schneller und kostengünstiger erfolgen.

Behördengänge zukünftig mit Blockchain-basierter Identität?

Das elektronische Wertpapier könnte zukünftig durch Eintragung in einem Register entstehen: Die Dokumentationsfunktion der bisher notwendigen Wertpapierurkunde kann bei elektronischen Wertpapieren durch Erfassung der Rechte in einem elektronischen Wertpapierregister ersetzt werden. Um Manipulationsmöglichkeiten zu vermeiden, müsste die Registerführung wohl durch eine staatliche oder eine unter staatlicher Aufsicht stehende Stelle erfolgen. Ein erster Gesetzentwurf ist zeitnah geplant. Schon heute ermöglichen einige EU-Mitgliedsstaaten, die Schweiz und viele asiatische Länder die Ausgabe „papierloser“ Wertpapiere. In der Schweiz wurden schon weitere praktische Anwendungsfälle wie etwa die Darstellung von Lieferketten zwischen Unternehmen erprobt. Auch Behördengänge konnten in einigen Schweizer Kantonen vereinfacht werden: die Stadt Zug bietet ihren Bürgern dafür bereits eine Blockchain-basierte digitale Identität an.

Neben elektronischen Wertpapieren sind die Anwendungsfälle von Blockchaintechnologie im Finanz- und Versicherungsbereich schier grenzenlos. So können mithilfe der Blockchain Geschäftsfelder wie Posttrade, Clearing, Settlement, Wertpapierhandel, Zahlungsverkehr und Organisationsverwaltung nachhaltig beeinflusst werden. Man denke zum Beispiel an die Kreditantragsprüfung inklusive Bonitäts- und Schufa-Auskunft, die weltweite sekundenschnelle Überweisung eines beliebigen Betrages zwischen mobilen Geräten oder auch einen Einkauf im Lieblingsreiseland ohne – je nach Bankverbindung durchaus mühsamen – vorherigen Devisentausch. Überall, wo Güter bzw. Informationen ausgetauscht werden, könnte die Blockchain-Technologie also Branchen revolutionieren, indem sie Transaktionen oder den Datenaustausch schneller, transparenter und vor allem kosteneffizienter macht. Eine spannende Entwicklung. Das darf man Disruption nennen.

 

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