Die Perspektiven für den deutschen Wohnimmobilienmarkt sind günstig.

 

Diese optimistische Botschaft verkündete Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) anlässlich seines Vortrags bei der »10. Fränkischen Nacht« des PROJECT Unternehmensverbunds. Pressevertreter und Immobilienexperten trafen sich am 16. September, diesmal wegen Coronavirus-Pandemie, zur Online-Konferenz. Voigtländer zufolge wird der Wohnungsmarkt relativ gut durch die Krise kommen.

Seinen Optimismus untermauert der Volkswirt mit harten Fakten. So zeige das von den Konjunkturforschern des IW Köln entwickelte Ampelsystem im August zwar noch rot. Der Blick nach China aber stimme zuversichtlich. China habe einen rund zweimonatigen Vorlauf bezogen auf den Ausbruch und die Auswirkungen des Coronavirus und könne daher sehr gut als Indikator für den weiteren wirtschaftlichen Verlauf betrachtet werden. Dort beginne die Erholung vor allem beim Einkaufsmanagerindex. Dem wichtigen Vorlaufindikator zufolge würden die Auftragseingänge stark zulegen. Die Stimmung helle sich zunehmend auf, auch für Deutschland sei Licht am Horizont erkennbar. Die meisten negativen Prognosen scheinen zudem überzeichnet gewesen zu sein, inzwischen stehe für die deutsche Konjunktur im Jahr 2020 nur noch ein Minus von 6,5 Prozent im Raum, besser als von vielen Branchenexperten zu Beginn der Coronakrise vermutet. Bis das Vorkrisenniveau erreicht werde, könne es allerdings noch bis Ende 2021 oder Anfang 2022 dauern.

Mutmacher Fachkräftemangel

Mutmacher für die Entwicklung des Wohnungsmarkts sieht der Finanzmarktexperte vor allem auch in der Entwicklung der Erwerbstätigkeit. Es drohten zwar anders als in der Finanzkrise Insolvenzen von Unternehmen aus strukturell durch die Krise stark betroffenen Branchen wie Gastronomie oder Handel. Dennoch gebe es einen Grundbedarf an qualifiziertem Personal. Nach wie vor sei der Fachkräftemangel sowohl bei Akademikern als auch bei Facharbeitern die größte Herausforderung für Unternehmen. Diese verhielten sich daher vorsichtig hinsichtlich von Entlassungen und versuchen alles, um ihr Fachpersonal zu halten.

Neue Präferenz fürs Wohnen

Entgegen allen Prognosen sind starke Preisrückgänge auf dem Markt für Wohnimmobilien nicht eingetroffen und zu erwarten. »Der Markt schlug sogar Optimisten wie mich«, freut sich Voigtländer, dessen eigene Frühjahrsprognose, die von schwachen Blessuren bis zu einem Minus von etwa zehn Prozent ausging, noch im Positiven übertroffen wurde. Er nennt drei Gründe, warum trotz Unsicherheit die Coronakrise bislang so spurlos an diesem Immobiliensegment vorbei ging. Zum einen habe das Wohnen in der Lockdown-Phase eine größere Präferenz erhalten. Home Office und Home Schooling hätten den Wert des Wohnens unterstrichen. Menschen werden laut Voigtländer daher tendenziell mehr Geld fürs Wohneigentum ausgeben und auch größere Wohnungen – Stichwort Arbeits- und Lernbereich – erwerben wollen.

Wohneigentum unterbewertet

Zweitens sei der Markt längst nicht so überbewertet, wie manche Marktteilnehmer dies suggerierten. Zu beachten sei hier das Zusammenspiel von Preisen, Zinsen und Mieten. Das IW Köln habe hierfür die Wohnnutzerkosten analysiert und die Kosten für Selbstnutzer und Neuvertragsmieter/Bestandsmieter verglichen. Die Kosten für Selbstnutzer, bestehend aus Kaufpreis und Erwerbsnebenkosten, werden mit Fremdkapitalzinsen zuzüglich dem entgangenen Gewinn am Kapitalmarkt finanziert. Zudem werden Instandsetzung, Verschleiß und Wertentwicklung der Immobilie miteingepreist. Im vergangenen Jahr sind die Zinsen nochmal viel stärker gefallen, als die Immobilienpreise gestiegen sind. Ohne die Krise wären die Preise auch in diesem Jahr noch stärker angezogen. Tendenziell sei Wohnungseigentum daher derzeit unterbewertet, das mache den Markt für Kapitalanleger hochattraktiv. »Wohneigentum zu erwerben lohnt sich«, sagt Voigtländer und schränkt gleichzeitig ein. »Eine Hürde für Käufer sind allerdings die hohen Erwerbsnebenkosten.« Diese hält der Immobilienexperte sozialpolitisch für bedenklich, hier könnten Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer oder Senkungen der Transaktionskosten entgegenwirken.

Negativzinsen möglich

Als dritter wesentlicher Punkt wird die Niedrigzinssituation Voigtländer zufolge für lange Zeit bestehen bleiben. Das liege an den massiven Interventionen der EZB, aber auch an der demografischen Entwicklung. Die Menschen leben deutlich länger und müssten in Zukunft mehr sparen und stärker fürs Alter vorsorgen, gleichzeitig sinke die Erwerbsbevölkerung. Unternehmer und Privathaushalte halten daneben ihr Geld für die nächste Krise zusammen. »Negative Zinsen auch im Immobilienbereich sind daher nicht mehr ausgeschlossen«, prophezeit Voigtländer und verweist auf das Beispiel Dänemark, wo dieses Szenario schon Realität ist.

Wohnungsknappheit, mehr Differenzierung

Die Wohnungsknappheit bleibe daneben bestehen, vor allem Großstädte – allen voran Köln – schaffen es nicht, einen Ausgleich zwischen Wohnangebot und Nachfrage zu schaffen. Daher würden Immobilien in den Großstädten weiterhin auf hohem Niveau gehandelt. Strukturelle Veränderungen bei der Wohnungsnachfrage seien allerdings möglich. So habe die Corona-Pandemie der Digitalisierung und Flexibilisierung enormen Schub verliehen. »Die Krise war der Lackmustest«, sagt Voigtländer. »Der Trend zum Home Office hat eine neue Balance zwischen Zuhause und Büro geschaffen. Der Markt wird sich wegen Corona stärker differenzieren. Die Innenstädte mit kleineren Wohnungen dürften für Singles wegen der kurzen Wege weiter gefragt bleiben. Für Familien wird das gut angebundene Umland der Großstädte mit größeren Wohneinheiten an Attraktivität gewinnen. Nicht zuletzt auch, weil durch einen Anstieg der Home Office-Tage auch längere Pendelstrecken in Erwägung gezogen werden könnten«, ist Voigtländer überzeugt und sieht damit langfristige Trends bestätigt, die sich durch Corona mehr akzentuieren könnten. Der Immobilienexperte sieht darüber hinaus auch Chancen für Mittel- und Kleinstädte. Die Preise in den Großstädten würden angesichts dieser Entwicklung zwar nicht billiger, aber nicht mehr so dynamisch wachsen, wie in den vergangenen Jahren.

Berlin: Trotz Mietendeckel große Chancen

Dem heiß diskutierten Berliner Mietendeckel prophezeit Voigtländer einen hohen Stellenwert im kommenden Wahlkampf. Auch wenn dieser ein Problem für Kapitalanleger darstelle, die mit hohen Preisen eingestiegen seien, würden Investoren weiter in Berlin kaufen. Es gebe immer noch Mieten, die unterhalb des Mietendeckels angesiedelt sind. Die langfristigen Perspektiven hinsichtlich Demografie und Wirtschaft seien ausgezeichnet, denn die Spreemetropole entwickle sich vom Industriestandort hin zum Dienstleistungsstandort. Vor allem das mit der City bestens vernetzte Berliner Umland offeriere abseits von staatlichen Eingriffen große Chancen. Die Löhne seien dort in den letzten Jahren stärker gestiegen als die Mieten. Langfristig orientierte Investoren könnten diese Gelegenheit nutzen.

Dementsprechend positiv fällt Voigtländers Fazit aus: »Der deutsche Immobilienmarkt bleibt ein sicherer Hafen. Institutionellen Investoren geht es um den Werterhalt und nicht um die Rendite. Diese Investorengruppe wird die Nachfrage nach Wohnungen weiter hochhalten. Der Markt wird sich daneben stärker differenzieren, Umlandgemeinden mit guter Infrastruktur könnten hiervon profitieren. Wir erwarten daher im laufenden Jahr moderate Preiszuwächse und 2021 eine Fortsetzung des Preisanstiegs auf Vorkrisenniveau.«

 

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