Marktvolumen nicht wesentlich unter dem Niveau der Vorjahre

 

Der deutsche gewerbliche Wohninvestmentmarkt* weist in den ersten neun Monaten 2020 ein Transaktionsvolumen von 16,6 Mrd. Euro auf. Gehandelt wurden dabei 131.500 Wohneinheiten. Auf das dritte Quartal entfallen ca. 3,2 Mrd. Euro (24.600 Einheiten). Der Rückgang gegenüber dem Vorquartal (3,7 Mrd. Euro) ist zwar zweistellig (-13,5%), durch die Megatransaktion Anfang des Jahres bewegt sich das Dreivierteljahresergebnis 2020 aber noch deutlich über dem Vergleichszeitraum in 2019 (14,5 Mrd. Euro) und dem entsprechenden Fünfjahresschnitt (13,5 Mrd. Euro).

„Die gravierende Unsicherheit zu Beginn der Covid-19-Krise mit dem Lockdown und weitgehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben hatten ab Ende März zu weniger Geschäftsanbahnungen geführt. Dies wirkt sich nun nachgelagert auf die Anzahl der im dritten Quartal abgeschlossenen Transaktionen aus. Dennoch liegt das Marktvolumen nicht wesentlich unter dem Niveau der Vorjahre, ein durchaus positives Signal. Der Wohnimmobiliensektor hat bisher seine Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt”, sagt Dr. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment JLL Germany. Und Kortmann fährt fort: „Die Stabilität des Cashflows und die große Menge an zusätzlicher Liquidität, die dem Markt von Regierungen und Zentralbanken zur Verfügung gestellt wurden, haben sogar dafür gesorgt, dass die Preise für Wohnimmobilien in den letzten sechs Monaten weiter gestiegen sind.“ Schrumpfende Renditen bei Wohnimmobilien, die das Ergebnis einer Preisinflation in Verbindung mit stark regulierten Mieteinnahmen sind, seien angesichts der ultraexpansiven Geldpolitik und der aktuellen Prioritätensetzung zweitrangig. In Zeiten, in denen die Renditen grundsätzlich niedrig sind, werde dem Risikoprofil einfach mehr Bedeutung beigemessen. Und Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, ergänzt: „Die lockere Geldpolitik drückt seit einiger Zeit auf die Renditen etablierter Produkte wie etwa Staatsanleihen. Dies hat zur Folge, dass insbesondere institutionelle Marktteilnehmer, wie z.B. Versicherer, die Garantieverpflichtungen aus ihren Kapitalerträgen erfüllen müssen, zunehmend traditionelle Anlagen durch Alternativen ersetzen. In diesem Zusammenhang gelten Wohnimmobilien seit langem als attraktive Ergänzung zu etablierten Investitionen, da auch diese durch planbare Cashflows und moderate Eigenkapitalanforderungen gekennzeichnet sind.”

Zwei Transaktionen im dritten Quartal sind besonders bemerkenswert. Zum einen die Portfolioübernahme von Ado Properties S.A./Adler Real Estate durch die Schweizer Peach Property Group AG mit rund 5.060 Wohn- und Gewerbeeinheiten. Zum anderen der Kauf von rund 4.110 Einheiten durch das schwedische Unternehmen Heimstaden Bostad. Diese beiden größten Abschlüsse zählen zu den vier Transaktionen zwischen Juli und Ende September mit über 800 Wohneinheiten. Ansonsten wurde der deutsche Wohnungsmarkt in den vergangenen drei Monaten von kleineren Transaktionen dominiert, auf die 51 Prozent des gesamten Transaktionsvolumens entfielen.

„Bei Mietausfallquoten von rund einem Prozent war auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt in den ersten sechs Monaten nach Ausbruch der Pandemie kein signifikanter Anstieg der Mietstundungen zu beobachten“, kommentiert Helge Scheunemann die aktuelle Situation und ergänzt: „Auch die Befürchtung, dass der Herbst die eigentliche Bewährungsprobe für den Arbeitsmarkt sein und damit zu vermehrten Mietausfällen führen würde, konnte bis dato nicht bestätigt werden. Die langfristigen konjunkturellen Folgen der Pandemie sind jedoch nach wie vor stark davon abhängig, ob es zu einem erneuten Lockdown kommt. Obwohl sich die wirtschaftlichen Aussichten in letzter Zeit aufgehellt haben, bleibt das Mietwachstumspotenzial in diesem Segment kurzfristig aber begrenzt.“ Einerseits werde aufgrund des Konjunktureinbruchs mit einer stagnierenden Einkommensentwicklung gerechnet. Zum anderen ist die Zuwanderung in den Ballungszentren deutlich zurückgegangen, während das Neuangebot in den letzten Jahren weiter ausgebaut wurde. Diese Entwicklung habe den Nachfrageüberhang vorerst etwas entschärft. Konstantin Kortmann ergänzt: „Entscheidend für die Attraktivität von Investments in Wohnimmobilien sind derzeit vielmehr die stabilen Erträge und das langfristige Wachstumspotenzial. Dies zeigt sich zum Beispiel am Berliner Wohninvestmentmarkt, der zwar von wohnungspolitischen Spannungen geprägt ist, der aber dennoch im dritten Quartal der Investitionsschwerpunkt und damit der wichtigste deutsche Standort im Wohnimmobilien-Investmentmarkt bleibt.“ Mit insgesamt 1,51 Mrd. Euro ist die Hauptstadt unangefochtener Spitzenreiter. „Für viele Investoren überwiegt hier das langfristige Potenzial die Nachteile der derzeitigen Unsicherheit durch die wohnungspolitischen Interventionen“, so Kortmann. Weitere relevante Märkte im dritten Quartal waren Hamburg (201 Mio. Euro), Rhein-Neckar (141 Mio. Euro), Kassel (107 Mio. Euro) und München (63 Mio. Euro).

Der mit 55 Prozent höchste Anteil der Kapitalströme kam im Jahresverlauf aus dem Ausland und lag damit deutlich über Fünfjahresdurchschnitt (21 %) – entscheidend beeinflusst durch die größte Transaktion im ersten Quartal, die Übernahme der Adler Real Estate durch die israelische ADO Properties SE. Aktiv waren vor allem Investoren aus Israel (6 Mrd. EUR), Schweden (1,09 Mrd. EUR), den USA (580 Mio. EUR), der Schweiz (470 Mio. EUR) und Großbritannien (400 Mio. EUR).

Im Gegenzug zeigte sich bei in Deutschland ansässigen Investoren in den neun Monaten eine deutliche Zurückhaltung. Ihr Anteil liegt derzeit bei rund 45 Prozent. In den Jahren 2015 bis 2019 lag der Durchschnitt bei 79 Prozent. In den ersten neun Monaten des Jahres 2020 bauten vor allem Spezialfonds (1,07 Mrd. Euro) und Asset-/Fondsmanager (711 Mio. Euro) Vermögen auf. Es folgten kommunale und gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften mit rund 647 Mio. Euro.

Insgesamt punkten die Wohnimmobilienanlagen nicht nur wegen ihrer hohen Resilienzfähigkeit. Auch die unmittelbaren strukturellen Veränderungen der Covid-19-Krise auf dem Arbeitsmarkt, etwa durch vermehrte Nutzung von Home-Office und das veränderte Bewusstsein für das Konsumgut Wohnen, haben die Assetklasse zunehmend in den Fokus des Interesses gerückt. Insbesondere der teilweise Lockdown hat indirekt zu einer erhöhten Nachfrage nach bestimmten physischen Wohnraummerkmalen wie eigenen Außenflächen und zusätzlichem Wohnraum geführt – Veränderungen, die auch die Aufmerksamkeit von Investoren anderer Anlageklassen vermehrt auf das Wohnsegment lenken lassen.

Die Märkte der Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) stehen im zurückliegenden Dreivierteljahr mit einem Anteil von 58 Prozent des Gesamtvolumens zwar nach wie vor im Mittelpunkt der Investitionstätigkeit. Vermehrt nachgefragt werden aber auch andere Regionen, etwa erstklassige Standorte in B- und C-Märkten wie Nürnberg, Darmstadt oder Kiel. „Wir gehen deshalb davon aus, dass mittelfristig das Preisgefälle vielerorts zunehmen wird. Und für das Transaktionsvolumen 2020 halten wir wegen der vielfältigen Argumente für Investitionen in Wohnimmobilien das Potenzial für hoch, bis Ende des Jahres die 20-Milliarden-Euro-Marke wieder überschreiten zu können“, so Konstantin Kortmann.

* Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens 10 WE und 75 % Wohnnutzung sowie der Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge

 

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