Stürme, Dürren, steigender Meeresspiegel  – Marktkommentar von Michael Gollits ist Vorstand von der Heydt & Co. AG

 

Für Infrastrukturinvestitionen sind Umwelt, Soziale und Governance-Faktoren (Environment, Social, Governance, kurz ESG) von zentraler Bedeutung. Denn eine Auswahl anhand von ESG-Kriterien kann Risiken wie den demografischen Wandel oder Auswirkungen des Klimawandels abfedern und für höhere Marktbewertungen sorgen. Allerdings müssen Investoren ESG-Risiken selbst verfolgen, da sich bei Ratings (noch) kein Marktstandard herausgebildet hat.

Eine Integration von ESG-Bewertungen in den Anlageprozess ist notwendig, um Risiken besser zu verstehen und zu managen. Der Aufwand wird mit einem niedrigeren Risikoprofil für ein Unternehmen, geringeren Kapitalkosten oder einem verbesserten Cashflow und geringeren Abwärtsrisiken belohnt. Die Integration von ESG in die Strategie eines Portfoliounternehmens stellt eine Chance dar, Werte zu schaffen und die Widerstandsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Unternehmens in einer sich schnell verändernden Welt zu verbessern. Tatsächlich schlagen seit Ausbruch der Pandemie in Europa Unternehmen mit hohen ESG-Standards den breiten Markt. Studien zeigen, dass Umwelt- und Sozialfaktoren die Kreditwürdigkeit und Kredit-Ratings gerade bei Infrastruktur-Unternehmen beeinflussen. Das zeigt sich besonders im Wassersektor, aber auch bei Energieübertragung und Offshore-Windenergiesektor. Fast jedes Infrastruktur-Unternehmen ist sozialen und ökologischen ESG-Risikofaktoren ausgesetzt.

„Fast jedes Infrastruktur-Unternehmen ist ESG-Risikofaktoren ausgesetzt“

Aber wie sollen Investoren ESG-Faktoren im Portfolio integrieren? Eine gängige Definition lautet, beim verantwortungsvollen Investieren gehe es darum, wesentliche ESG-Risiken systematisch zu identifizieren, zu bewerten, zu bepreisen, zu steuern und zu überwachen. ESG-Ratings sollten diesen Prozess vereinfachen. Investoren müssen dabei, so die Wunschvorstellung, nicht jede Anlage selbst auf ESG-Standards prüfen, sondern können auf ein standardisiertes Rating zugreifen. Irritierend ist nur, wie unterschiedlich diese Ratings ausfallen. Während bei klassischen Bonitätsrating der großen Anbieter wie S&P, Moody’s und Fitch ein enormer Gleichlauf bei den Beurteilungen zu beobachten ist, ist dieser Zusammenhang bei ESG-Ratings extrem schwach. Wer von einem MSCI-ESG-Rating auf ein RobecoSAM-ESG-Rating schließen möchte, könnte schon nahezu eine Münze werfen.

Es bleibt den Infrastrukturinvestoren also nichts anderes übrig, als selbst wesentliche ESG-Themen zu berücksichtigen. Das können wirtschaftliche Entwicklungen, demografischer Wandel, Auswirkungen des Klimawandels oder Beziehungen zu lokalen Gemeinden sein. Außerdem können negative externe Effekte wie Umweltzerstörung und Gesundheitsschäden die positiven Auswirkungen einer Investition aufwiegen.

„Negative externe Effekte können die positiven Auswirkungen einer Investition aufwiegen.“

Wie komplex die Zusammenhänge sein können, zeigt Sonnedix, ein Solarunternehmen im Besitz von institutionellen Investoren. Als Sonnedix ein neues Solarkraftwerk in Salinas in Puerto Rico gebaut hat, beschloss man, es nach einem Sturmsicherheitsstandard zu bauen, der deutlich über dem gängigen Standard lag, der sich an den Stürmen der vergangenen 100 Jahre orientierte. Obwohl damit erhebliche Mehrkosten und eine potentiell geringere Rendite verbunden waren, erwies sich die Entscheidung als richtig. Bei einem Wirbelsturm 2017 fiel nur ein halbes Prozent der 175.000 Photovoltaikkollektoren aus und die Anlage konnte die Region weiter mit Energie versorgen. Der Infrastruktursektor ist im besonderen Maße mit den erhöhten physischen Risiken des Klimawandels konfrontiert: So haben beispielsweise Dürren in Kalifornien Auswirkungen auf Wasserunternehmen, Stürme in Japan haben den Solarenergiesektor beeinträchtigt und der steigende Meeresspiegel wirkt sich auf Küstenanlagen aus. Vermögens-verwalter sind gefordert, Vermögenswerte genauer zu überwachen, um Resilienzpläne zu verabschieden und zu bewerten, wie sich Klimarisiken finanziell auf die Unternehmen auswirken werden.

„Vermögensverwalter sollten die Auswirkungen von Klimarisiken genau untersuchen.“

Wir erleben gerade einen gesellschaftlichen Wandel, in dem die Wertschätzung für Umwelt, für einen stärkeren Interessenausgleich zwischen gesellschaftlichen Gruppen, bei gestiegenen Anforderungen an das Wohlverhalten an Unternehmen erheblich steigt. Einige Bereiche, wie Ölpipelines, können in Zukunft zu „stranded assets“ werden, von der Zeit überholt und wertlos. Ein aktives Bewirtschaften von Infrastrukturinvestments wird in diesem Gezeitenwechsel wichtiger denn je. Durch eine richtige Investitionsauswahl, verbunden mit viel Detailanalyse besteht aber auch gerade jetzt auch die Chance, für Anleger einen erheblichen Mehrwert zu generieren.

Michael Gollits ist Vorstand von der Heydt & Co. AG und Portfolioadvisor des OVID Infrastructure HY Income Fonds. Der Fonds strebt die Erzielung einer attraktiven laufenden Ausschüttung bei möglichst gleichzeitiger Wertstabilität an. Michael Gollits startete seine Karriere bei F&C Management Ltd, in London. 1996 wechselte er zu einer deutschen Privatbank und war dort zuletzt als Bereichsleiter Wertpapiergeschäft verantwortlich für Kapitalmarktresearch, individuelles Vermögens-management und verantwortlicher Portfoliomanager einer Fondsfamilie. Von 2005 bis 2013 gestaltete er u.a. den Aufbau einer Privatbank in München und war als war als Geschäftsführer einer Hamburger Vermögensverwaltung für Kundenportfolios und gemischte Fonds mit Fokus auf Zukunftsthemen zuständig.

 

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