In den USA herrscht Regulierungswut, im vergleichsweise konservativen Finanzstandort Deutschland werden digitale Assets hingegen gefördert.

Das macht deutschen Unternehmen Lust auf Krypto: Der DAX-Konzern Siemens begibt erstmals eine elektronische Anleihe auf der Blockchain.

Aktuelle Markteinschätzung von Michael B. Bußhaus, Gründer und Geschäftsführer von justTRADE

Die USA waren zwar nie als große Krypto-Freunde bekannt, dass die US-Amerikaner aber in Sachen innovativer Finanztechnologie so stark auf die Bremse treten würden, hatte wohl niemand erwartet: Anfang Februar gab die US-Börsenaufsicht SEC bekannt, dass sie sowohl Staking als auch Stablecoins deutlich stärker regulieren werden.

So klagte die Behörde die Krypto-Börse Kraken an, mit ihren Staking-Programmen unerlaubte Securities (Wertpapiere) angeboten zu haben. Kurz darauf schaltete Kraken sein Staking-Programm für US-Bürger ab. Die zuletzt von zahlreichen schlechten Nachrichten gebeutelte Krypto-Welt traf diese Nachricht wie ein Donnerschlag. Denn Staking ist eine fundamentale Blockchain-Technologie, auf der zahlreiche Krypto-Protokolle beruhen, darunter etwa Schwergewichte wie Ethereum, Polygon, Solana und Cardano. Auch wenn die Nachricht für Aufregung sorgte: Der Behörde geht es derzeit nicht darum, Staking als solches zu verbieten. Vielmehr sollen Anbieter – in der Regel zentralisierte Börsen wie Kraken, Coinbase oder Binance – stärker in die Pflicht genommen werden, Investoren über solche finanziellen Dienstleistungen aufzuklären. Also alles doch halb so wild? Nicht ganz. Die SEC zeigt, dass sie den Sektor fest im Blick hat und sich nicht davor scheut, aggressiv gegen Krypto-Anbieter vorzugehen. Zumal die Staking-Regelung nur eine von weiteren Maßnahmen gegen Kryptos gewesen ist.

Stablecoins: Digitale US-Dollar gelten jetzt als Wertpapiere

Auch an anderer Stelle zog die US-Behörde dem Krypto-Markt die Daumenschrauben an. Im Rahmen ihrer Regulierungswelle richtete die SEC ihr Brennglas auf Stablecoin-Anbieter Paxos Trust, der für die Krypto-Börse Binance den Dollar-Token Binance USD (BUSD) herausgibt. Nach Tether und Circle‘s USDC ist BUSD mit einem Marktwert von rund 12 Milliarden US-Dollar der drittgrößte Player am Markt der „stabilen Währungen“. Stablecoins sind an den Wert einer Währung gebunden – im Falle von BUSD an den US-Dollar. Längst sind solche wertgebundenen Token nicht mehr aus dem Krypto-Bereich wegzudenken, denn sie lassen sich innerhalb von Sekunden über die Blockchain hin- und herbewegen. Zudem können sie als Pfand hinterlegt, für den Kauf von anderen Krypto-Assets genutzt oder über DeFi-Plattformen gegen Zinsen verliehen werden.

Krypto-Jünger sehen in solchen Token digitale Dollar, die SEC aber hingegen Wertpapiere, die dementsprechend reguliert werden müssen. Wie die SEC darauf kommt, digitale Dollar als Wertpapiere zu deklarieren ist noch unklar. Paxos Trust hat direkt auf die Einstufung der Behörde reagiert und wird demnach keine weiteren BUSD herausgeben – ein herber Schlag für den US-Kryptomarkt. Zwar ist bislang nur Paxos von der Regulierung betroffen, doch sollten Stablecoins der SEC ein Dorn im Auge bleiben, könnte Emittenten weiterer digitaler Dollar wie Tether oder Circle ein ähnliches Schicksal ereilen.

Deutschland: Auf dem Weg zum Krypto-Eldorado?

Erfreulicherweise geht Deutschland derzeit einen gänzlich anderen Weg als die USA. Das ist überraschend, ist die Bundesrepublik doch eher als konservativer Finanzstandort bekannt. Beim Thema Fintech rannte man bislang dem amerikanischen Markt hinterher, auch aus steuerlicher und regulatorischer Sicht ist der deutsche Kapitalmarkt für viele Investoren nicht unbedingt die erste Wahl. Ganz anders im Krypto-Bereich, hier zeigt die Bundesregierung, dass sie durchaus verstanden hat, welches Potenzial Blockchain und Krypto-Assets besitzen. Beim Thema Steuern ist Deutschland im internationalen Vergleich besonders attraktiv: Kryptogewinne werden derzeit wie Gewinne aus Gold und Devisen behandelt und sind daher nach einer Haltefrist von einem Jahr komplett steuerfrei. Zwar muss der Bundesfinanzhof noch abschließend klären, ob digitale Assets weiterhin steuerfrei veräußert werden dürfen. Die Chancen stehen derzeit jedoch nicht schlecht, dass es bei der Haltefrist bleibt.

Ähnlich liberal agiert das Bundesfinanzministerium beim Staking und Lending, denn hier gilt ebenfalls nur noch eine einjährige Haltefrist – statt der zuvor veranschlagten zehn Jahre. Deutschland ist hier deutlich weiter als andere Länder und zeigt, dass Krypto nicht mit den Maßstäben der alten Finanzwelt behandelt werden kann. Ein Rat, den sich nach der jüngsten Regulierungswelle auch die SEC zu Herzen nehmen sollte.

Damit nicht genug, prescht der Krypto-Standort Deutschland derzeit mit innovativen Projekten nach vorne. So hat der DAX-Konzern Siemens Mitte Februar erstmals eine elektronische Anleihe nach dem Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) auf der Blockchain begeben, das Volumen betrug 60 Mio. Euro. Da das Wertpapier digital und dezentral begeben wurde, war kein Marketmaker notwendig. Hier zeigt sich einer der großen Vorteile der Blockchain: Wie bei Bitcoin und anderen Krypto-Assets konnte das Wertpapier von Investor zu Investor direkt und ohne Mittelsmann gehandelt werden. Ausgegeben wurde die erste Krypto-Anleihe über die Blockchain Polygon.

Während die USA schwächeln, stößt Deutschland als Vorreiter in die Lücke eines neuen Marktes, in dem die Rollen noch nicht verteilt sind. Bleibt sich der deutsche Gesetzgeber bei seiner progressiven Regulierung treu, könnte Deutschland tatsächlich das internationale Krypto-Eldorado werden. Bis dahin ist es zwar noch ein weiter Weg, doch der Anfang sieht bereits vielversprechend aus.

Über den Autor

Michael B. Bußhaus ist Gründer und Geschäftsführer von justTRADE. Er war Geschäftsführer der onvista bank und verantwortete bis 01/2019 als Head of Brokerage das gesamte Wertpapiergeschäft der comdirect bank AG.

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