Investoren dürften künftig mit Reaktionen Trumps rechnen, sollten die Märkte erneut abstürzen
- Vertrauensverlust vermutlich nicht ausschlaggebend für Turbulenzen bei USTs
- Höhe möglicher der Zölle erschwert der Fed den Weg zu Zinssenkungen
Kommentar von Felipe Villarroel, Portfoliomanager bei TwentyFour Asset Management:
Die vergangene Woche gehörte an den Kapitalmärkten zu den volatilsten in der jüngeren Geschichte. Präsident Trumps Ankündigung einer 90-tägigen Pause bei wechselseitigen Zöllen für alle Länder mit Ausnahme Chinas löste eine der größten Kursrallyes an den Aktienmärkten der letzten Jahre aus. Auch die Kreditspreads zogen spürbar an und verengten sich deutlich über alle Segmente hinweg. Die Entwicklung der Zinsen war extrem sprunghaft. Bis zum Ende der Woche konnten Risikoanlagen einen Teil – jedoch nicht alle – ihrer Gewinne behaupten. Seit dem „Liberation Day“ am 2. April sind CoCo-, europäische High-Yield- und US-High-Yield-Indizes um 1,35 %, 1,68 % bzw. 2,79 % gefallen, während zehnjährige US-Staatsanleihen (USTs) 3,6 % eingebüßt haben. Aufgrund der aktuell etwa 210 Basispunkte betragenden Renditeverbesserung durch das Absichern eines euro-denominierten Vermögenswertes in US-Dollar liegt die Rendite der CoCo-, europäischen HY- und US-HY-Indizes jetzt bei 8,1 %, 8,51 % bzw. 8,54 %.
Aus den Turbulenzen lassen sich drei Schlussfolgerungen für die mögliche weitere Entwicklung ziehen:
Wachstumsperspektiven eingetrübt, aber keine schwere Rezession
Erstens ist die 90-tägige Waffenruhe der Trump-Regierung sowohl eine gute als auch eine bedeutende Nachricht. Es ist deutlich geworden, dass es eine Schmerzgrenze gibt, die Trump nicht überschreiten kann. Die genauen Beweggründe für den Kurswechsel bleiben Spekulation, doch es scheint, als hätten neben dem Abverkauf von USTs auch der Unmut einflussreicher republikanischer Geldgeber eine Rolle gespielt. Die Ankündigung dürfte Risikoanlagen stützen, da Investoren möglicherweise mit einer erneuten Reaktion Trumps rechnen, sollten die Märkte wieder abstürzen.
Zweifellos ist dies nicht das Ende der Zollproblematik, und was auch immer als Nächstes geschieht – ein gewisser Schaden ist bereits entstanden. Viele Unternehmen werden sich nun verstärkt mit der geografischen Diversifizierung ihrer Lieferketten und Absatzmärkte beschäftigen. Unter Risikomanagementaspekten erscheint das sinnvoll, aus der Wachstumsperspektive heraus ist es jedoch suboptimal und dürfte zumindest kurzfristig auch inflationär wirken. Infolgedessen rechnen wir nicht damit, dass Wachstums- und Inflationsprognosen auf die zu Jahresbeginn erwarteten Niveaus zurückkehren. Die Spannbreite der Prognosen ist derzeit ungewöhnlich groß, doch bislang rechnet kaum jemand mit einer schweren Rezession; die negativsten Szenarien gehen von einer leichten Kontraktion in einzelnen Quartalen des Jahres 2025 aus.
Margin Calls als Auslöser für UST-Turbulenzen
Zweitens war die Kursentwicklung bei USTs sowohl überraschend als auch beunruhigend. Dabei gibt es keine eindeutige Erklärung für den starken Zinsanstieg. Die am häufigsten genannte Ursache ist das Auflösen sogenannter „Basis-Trades“. Dabei handelt es sich, vereinfacht gesagt, um gehebelte Arbitragepositionen, die auf minimale Preisunterschiede zwischen USTs und UST-Futures oder Zinsswaps setzen. Durch Margin Calls mussten Händler USTs verkaufen, was eine Kettenreaktion auslöste – plötzlich mussten viele Anleihen untergebracht werden, während potenzielle Käufer sich inmitten der volatilsten Woche der jüngeren Vergangenheit zurückhielten. Sollte dies tatsächlich der Hauptgrund für die Turbulenzen sein, dürfte sich die Lage beruhigen, sobald diese Positionen aufgelöst sind und sich ein neues Gleichgewicht einstellt. Die Risiken sind allerdings hoch: Diese Geschäfte laufen meist über die Bilanzen unregulierter Akteure wie Hedgefonds – wann sie wirklich beendet sind, ist daher schwer abzuschätzen.
Keine Neubewertung von USTs und US-Dollar als sichere Häfen
Eine noch beunruhigendere Erklärung wäre, dass internationale Investoren das Vertrauen in USTs als sicheren Hafen verlieren. Dies könnte nicht-lineare Reaktionen an praktisch allen Finanzmärkten auslösen, da ein solcher Vertrauensverlust einem fundamentalen Paradigmenwechsel gleichkäme. Auch wenn es gute Gründe für eine Diversifikation gibt – was wir als Teil der Erklärung für die jüngsten Kursbewegungen sehen – glauben wir, dass der Dollar deutlich stärker unter Druck geraten wäre, wenn dies tatsächlich die Hauptursache gewesen wäre. Auch müssten Zentralbanken und andere Institutionen sich schlagartig vom Dollar abwenden. Der Euro hat seit der Bekanntgabe des deutschen Konjunkturpakets Anfang März 9,5 % gegenüber dem Dollar zugelegt, etwa die Hälfte davon nach dem 2. April. Es ist schwer zu beurteilen, wie stark dieser Anstieg auf das deutsche Stimulusprogramm, das schwächere US-Wachstumsbild oder einen Vertrauensverlust in den Dollar als sicheren Hafen zurückzuführen ist. Unser Bauchgefühl sagt aber, dass eine Neubewertung von USTs und dem Dollar als sichere Anlagen deutlich stärkere Währungseffekte ausgelöst hätte.
Fed: Inflation statt Wachstum im Fokus
Drittens scheint die US-Notenbank (Fed) derzeit eher über die inflationären als über die wachstumsbezogenen Folgen besorgt zu sein. Wären die Zölle niedriger ausgefallen, hätte die Fed sie möglicherweise als einmalige Steuererhöhung eingestuft, die keine geldpolitischen Maßnahmen erfordert. Tatsächlich hatte Fed-Chef Jerome Powell dies vor einigen Wochen noch so angedeutet. Doch die Höhe der Zölle ist entscheidend, da sie überproportionale Auswirkungen auf die Inflationserwartungen haben kann. Zwar ist noch unklar, wie hoch die endgültigen Zölle tatsächlich ausfallen, doch die nun diskutierten Niveaus erschweren der Fed den Weg zu Zinssenkungen. Sollte es zu einer schweren Rezession kommen – wovon derzeit noch nicht ausgegangen wird – erwarten wir jedoch eine entschlossene Reaktion der Fed, da Rezessionen naturgemäß disinflationär wirken.
Handel mit China nicht sobald wieder auf Vorkrisenniveau
Abschließend lässt sich festhalten, dass China in diesem Konflikt eine Sonderrolle einnimmt. Es ist nicht nur der größte Verursacher des US-Handelsbilanzdefizits bei Waren, sondern beide Seiten verfolgen auch geopolitische Ziele, von denen der Handelskonflikt nur ein Teil ist. Die wechselseitigen Strafmaßnahmen haben ein Niveau erreicht, das den Handel bestimmter Güter zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt ernsthaft zu gefährden droht. Selbst wenn die Zölle letztlich wieder gesenkt würden, rechnen wir nicht damit, dass der Handel zwischen den USA und China rasch wieder das Vorkrisenniveau erreicht.
Was für uns immer klarer wird: Europa könnte in dieser Situation Marktanteile von den USA gewinnen – sowohl bei der Allokation von Risikoanlagen und Anleihen als auch im Hinblick auf die Bewertung staatlicher Emittenten. Bezeichnend ist, dass S&P Italien trotz der turbulenten Woche am Freitag auf BBB+ hochgestuft hat. Um es klar zu sagen: Auch wenn ein Vertrauensverlust in die USA als sicheren Hafen nicht völlig ausgeschlossen werden kann, halten wir ihn derzeit für unwahrscheinlich. Gleichzeitig glauben wir jedoch, dass sowohl US-amerikanische als auch internationale Investoren in den letzten Tagen die Vorteile geografischer Diversifikation wieder stärker ins Bewusstsein gerufen bekommen haben.
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