Der VOTUM Verband analysiert die geplanten Reformen und ihre Auswirkungen auf die Finanzberatung

Keine Eingriffe in die Vergütungssystematik vorgesehen

Positiv hervorzuheben ist, dass die neue Regierung keine gravierenden Eingriffe in die Berufsausübung der Finanzberaterinnen und -berater plant. Im Koalitionsvertrag wird ausdrücklich festgehalten, dass sowohl die Honorar- als auch die provisionsbasierte Beratung weiterhin nebeneinander bestehen sollen. Gesetzgeberische Eingriffe sind nicht vorgesehen – lediglich eine Prüfung, ob die Aufsichtsbehörden über ausreichende Instrumente verfügen, um Fehlanreize zu verhindern.

Erneutes Aufgreifen bekannter Vorhaben

Zentrale Vorhaben, die sowohl das künftige Produktangebot als auch den Kundenkreis der Berater betreffen, wurden bereits von früheren Regierungen angekündigt, aber bislang nicht umgesetzt. Sie finden sich nun – wenig überraschend – erneut im Koalitionsvertrag. Im Fokus stehen die längst überfällige Riester-Reform sowie die Einführung einer Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Hier ist die Wachsamkeit der Berufsverbände gefragt, damit gesetzgeberische Maßnahmen in der richtigen Reihenfolge erfolgen. Aus Sicht des VOTUM Verbandes ist es zwingend notwendig, zunächst die Riester-Reform umzusetzen, bevor eine Versicherungspflicht für Selbstständige eingeführt wird.

Wiederholter Anlauf zur Riester-Reform – Auch für Selbstständige?

Bei den Ankündigungen zur Riester-Reform zeigt sich Licht und Schatten. Zwar sieht der Koalitionsvertrag vor, ein neues, von bürokratischen Hürden befreites Vorsorgeprodukt zu schaffen, das – wie erwartet – auf die bisher renditehemmende Beitragsgarantie verzichten soll, jedoch fehlt bislang die Zusicherung, dass auch Selbstständige in den Kreis der Förderberechtigten aufgenommen werden. Es heißt lediglich, dass eine Ausweitung des förderfähigen Personenkreises geprüft werden soll. Gleichzeitig ist von einer einfachen staatlichen Förderung für untere Einkommensgruppen die Rede. Gerade hier sollten auch Soloselbstständige berücksichtigt werden, die häufig ebenso großen Förderbedarf haben wie Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen.

Unklar bleibt zudem, ob die Beschreibung der neuen Riester-Alternative als “Anlageprodukt” bedeutet, dass auf die lebenslange Rentenzahlung verzichtet werden könnte – ein bisher zentraler Bestandteil der Riester-Rente, insbesondere aus Sicht der SPD. Ebenso unkonkret bleibt die Aussage, dass das neue Produkt auch als Standardprodukt verfügbar sein soll. Hier muss die Koalition darauf achten, Fehler zu vermeiden, wie sie bereits auf europäischer Ebene bei der Einführung des paneuropäischen Pensionsprodukts (PEPP) gemacht wurden. Dort führte die gesetzliche Verpflichtung zur Bereitstellung eines besonders günstigen Standardprodukts mit minimalen Verwaltungskosten dazu, dass PEPP bis heute europaweit nicht angeboten werden. Die Bundesregierung sollte aus diesen Fehlern lernen.

Gesetzliche Rentenversicherungspflicht für neue Selbstständige – alternativlos?

Bei der Einführung der Altersvorsorgepflicht für sogenannte „neue Selbstständige“ ist zu verhindern, dass dies zu einer automatischen Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung führt. Die Formulierungen im Koalitionsvertrag lassen eine solche Tendenz vermuten, da dort von einer „gründerfreundlichen Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung“ die Rede ist, während andere Altersvorsorgeformen lediglich als weiterhin möglich dargestellt werden. Deshalb ist es wichtig, dass die Regierung ihre „Hausaufgaben“ macht und auch Alternativen wie das künftige Riester-Nachfolgeprodukt ausdrücklich zulässt – aktuell existiert neben der Rürup-Rente keine weitere anerkannte Option.

Mutterschutz für Selbstständige

Darüber hinaus will die Regierung in den Dialog mit der Versicherungswirtschaft treten, um für selbstständige Frauen einen vergleichbaren Mutterschutz wie für Angestellte zu schaffen. Bislang ist dies nur durch Zusatzbeiträge bei freiwilliger gesetzlicher Versicherung möglich. Ob hier eine gemeinsame Lösung zwischen Staat und privaten Versicherern gefunden werden kann, bleibt abzuwarten.

Frühstart-Rente: Altersvorsorge oder eher Finanzbildungsmaßnahme?

Für das Kundenklientel mit Kindern kündigt der Koalitionsvertrag eine kurzfristige Neuerung an: Ab 2026 soll für jedes Kind zwischen dem 6. und 18. Lebensjahr ein Anspruch bestehen, monatlich 10 Euro in ein privat organisiertes Altersvorsorgedepot einzuzahlen – die sogenannte “Frühstart-Rente”. Ein Gesetzesentwurf liegt hierzu allerdings noch nicht vor, und das angestrebte Umsetzungsziel zum 01.01.26 erscheint daher etwas ambitioniert. Die Depots sollen ab 18. Lebensjahr weiter besparbar sein – begrenzt auf einen Höchstbetrag und bis zum Renteneintritt unangetastet bleiben. Die Erträge sind bis zum Renteneintritt steuerfrei. Es wird eines der ersten Gesetzesvorhaben sein, an dem sich das Umsetzungstempo der neuen Regierung zeigt.

Strukturelle Verbesserungen in der bAV

In der zweiten Säule der Altersvorsorge – der betrieblichen Altersversorgung – wird eine Verbesserung der Förderung für Geringverdiener angekündigt, verbunden mit dem Versprechen, das System zu digitalisieren, zu vereinfachen und zu entbürokratisieren. Im Fokus steht dabei insbesondere die bessere Übertragbarkeit bei Arbeitgeberwechseln.

Aktivrente – neues Beratungspotential?

Auch Beraterinnen und Berater älterer Kundengruppen für ergeben sich Änderungen in der Beratungspraxis: Zukünftig soll es möglich sein, über das gesetzliche Rentenalter hinaus freiwillig weiterzuarbeiten und dabei bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei zu verdienen. Außerdem sollen die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei der Hinterbliebenenrente verbessert werden.

Gesetzliche Rente wartet weiterhin auf mutige Reform

An der gesetzlichen Rente selbst sind keine Änderungen geplant. Das Rentenniveau soll bis 2031 bei 48 % festgeschrieben bleiben – die hierdurch entstehenden finanziellen Lücken sollen aus Steuermitteln gedeckt werden. Die Erweiterung der Mütterrente wird diese notwendigen Deckungsbeitrag noch erhöhen. Das von der FDP unter Finanzminister Lindner einst vorgeschlagene Modell der Aktienrente wurde nicht weiterverfolgt, ein stärkerer Kapitaldeckungsanteil in der gesetzlichen Rente ist nicht vorgesehen. Es soll jedoch eine Rentenkommission eingesetzt werden, die bis zur Mitte der Legislaturperiode eine neue Kenngröße für das gesamte Versorgungsniveau über alle drei Säulen hinweg prüfen soll. Ob diese Kommission weitere Prüfaufträge erhält, ist derzeit offen. Insgesamt wirkt der Koalitionsvertrag in diesem Punkt zu mutlos – allerdings muss man ihm zugutehalten, dass er nicht an den noch weniger realistischen Zielen der Vorgängerregierung festhält.

Elementarschadendeckung als Pflichtversicherung?

Auch im Bereich der Versicherungsvermittlung stehen Änderungen bevor. Bei Wohngebäudeversicherungen soll künftig der Elementarschadenschutz im Neugeschäft verpflichtend sein – allerdings mit einer Opt-out-Möglichkeit.

Fazit

Der Koalitionsvertrag ist von Realismus geprägt – entscheidend wird jedoch sein, wie die angekündigten Maßnahmen in konkrete Gesetzesvorhaben umgesetzt werden.

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