Zunehmende Anzeichen einer Erholung

 

Anfang Juni sehen wir eine Fortsetzung und Beschleunigung dessen, was schon im April und Mai zu beobachten war: eine Verbesserung der makroökonomischen Lage und ein schneller Anstieg der Marktstimmung. Der Nachrichtenfluss zur Gesundheitssituation hat sich deutlich verbessert, die Wirtschaftsdaten sind weniger negativ, und an den Märkten gewinnt die Umschichtung von sicheren Häfen in wachstums- und inflationsgebundene Anlagen an Momentum. Im Vergleich zu den letzten Wochen scheint die Rallye breiter abgestützt zu sein, und zwar in Gestalt einer traditionelleren „Risk-on” Erholung: die meisten Risikoanlagen legen zu, während die Hedge-Instrumente leiden.

WHAT’S NEXT?

Ökonomen erwarten für 2020 eine Rezession, geprägt von einem erheblichen Rückgang der weltweiten Konjunktur. Der IWF-Bericht vom April 2020 schätzt das weltweite BIP-Wachstum für dieses Jahr auf -3%, wobei es erhebliche Unterschiede gibt: -5,9% in den USA, -9,1% für Italien, -7,2% für Frankreich oder -6,9% für Deutschland. Dennoch sehen wir Licht am Ende des Tunnels: Für die Märkte ist die Richtung des Makrotrends wichtiger als sein gegenwärtiges Niveau. In unseren verschiedenen Indikatoren sehen wir Grund zur Hoffnung. Unser Newscaster, der den Newsflow der Medien mit Wachstumsbezug zu einem Wachstumsbarometer umrechnet, weist schon länger eine Verbesserung auf. Derzeit hat sein Diffusionsindex, der den Prozentsatz sich verbessernder grundlegender Daten misst, etwa 70% erreicht. Unser World Growth Nowcaster, der das Gleiche ausschließlich anhand von Wirtschaftsdaten ermittelt, hat vor kurzem diesen Aufwärtstrend aufgegriffen: Sein Diffusionsindex ist von unter 30% schnell auf etwa 50% angestiegen. In den USA und in der Eurozone zeigt eine Mehrheit der Wirtschaftssektoren solche Anzeichen einer Erholung.

Der Job-Bericht vom Freitag ist das perfekte Beispiel dafür, wie die Märkte vom Tempo der Erholung überrascht werden können: Während Ökonomen 7,5 Millionen verlorene Arbeitsplätze erwarteten, gelang es der US-Wirtschaft letztendlich, rund 3 Millionen neue zu schaffen. Wirtschaftliche Überraschungsindizes zeigen, dass dies kein Einzelfall ist: Trotzdem erwarten die meisten Ökonomen nach wie vor keine V-förmige Erholung. Anleger sollten bedenken, dass das Tempo der Erholung das beispiellose Ausmaß der fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen zur raschen Wiederbelebung der Wirtschaft widerspiegelt. Letzte Woche machte Europa einen weiteren Schritt in diese „wachstumsfördernde“ Richtung, erhöhte den Umfang seiner fiskalischen Ausgaben (über 750 Milliarden Euro) und seine geldpolitische Unterstützung, wobei EZB-Präsidentin Christine Lagarde zusätzliche 600 Milliarden Euro für das PEPP-Programm im Zusammenhang mit der Pandemie ankündigte. Kein Wunder, dass unser „Herzschlag der Zentralbank“ – ein Indikator, der anhand der Erklärungen der Zentralbankiers deren Zurückhaltung misst – weiterhin auf extremes Entgegenkommen hinweist: Diese gemeinsame Unterstützung hat Bestand. Bisher haben die Märkte im Juni sehr positiv auf diese verbesserte Wachstumslage reagiert, wobei sich die Stimmung deutlich erholt hat.

Marktstimmung verwandelt sich in globale Risikobereitschaft

In den vergangenen Wochen hatte sich die Rallye auf bestimmte Segmente von Wachstumswerten beschränkt: Qualitätsaktien, Technologiewerte und erstklassige Credits. Angesichts einer Stabilisierung der Gesundheitssituation, Verbesserungen an der Makrofront und erneuter Unterstützung seitens der Zentralbanken ist die Risikobereitschaft jedoch breiter gestreut. Die Nachzügler haben die frühen Gewinner überholt, und die „sicheren Häfen“ erlebten ihre schlimmste Woche seit Ende März. Der MSCI World Value erzielte gegenüber Growth mit einer Rendite von 8% bzw. 3,2% eine der größten Outperformances seit Jahren. Der Eurostoxx 50 stieg im Laufe der Woche um 10%, ebenso wie die Futures auf den vorderen Ölkontrakt, angetrieben von der steigenden Nachfrage (bei wieder anziehender Weltwirtschaft) und dem Angebot (Ausweitung der Produktionskürzungen). Bei den Credits stiegen die US-Hochzinsanleihen um 5,7%, während der S&P 500 „nur” um 3,1% zulegte, begünstigt durch steigende Energiepreise und ein geringer erwartetes Ausfallrisiko.

Im Devisenbereich wurden Währungen mit hohem Beta nach wie vor gekauft, vor allem aus den Schwellenländern, und zwar aufgrund systematischer Strategien, die aus ihren vorherigen Short-Positionen verdrängt wurden, während der US-Dollar, der japanische Yen und der Schweizer Franken verkauft wurden. Staatsanleihen verloren weltweit 1%, wobei die 10-Jahres-Renditen in den meisten großen Volkswirtschaften in der Woche um 20 Basispunkte höher lagen. Die Inflations-Breakevens stiegen weiter an, was auf eine Neubewertung der erwarteten Wachstums- und Inflationsprämien hindeutet. Auch hier handelt es sich um eine deutliche Veränderung gegenüber früheren Phasen der Rallye, als Rezessionsängste noch in defensiven Anlagen verankert waren.

Dieser Woche könnte das Fed-Treffen ein wichtiger Stimmungsfaktor sein. Insbesondere wird auf etwaige Änderungen unkonventioneller geldpolitischer Maßnahmen und die Wirtschaftsaussichten geachtet werden. Jüngste Erklärungen seitens der Fed-Mitglieder wiesen auf die Notwendigkeit hin, noch mehr Klarheit über die künftige Orientierung zu schaffen, auch wenn die Zentralbank bis September damit warten könnte, so dass die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Realwirtschaft in vollem Umfang erfasst werden können. Wir sind der Überzeugung, dass die Fed jederzeit bereit ist, erforderlichenfalls mehr zu tun, um Enttäuschungen an der Wall Street und der Main Street zu vermeiden.

Anpassung an das sich wandelnde Umfeld

Mit fortschreitender Erholung entwickelt sich auch die entsprechende dynamische Positionierung. Unserer Meinung nach haben die verschiedenen Rotationen, die über und unter der Oberfläche beobachtet werden, Raum, sich weiter zu entwickeln. Ein konstruktiver Blick auf die Erholung erfordert eine zunehmende Verlagerung auf wachstumsbezogene Anlagen, den Abbau von Short-Positionen in Sachwerten und eine Verringerung defensiver Anlagen wie Staatsanleihen. In der Tat fallen Staatspapiere zunehmend in Ungnade, da systematische und trendfolgende Akteure zunehmend rascher aussteigen. Dies könnte in naher Zukunft trotz Zentralbankkäufen ein Risiko für diversifizierte Strategien bedeuten. Außerdem würde eine hohe Zinsanpassung die Aktienbewertungen beträchtlich nach oben treiben und die gegenwärtige Rallye gefährden. Der Rückgang der Volatilität auf den niedrigsten Stand seit Februar hat auch die Hedging-Kosten sinken lassen. Deshalb ist nun ein guter Zeitpunkt für uns, Optionsstrukturen zu monetisieren, die die Teilnahme an der Rallye erfolgreich verbessert haben. Wir implementieren auch einen konvexen Schutz, um mögliche kurzfristige Stimmungsumschwünge abzufedern.

 

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