Kommentar von Maarten-Jan Bakkum, Senior Emerging Market Strategist
- Angeschlagene chinesische Wirtschaft, europäische Energiekrise, aggressive Straffung der Geldpolitik sind Belastungsfaktoren
- Eine weitere große Zinserhöhung der US-Notenbank ist diese Woche so gut wie sicher, und die Markterwartung eines Spitzenwertes von 4 % könnte zu konservativ sein
- Wir bleiben für weitere Wachstumsenttäuschungen, anhaltende Inflation und zunehmenden Druck auf Unternehmensgewinne positioniert
Die globalen Wachstumsaussichten sind nach wie vor düster: Die chinesische Wirtschaft schwächelt, Europa steckt in einer Energiekrise und einer Inflationsspirale. Die EZB und die Fed sind dabei, die Geldpolitik aggressiver zu straffen, um dem Risiko nicht verankerter Inflationserwartungen zu begegnen. Unser Multi-Asset-Modell-Portfolio bleibt für dieses negative Szenario positioniert, das durch den zunehmenden Druck auf die Unternehmensgewinne noch verstärkt wird.
Die meisten Risikoanlagen erholten sich in der vergangenen Woche, möglicherweise aufgrund von Hinweisen auf eine stabile Nachfrage in den USA und Plänen der Europäischen Union, die Belastung der Haushalte und Unternehmen durch hohe Energiepreise zu senken. Wir betrachten dies als Teil eines längeren negativen Trends. Weitere staatliche Interventionen auf dem Energiemarkt sind angesichts der weiter steigenden Energiekosten und des bevorstehenden Winters dringend erforderlich.
Die jüngsten Erfolge der ukrainischen Armee bei der Rückeroberung verlorener Gebiete werden die Entschlossenheit des Kremls nur noch verstärken, den Druck auf die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten durch weitere Unterbrechungen der Energieversorgung zu erhöhen. Für den Moment bedeutet dies wahrscheinlich, dass die ukrainische Energieinfrastruktur, einschließlich des Kernkraftwerks Saporischschja, weiterhin angegriffen werden wird. Es ist auch wahrscheinlich, dass Russland die Gaslieferungen nach Europa weiter reduzieren wird.
Vor diesem Hintergrund dürften die Energiepreise weiterhin hoch bleiben und einen raschen Rückgang der europäischen Inflationsraten erschweren. Da sich die Europäische Zentralbank eindeutig auf das Risiko nicht verankerter Inflationserwartungen konzentriert, sollten wir trotz der Konjunkturabschwächung auf mehrere weitere Zinserhöhungen vorbereitet sein.
Unser Multi-Asset-Modell-Portfolio ist weiterhin auf eine anhaltende Inflation, eine weitere Straffung der Geldpolitik, steigende Zinsen, weitere negative Wachstumsüberraschungen und zunehmenden Druck auf die Unternehmensgewinne ausgelegt. Aus taktischen Gründen haben wir nach der letzten EZB-Sitzung, die so hawkish war, wie wir erwartet hatten, beschlossen, einige Gewinne mitzunehmen und unsere Untergewichtung von Treasuries und Bundesanleihen zu halbieren.
Falken bestimmen die Politik der EZB
Bei der EZB geben die Falken den Ton an. Ihr Augenmerk liegt auf der anhaltenden Inflation. Verschiedene Angebotsschocks haben die Inflationsvolatilität erhöht. Die EZB möchte diese so schnell wie möglich unter Kontrolle bringen, um einen Ausbruch der Inflationserwartungen zu verhindern. Die Zentralbank ist entschlossen, die Inflationsrate rasch auf ihr Ziel von 2 % zu senken – selbst wenn die sich verschärfende Energiekrise eine schwere Rezession verursacht.
Die EZB-Führung ist der Ansicht, dass der Leitzins auch nach der letzten Erhöhung um 75 Basispunkte deutlich unter dem angemessenen Niveau bleibt. Christine Lagarde hat ausdrücklich erwähnt, dass die EZB beabsichtigt, die Zinssätze auf den kommenden Sitzungen weiter anzuheben. Wir erwarten nun, dass der Einlagensatz einen Höchststand von 2,5 % erreichen wird. Eine stärker als erwartet ausfallende Rezession wird die EZB wahrscheinlich dazu zwingen, die Zinserhöhungen im ersten Quartal 2023 zu beenden.
Fed dürfte Straffung fortsetzen
Unser Ausblick für die Federal Reserve bleibt unverändert. Mehrere Fed-Gouverneure erklärten kürzlich, dass das Risiko einer Entankerung der Inflationserwartungen immer noch zu hoch sei, als dass das Tempo der Straffung verlangsamt werden könnte. Die US-Notenbank wartet auf einen umfassenden Rückgang der Inflationsdynamik, bevor sie eine Kursänderung in Erwägung zieht. Die Gesamt- und Kerndaten des Verbraucherpreisindex lagen im August deutlich über den Erwartungen. Der Kernverbraucherpreisindex, der sich seit April abgeschwächt hatte, stieg erneut auf 6,3 %.
Da die Federal Funds Rate derzeit bei 2,5 % liegt und sich der US-Arbeitsmarkt und die Wirtschaft besser als erwartet behaupten, gehen wir davon aus, dass die US-Notenbank die Zinsschraube weiter aggressiv anziehen wird. Eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte in dieser Woche ist so gut wie sicher, und die Markterwartung eines Höchststands von 4 % könnte zu konservativ sein.
China setzt auf Konjunkturprogramme
In China werden zusätzliche politische Impulse vorbereitet. Ihr Augenmerk liegt nach wie vor auf dem Wohnungsmarkt, wo die Transaktionen weiterhin rückläufig sind und das Wachstum der Neuinvestitionen auf ein neues Mehrjahrzehntstief von -12 % gesunken ist. Auch das Exportwachstum ist rückläufig – im August um saisonbereinigte 5 % gegenüber dem Vormonat. Dadurch wird ein größeres, umfassenderes Konjunkturpaket immer dringlicher.
Die Regierung hat seit August Maßnahmen im Umfang von fast 1 % des Bruttoinlandsprodukts angekündigt, insbesondere neue Anleihekontingente und öffentliche Bankkredite zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten und zur Unterstützung des Wohnungsmarktes. Wir erwarten in den kommenden Monaten weitere ähnliche Maßnahmen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Mitte Oktober beginnenden Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas, auf dem Xi Jinping wahrscheinlich für eine dritte Amtszeit als Präsident bestätigt werden wird.
Der Großteil der neuen Maßnahmen wird fiskalisch sein. Der zunehmende Kapitalabfluss aus China, der durch die Turbulenzen auf dem Immobilienmarkt, die Unsicherheit infolge der Pandemie und die strengen regulatorischen Auflagen für Privatunternehmen ausgelöst wurde, hat den Renminbi unter Druck gesetzt. Dieser Trend wurde durch die sich verschlechternden Exporterwartungen noch verstärkt. Durch diese Faktoren ist der Spielraum für eine stärkere geldpolitische Lockerung begrenzt. Auch die Kreditnachfrage ist aufgrund der Vertrauenskrise im Privatsektor nach wie vor gering. Das bedeutet, dass fiskalische oder quasi-fiskalische Impulse über die öffentlichen Banken wirksamer sein werden, um das Wachstum der Binnennachfrage anzukurbeln.
Vorbereitung auf schlechte Nachrichten zum globalen Wachstum
Wir sind weiterhin für ein enttäuschendes globales Wachstum positioniert, und zwar aus drei Hauptgründen: die angeschlagene chinesische Wirtschaft, die Energiekrise in Europa und die aggressive Straffung der Geldpolitik in Europa und den USA. Unser Multi-Asset-Modell-Portfolio bleibt in globalen Aktien untergewichtet. Wir glauben, dass die Gewinnschätzungen für das nächste Jahr zu optimistisch sind. Der Margendruck wird weiter zunehmen, und die Konjunkturabschwächung wird die Unternehmen daran hindern, die höheren Inputkosten vollständig weiterzugeben. Darüber hinaus sind wir nicht der Meinung, dass die Bewertungen in dieser Zeit der straffen Geldpolitik einen guten Puffer gegen enttäuschendes Gewinnwachstum darstellen. Wenn die Realrenditen weiter steigen, werden die Bewertungen wahrscheinlich noch weiter sinken – wie die nachstehende Grafik zeigt.
Regional halten wir an unserer starken Untergewichtung in Aktien der Eurozone fest. Unser Basisszenario für Europa ist eine Rezession, die das Gewinnwachstum in den negativen Bereich bringen dürfte. Die EZB hat klar gesagt, dass sie die Zinsen weiter anheben wird. Wir haben unsere Sektorallokation nicht geändert und halten an einer leichten defensiven Ausrichtung in den Bereichen Gesundheitswesen und Versorger fest. Wir bleiben in Kommunikationsdienstleistungen und Immobilien untergewichtet, zwei Sektoren, die durch höhere Realrenditen gefährdet sind.
Renditen in den USA und der Eurozone weiterhin im Aufwind
Im Bereich Fixed Income haben wir unsere Untergewichtung in Treasuries und Bundesanleihen von hoch auf moderat reduziert. Die Renditen zehnjähriger Anleihen sind seit Anfang August rasch gestiegen und haben fast wieder ihre Höchststände vom Juni erreicht. Da die EZB in der letzten Sitzung ihren straffen Kurs bekräftigt hat und die Fed in der kommenden Woche voraussichtlich um 75 Basispunkte erhöhen wird, haben wir beschlossen, bei unseren Zinspositionen Gewinne mitzunehmen. Angesichts unserer Einschätzung einer hartnäckigen Inflation, insbesondere in Europa, und der starken Fokussierung sowohl der Fed als auch der EZB auf das Risiko entankerter Inflationserwartungen sehen wir bei den Renditen in den USA und in der Eurozone jedoch immer noch ein ordentliches Aufwärtspotenzial.
Wir haben unsere starke Untergewichtung bei Unternehmensanleihen der Industrieländer vorerst beibehalten. Da sich das globale Konjunkturbild verschlechtert und die Zinssätze steigen, dürften sich die Credit Spreads weiter ausweiten. Bei Schwellenländeranleihen bleiben wir neutral. Die Staatsanleihen der Schwellenländer in Hartwährung entwickeln sich weiterhin im Einklang mit den Hochzinsanleihen der Industrieländer. Die Bewertungen sind attraktiver geworden, aber der aktuelle Spread von 480 Basispunkten liegt nur leicht über dem 25-Jahres-Durchschnitt. Da die Wirtschaftspolitik in den Schwellenländern interventionistischer und weniger auf makroökonomische Stabilität ausgerichtet ist, als dies während des Großteils der 2000er und 2010er Jahre der Fall war, und da steigende Zinssätze in den USA und Europa die Notwendigkeit für Anleger verringern, nach höheren Renditen in den Schwellenländern zu suchen, sind wir nicht davon überzeugt, dass sich die Spreads für Hartwährungen ausreichend ausgeweitet haben.
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