Von Dr. Johannes Neder Vorstand VEMA eG
In einer Zeit, in der bereits umfangreiche gesetzliche Vorgaben die Finanzberatung regeln, stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Mehrwert einer DIN-Norm für die Branche. Die Qualität der Beratung wird maßgeblich durch die Qualifikation und Integrität der Beraterinnen und Berater gesichert und gesteigert. Freie Märkte sollten Raum für individuelle Entscheidungen und eigenverantwortliche Risikowahrnehmung bieten – ein Prinzip, das durch gemeinsam definierte Soll-Anforderungen nur unnötig durch bürokratische Hürden erschwert wird. Die Einführung einer DIN-Norm wird häufig mit Falsch- oder Fehlberatung begründet. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Berufsgruppen wie Wirtschaftsprüfer, Notare, Steuerberater und Rechtsanwälte trotz höherer Schadenzahlungen in ihren Haftpflichtversicherungen im Vergleich zu Finanzdienstleistern keiner vergleichbaren Norm unterliegen. Diese Diskrepanz wirft Fragen auf und unterstreicht die Notwendigkeit, die Motivation hinter einer Normung kritisch zu hinterfragen. Kann die Vereinheitlichung durch eine Norm dem individuellen Absicherungsbedürfnis eines Menschen grundsätzlich gerecht werden? Wird der Kunde dadurch wirklich besser beraten oder ist es nicht eher eine seltsam verquere Marketingmaßnahme, wenn man sich damit brüstet, nach DIN zu beraten statt nach individuellem Bedarf? Tut man das alles wirklich für den Verbraucher? Zumindest scheint dieser von der bisherigen Regulierung und Normung wenig zu profitieren. Denken wir zum Beispiel an die VVG-Reform, nach der die Versicherungsbedingungen dem Kunden zwingend vorab ausgehändigt werden müssen. Doch auch nach all den Jahren macht es keinen Unterschied, ob der Kunde die Bedingungen vor oder nach Vertragsabschluss nicht liest …
Kunden brauchen keine DIN-Norm für die Beratung, sondern kompetente Berater, die den vorhandenen Bedarf erkennen und sich die Zeit nehmen, einem Versicherungslaien die Lösungen zu erklären. Eine 08/15-Beratung nach Schema F mit Galopp durch ein Meer von Sparten, die noch gar nicht zur Diskussion stehen, kann nicht der richtige Weg sein. Vielmehr bereitet die Norm den Boden für die Annahme, dass der fachlich geschulte Berater in seiner heutigen Form nicht mehr benötigt wird, weil der Eindruck erweckt wird, dass man dank der Norm nichts mehr falsch machen kann. Das öffnet Tür und Tor für noch mehr fragwürdige Beratung durch „Verbraucherschützer“, die schon heute ihren Image-Vorsprung zu nutzen wissen. Wer die Beratungs-DIN unterstützt, erweist unserer Branche einen Bärendienst.
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