„Ausbruch einer neuen Schuldenkrise in Zeiten einer konjunkturellen Abkühlung birgt Zündstoff.“

 

Holger C. Hinz, Leiter Corporate Finance Quirin Privatbank:

Der Haushaltsstreit mit Italien überschattet kurzfristig deutlich die Geldpolitik der EZB, welche langfristig aber mehr Bedeutung für die Refinanzierung mittelständischer Unternehmen hat. Der Ausbruch einer neuen Schuldenkrise in Europa in Zeiten einer konjunkturellen Abkühlung birgt Zündstoff. Italien gefährdet aktuell vor allem sich selbst und das heimische Finanzsystem, denn die privaten Haushalte sind vermögend und gering verschuldet. Italien ist ohne Probleme – wenn die Regierung es ernst mit ihrer „Italien-zuerst“-Politik meint – selbst in der Lage, die Finanzen in den Begriff zu bekommen. Wie immer stößt hier der Populismus aber bei der realen Übernahme von Verantwortung an seine Grenzen. So verständlich auf Basis der Arbeitslosigkeit in Italien der Wunsch nach einem Stimulus sein mag, dann bedeutet der Beitrag der Italiener im Wege von Strukturreformen zu allererst die Kapitalflucht zu beenden, Steuerschulden nachhaltig einzutreiben und mit dem Vermögen für das Heimatland einzustehen.

„Italien kann das europäische Bankensystem in eine Krise stürzen, welche die Griechenland-Krise übertrifft.“

Günther Lindenlaub, CEO Finnest.com:

Wenn die Leitzinsen erhöht, steigen die Zinsen im Euroraum und damit werden Kredite teurer. Das könnte die Bereitschaft der Banken kurzfristig sogar erhöhen, Kredite zu vergeben. Allerdings kann die erhöhte Zinsbelastung bereits verschuldeten Unternehmen zum Verhängnis werden.

Nachteiliger ist, wenn EZB den Banken keine Anleihen oder Verbriefungen mehr abkauft. Denn auf diesem Wege haben sich Banken in den vergangenen Jahren billiges Geld, sprich Liquidität verschafft. Weniger Liquidität, weniger Kredite.

Italien hat allerdings aus meiner Sicht das größere Negativpotential. Sollten europäische Banken gezwungen sein ihre italienische Staatspapiere abzuwerten – wir sprechen von vielen, vielen Milliarden –, kann dies das europäische Bankensystem in eine weitere Krise stürzen, und zwar eine, welche die Griechenland-Krise voraussichtlich übertrifft. Das würde das Finanzierungspotenzial der Banken für den Mittelstand nachhaltig schwächen.

„Weitere Verzögerung der Zinsanpassung seitens der EZB bedeutet ein noch größeres Risiko als die schwache Situation Italiens.“

Martin Kohlbeck, COO Lendico:

„Es ist davon auszugehen, dass das Thema Refinanzierung den Mittelstand künftig vor größere Herausforderungen stellen wird. Die Kritik der Bafin, dass die Banken zu aggressiv bei der Kreditvergabe vorgingen und eine mögliche Abkühlung der Wirtschaft ignorieren, könnte eine wesentliche Rolle dabei spielen. Die Regulatorik könnte in diesem Zuge durchaus weiter zunehmen, da die deutsche Kreditwirtschaft eine der wenigen Finanzbereiche ist, den die Bafin ohne internationale Abstimmung kontrollieren kann. Zudem dürfte auch die Zinswende, die in den USA bereits vollzogen wurde, einen negativen Einfluss nehmen. Eine weitere Verzögerung der notwendigen, schrittweisen Zinsanpassung seitens der EZB bedeutet ein noch größeres Risiko als die schwache Situation Italiens – einer abrupten Zinswende mit massiven Steigerungen kann sich der Mittelstand nur schwer anpassen.

Mittelständler tun sich einfach schwer mit abrupten Änderungen. Dass die Firmen darüber hinaus grundsätzlich nur über begrenzte bankenrelevante Sicherheiten verfügen, ist dem Ganzen ebenso wenig zuträglich wie die trotz guter Konjunktur auf hohem Niveau verbleibende Steuerbelastung.“

 

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