Nadège Dufossé, CFA und Head of Asset Allocation beim europäischen Vermögensverwalter Candriam diskutiert in einem aktuellen Marktausblick für das zweite Halbjahr 2019 die wirtschaftlichen Aussichten in den weltweiten Kernregionen.

 

Die Aktienmärkte haben sich zwar deutlich erholt, weltpolitische Risiken dominieren dennoch die kommenden Monate. Zum Ende des ersten Halbjahres 2019 haben sich die Konjunkturerwartungen eingetrübt. Eine Diskussion um die Einführung neuer Zölle durch die Vereinigten Staaten verunsichert die Märkte aktuell und in den kommenden Monaten.

Aktien erholen sich, Unsicherheit bleibt hoch

Nach dem Tiefpunkt Ende Dezember 2018 erholten sich die Aktienmärkte deutlich. Die Diskrepanz zwischen der Wertentwicklung des US-Marktes und der Schwellenländer ist jedoch nach wie vor beträchtlich. Die Anleger scheinen den Anstieg der Aktienmärkte genutzt zu haben, um ihre Positionen zu lockern. Diese Zurückhaltung lässt sich leicht mit dauerhaft schwachen Konjunkturindikatoren, unvorhersehbaren Aussagen des US-Präsidenten und der Besorgnis der Zentralbanken in ihrem Wettlauf um geldpolitische Lockerungen erklären.

Eine Rezession im Jahr 2020 ist nicht das wahrscheinlichste Szenario, und nach dem dramatischen Ratenverfall im Mai 2019 wird die Suche nach Rendite für Investoren wieder zu einer echten Herausforderung.

Solides Wachstum in den Vereinigten Staaten

Der Kontext für die geografische Allokation ist derzeit äußerst schwierig. Die Vereinigten Staaten sind tonangebend, und der amerikanische Markt scheint durch eine doppelte Verkaufsoption geschützt zu sein: die der amerikanischen Federal Reserve und die des amerikanischen Präsidenten. Die Zentralbank unternimmt alles, um einer Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit entgegenzuwirken und günstige finanzielle Bedingungen aufrechtzuerhalten. Die Fed besitzt heute mehr Handlungsspielraum als andere Zentralbanken, um ihre Geldpolitik zu lockern. Der US-Präsident hat seine Kampagne offiziell für eine zweite Amtszeit gestartet und sollte vernünftigerweise versuchen, eine Rezession und einen Einbruch des US-Aktienmarktes zu vermeiden. Grundsätzlich ist das amerikanische Wachstum solider, was sich in der Steigerung der Unternehmensgewinne widerspiegelt, während die Bewertung der amerikanischen Aktien nicht übertrieben hoch ausfällt.

Schwellenländeraktien mittelfristig attraktiv, Eurozone anfällig für Risiken

Schwellenländeraktien sind mittelfristig attraktiv, weil sie eine Wachstumsgeschichte darstellen: Von den vier größten Aktiensektoren des Schwellenländer-Aktienindex stehen drei Sektoren in Verbindung mit Technologie, sozialen Netzwerken und Konsum. Dieses Wachstum ist jedoch gut bewertet. Bei Aktien aus Schwellenländern und insbesondere aus China wird es darauf ankommen, ob ein – wenn auch nur vorübergehendes – Abkommen mit den Vereinigten Staaten zustande kommt und ob dies das Risiko eines Handelskrieges kurzfristig abwendet. China sollte dann in der Lage sein, sein Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten, und die Schwellenländer könnten zumindest einen Teil ihres Performance-Rückstands gutmachen.

Die Eurozone scheint noch anfälliger zu sein: Sie hat einen begrenzten haushaltspolitischen Spielraum, Zinssätze, die sich bereits im negativen Bereich befinden, und sie ist vielen politischen Risiken innerhalb und außerhalb der Zone ausgesetzt. Die Investoren haben diese Risiken berücksichtigt und sich von der Region abgewandt, die Aktienströme sind seit dem vergangenen Jahr negativ und auch die Positionierung gegenüber dem Euro bleibt sehr negativ. Paradoxerweise könnte dieser Pessimismus dem Potenzial für eine Überraschung weichen: einer positiven Überraschung bei der Stabilisierung des Wachstums oder beim Abbau politischer Spannungen? In der Zwischenzeit drückt sich die Zurückhaltung in der Eurozone in einem Rekordabschlag auf Value-Aktien im Vergleich zu Wachstumstiteln aus. Ein bedeutender Teil des Aktienmarktes wurde vernachlässigt und entwickelt sich wesentlich schlechter als die besten Qualitäts- und Wachstumswerte, die besser bewertet sind.

Anleihenallokation begünstigt Suche nach Rendite

Die 180-Grad-Kehrtwende der US-Zentralbank von einer Normalisierungsphase zu einer geldpolitischen Lockerungsphase wirkt sich auf die Anleihenallokation aus. Die Suche nach Rendite steht erneut im Mittelpunkt von Allokationsentscheidungen. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den nächsten zwölf Monaten ist nach wie vor begrenzt, weshalb riskantere und renditestärkere Klassen Vorrang haben. Dazu gehören etwa europäische Hochzinsanleihen und auf Dollar lautende Schwellenländeranleihen in einem diversifizierten Portfolio. Die Ausfallraten sind niedrig und daran sollte sich auch in einem sich stabilisierenden wirtschaftlichen Umfeld nichts ändern.

Strukturierterer Schutz für Portfolios

Es zeichnet sich eine Phase des Wirtschaftszyklus ab, die von größerer Unsicherheit, zahlreichen politischen Risiken und unvorhersehbaren Kommunikationseffekten geprägt ist. Es ist deshalb notwendig, bestimmte Schutzmaßnahmen mit stärkerer struktureller Betonung zu integrieren. Diese Schutzmaßnahmen finden sich im Engagement in bestimmten Währungen wie dem Yen wieder, der dieser Aufgabe seit Anfang des Jahres voll gerecht wird.

Gold bietet auch im heutigen Umfeld wirksamen Schutz. Volatilitätskäufe kommen ebenso in Betracht. Die Volatilität nahm im Mai trotz des Rückgangs der Aktienmärkte und des Wiederauflebens von Handelsspannungen mit China kaum zu. Der Wettlauf um die geldpolitische Lockerung durch die großen Zentralbanken hat die Volatilität erneut ausgebremst. Sobald das Rezessionsrisiko für die Anleger jedoch wieder zu einem Problem wird, wird auch die Volatilität zunehmen und diese Anlageklasse eine wirksame Absicherung gegen einen Verlust des Vertrauens in das Handeln der Zentralbanken darstellen.

 

Verantwortlich für den Inhalt:

Candriam Luxembourg – Zweigniederlassung Deutschland, Fellnerstraße 5, D-60322 Frankfurt, Tel.: +49 69 2691903-0, www.candriam.de