Im Bundesgesundheitsministerium herrscht Hochbetrieb. Fast jede Woche gibt es ein neues Gesetz.

 

„Nachdem MDK-Reformgesetz und Masernschutzgesetz bereits den Bundestag passiert haben, wird dort wohl in Kürze das Betriebsrentner-Entlastungsgesetz durchgewinkt werden“, erwartet Thomas Adolph vom führenden Vergleichsportal www.gesetzlichekrankenkassen.de. Der Entwurf liegt bereits vor und bedient eine wichtige Wählerklientel. Rund vier Millionen Betriebsrentnerinnen und Betriebsrentner, die bei einer Krankenkasse pflichtversichert sind, werden ab 2020 um 1,2 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Das Bundeskabinett beschloss den Entwurf eines „Gesetzes zur Einführung eines Freibetrages in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge“ bereits. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn drückt aufs Tempo, denn das Gesetz soll bereits zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Der Bundesrat ist keine Hürde, denn er muss dem Gesetz nicht zustimmen.

Kassen leisten Widerstand – Drei Milliarden Euro Einbußen

Das Thema ist alt und keiner will die Medien-Schelte auf sich ziehen. „Bisher werden Betriebsrenten, die über dem Freibetrag von 155,75 Euro lagen, voll verbeitragt“, sagt der Kassenexperte. „Rentner zahlen also vereinfacht gesagt den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag.“ Brisant an der neuen Regelung ist nicht die Anhebung des Freibetrags auf 159,25 Euro, sondern die Gegenfinanzierung dafür, dass bei Überschreiten dieser Hürde nur mehr der überschießende Rest zählt und dass künftig die Kassen nur mehr den halben allgemeinen Beitragssatz verlangen dürfen. „Das führt praktisch über Nacht zu Mindereinnehmen von 1,2 Milliarden Euro“, sagt Thomas Adolph. „Man nimmt das Geld einfach aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds als gäbe es kein morgen.“ Von 2020 bis 2023 wird sie um drei Milliarden Euro geschröpft, danach müssen die Krankenkassen die Beitragsausfälle selbst in voller Höhe tragen. Jedesmal geht es um Geld, das freiwillig und pflichtversicherte Kassenmitglieder eingezahlt haben oder einzahlen müssen. Zudem ist der aktuelle Kontostand nur eine Momentaufnahme. Laut Bertelsmann-Stiftung werden der Gesetzlichen Krankenversicherung nach aktuellen Berechnungen bis 2040 fast 50 Milliarden Euro fehlen. Grund: Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht auseinander.

Kassen sind zu Veränderungen bereit – Protest gegen das Schröpfen der Mitglieder

Die Kassen sind keine Bremser, der Verwaltungsrat hatte bereits im August 2018 für die Anwendung des halben allgemeinen Beitragssatzes (sowie – ab 2019 – des halben Zusatzbeitragssatzes) gestimmt. Das Votum galt für pflicht- und freiwillig versicherte Empfänger von Versorgungsbezügen. „Schon damals aber hatte man klargemacht, dass man wohl eine Kompensation erwarten dürfe“, berichtet der Krankenkassen-Kenner. Jetzt stellt der GKV-Spitzenverband zur Debatte, dass das Instrument und die Höhe der Gegenfinanzierung nicht sachgerecht sind. Da Zielsetzung des Gesetzgebers die Steigerung der Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge ist, handelt es sich um eine krankenversicherungsfremde Maßnahme. Die Gegenfinanzierung ist daher aus Steuermitteln sicherzustellen. Nebenbei bemerkt ist die Argumentation des BGM ohnehin fadenscheinig. Wenn Spahn erklärt, „Wir wollen das Vertrauen in die betriebliche Altersvorsorge stärken. Wer fürs Alter vorsorgt, darf nicht bestraft werden“, kann er nur die Zukunft adressieren – das Gesetz aber begünstigt ausschließlich Betriebsrentner, deren Zuversicht lange Jahre zurückliegt.

Hetze nicht nachzuvollziehen – Umsetzung nicht von heute auf morgen möglich

Die Krankenkassen sehen die Frist zur Umsetzung der Regelungen als „sehr ambitioniert“ an. Der Spitzenverband geht davon aus, dass die Zahlstellen eine deutlich längere Vorlaufzeit brauchen. Die jeweiligen Abrechnungsprogramme der Leistungserbringer müssen umgestellt werden. Dasselbe gilt für die Umsetzung der neuen Regelungen in den Systemen der Krankenkassen.

 

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