Zinskommentar der Dr. Klein Privatkunden AG

 

Die EZB hält an ihrem Kurs fest: Wie erwartet, änderte sie in der letzten Ratssitzung weder etwas am rekordniedrigen Leitzins noch passte sie den Kurs ihrer expansiven Geldpolitik an. Sie hat auch bereits viel Pulver verschossen – drei Billionen Euro sind seit 2015 in diverse Anleihekaufprogramme geflossen und erst im Dezember wurde das Notprogramm zur Bekämpfung der Pandemie (PEPP) um 500 Milliarden Euro aufgestockt und verlängert. Eine Entscheidung, die Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, nachvollziehen kann: „Diese neuerliche Maßnahme muss ihre Wirkung erst noch entfalten, bevor eine weitere Justierung ins Auge gefasst wird“.

EZB Präsidentin Lagarde betonte, dass bis zum Ende der derzeitig geplanten Laufzeit des PEPP im März 2022 die kompletten 1,85 Billionen nicht ausgeschöpft werden müssten. Sie schloss aber auch eine erneute Ausweitung des Programms nicht aus – sofern nötig. Es gehe darum, „vorteilhafte Finanzierungsbedingungen“ zu schaffen – diese Formulierung zog sich wie ein Mantra durch die Pressekonferenz zur EZB-Ratssitzung.

Inflationsziele in weiter Ferne

Ihrem eigentlichen Hauptziel – die Inflation in der Eurozone auf ein Niveau von knapp zwei Prozent zu heben – kommt die EZB trotz heiß laufender Gelddruckmaschinen nicht näher. Coronabedingt zeigen die Daten für Ende 2020 sogar eine geringe Deflation. Das könnte sich in den nächsten Monaten ändern: Die temporäre Mehrwertsteuersenkung ist ausgelaufen, Energiepreise steigen, mit einem Ende des Lockdowns ist auch wiederkehrende Konsumfreude zu erwarten. Auch Michael Neumann geht von einer Erholung der Wirtschaft aus, rechnet aber mit einer Verzögerung: „Weil die Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie weiter und länger gehen als zunächst erwartet und die Corona-Impfungen schleppender anlaufen als erhofft, rechne ich in Deutschland frühestens im zweiten Quartal mit einem Konjunkturaufschwung. Mit etwas Zeitverzug wird dann auch die Inflation ansteigen: In 2021 geht sie aber voraussichtlich nicht in Richtung zwei Prozent.“

Auch die Prognosen für den Euro-Raum seitens der EZB fallen verhalten aus: Sie rechnet mit einer Inflation von 1,3 Prozent bis Ende 2023. Zwar ist sie dabei, ihre geldpolitische Strategie zu überprüfen und damit auch das Inflationsziel von aktuell knapp 2 Prozent – aber an diesem Wert wird sie sich wohl auch weiterhin orientieren, meint Michael Neumann von Dr. Klein: „Vermutlich läuft eine Anpassung des strategischen Ziels darauf hinaus, dass die EZB temporär eine höhere Inflation als 2 Prozent zulässt, wenn diese davor für einen gewissen Zeitraum darunter lag; also dass sie nicht sofort gegensteuert, sollte diese Grenze überschritten werden.“ Damit würde sie sich – ähnlich der amerikanischen Notenbank Fed – Rahmenbedingungen schaffen, die expansive Geldpolitik auch bei höheren Inflationsraten fortzusetzen.

Auswirkung auf den Immobilienmarkt

„Diese künstliche Liquiditätsschwemme der EZB zeigt ihre Auswirkungen schon seit langem auf den Aktien- und Immobilienmärkten“, stellt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG, fest. „Denn durch die massiven Anleihekäufe und deren damit verbundenen niedrigen Renditen sind auch die Immobilienzinsen im Keller.“ Dort verharren sie weiterhin auf einem extrem niedrigen Niveau. Seit Oktober beträgt der Bestzins für 10-jährige Baudarlehen 0,4 Prozent, in den Monaten zuvor lag er sogar noch darunter.

Gleichzeitig schränkt der niedrige Leitzins die Möglichkeiten ein, Geld gewinnbringend anzulegen: „Unterm Strich fallen selbst Leuten mit Fantasie zurzeit vor allem Aktien und Immobilien ein“, so Michael Neumann. Besonders Wohnimmobilien haben im vergangenen Jahr ihre Werthaltigkeit unter Beweis gestellt. Die Folge: weiterhin steigende Preise und damit zunehmend erschwerte Erwerbsbedingungen. „Weil die Zinsen kaum mehr Potenzial haben, signifikant weiter zu sinken, gleicht die Zinsersparnis die steigenden Preise nicht mehr aus, wie sie das in der Vergangenheit getan hat. Für Käufer verschlechtert sich damit perspektivisch der Erschwinglichkeitsindex.“ Aber auch ein deutlicher Zinsanstieg ist laut Neumann nicht in Sicht: Bauzinsen bleiben niedrig, auch wenn mit temporären Schwankungen zu rechnen ist.

Kritischere Kriterien zur Kreditvergabe?

Kürzlich machte eine Meldung der EZB die Runde, dass Europas Banken die Vergabestandards sowohl für Firmen- als auch für private Kredite verschärft haben und planen, das auch während des ersten Quartals fortzuführen. Von den befragten Instituten gaben 7 Prozent an, wegen verschlechterter Wirtschaftsaussichten und höherer Risiken ihre Kriterien für Immobilienfinanzierungen strenger zu fassen. Eine Entwicklung, die Michael Neumann von Dr. Klein auf dem deutschen Markt so nur bedingt nachvollziehen kann: „Die Baudarlehen sind davon unterm Strich kaum betroffen. Der Zugang zu Immobilienfinanzierungen funktioniert weiterhin gut“, so seine Beobachtung. Pandemiebedingte Einschränkungen gäbe es dennoch: „Für einzelne Interessenten kann die Konstellation von Kurzarbeit und einer Branche, deren Zukunftsperspektive eher pessimistisch ausfällt, schwierig sein und bedeuten, dass Banken das Risiko zurzeit nicht eingehen wollen.“

Die EZB sieht keinen Handlungsbedarf, an den Rahmenbedingungen für die Kreditvergabe zu schrauben und hierfür weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Lagarde wies in der Pressekonferenz zur ersten Ratssitzung des Jahres noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass ihr langfristiges Kreditprogramm für Großbanken (TLTRO III), das im Dezember ausgeweitet wurde, den Instituten genügend Anreize gebe, Geld zu verleihen. Mit diesem Programm erhalten Banken unter bestimmten Bedingungen Geld von der EZB für einen Zinssatz von minus 1 Prozent.

 

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