Eine Analyse von Rosl Veltmeijer, Portfolio Managerin bei Triodos Investment Management

 

Die EU-Taxonomie muss aussagekräftig und wissenschaftlich fundiert bleiben. Wir müssen verhindern, dass Greenwashing-Lobbyisten wichtige Inhalte verwässern. Die Europäische Kommission nahm eine mutige und wichtige Herausforderung an, als sie 2018 mit der Entwicklung der EU-Taxonomie begann. Die Absicht hinter dem nicht bindenden Leitfaden für die Finanzierung von nachhaltigem Wachstum war es, “grüne” und “nicht grüne” wirtschaftliche Aktivitäten zu definieren. So soll die EU-Taxonomie Investoren dabei helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und die EU dabei unterstützen, ihre Klima- und Energieziele für 2030 zu erreichen. Klingt einfach, nicht wahr? Ist es aber nicht. Anstelle eines geradlinigen Klassifizierungsplans verlor man sich in endlosen Debatten und Streitigkeiten, und die Reise, die vor uns liegt, scheint alles andere als geradlinig zu sein.

Der Prozess entwickelt derzeit eine prekäre Dynamik, und jeder möchte einbezogen werden. Die einzelnen Branchen und die Mitgliedsstaaten streiten über den Entwurf und kämpfen darum, die Grenzen dessen, was als „grün“ gilt, zu erweitern. Glaubt man den Greenwashing-Lobbyisten, so ist schon jetzt praktisch alles „grün“. Aber ernsthaft: Können fossile Brennstoffe als ökologisch sinnvoll angesehen werden? Mit Blick auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Klimaforschung geht das meiner Meinung nach nicht. Leider gelang es den Lobbyisten, die Umsetzung der Taxonomie bis Sommer 2022 zu verzögern, aber die Welt kann sich diese Verzögerung nicht leisten und zudem dürfen die Kriterien keinesfalls verwässert werden. Die Taxonomie kann Unternehmen wirksam dabei unterstützen, die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft zu planen und Investitionen und Aktivitäten entsprechend zu verlagern.

Nehmen wir den land- und forstwirtschaftlichen Sektor als Beispiel. Viele Agrarunternehmen fordern mehr Zeit für die Anpassung und mehr Flexibilität, als die vorgeschlagenen Kriterien zulassen. Aber das steht im Widerspruch zu dem, was die Welt jetzt braucht. Der Sektor muss sich von den derzeitigen produktionsorientierten Systemen abwenden, hin zu solchen, die ökologisch und sozial widerstandsfähig sind und auf ausgewogenen Ökosystemen basieren. Ich weiß, das ist eine gewaltige Aufgabe, aber wir dürfen keine Zeit verlieren, wenn wir sicherstellen wollen, dass die wachsende Bevölkerung jederzeit Zugang zu gesunden und nahrhaften Lebensmitteln hat. Auch wenn der Einsatz von Pestiziden kurzfristig zu höheren Erträgen führen kann, zerstört er auf lange Sicht unsere Böden und unsere Artenvielfalt.

Um die Landwirtschaft zukunftssicher zu gestalten, muss in regenerative Systeme investiert werden, was nur über faire Lebensmittelpreise möglich wird; allerdings sind die Preise für Lebensmittel alles andere als fair. Landwirte brauchen ein ausreichendes Einkommen, um in langfristig tragfähige, nachhaltige Verfahren investieren zu können. Die Forderung nach fairen Lebensmittelpreisen muss gestellt werden, darf dabei jedoch keinesfalls die vorgeschlagenen Taxonomie-Kriterien verwässern. Alle wirtschaftlichen Folgen einer Umstellung müssen unbedingt identifiziert, aber mit Hilfe anderer Mechanismen gelindert werden. In unserem Beispiel könnte der Einsatz von Pestiziden besteuert werden, um mit dem eingenommenen Geld Landwirte zu unterstützen, die auf nachhaltige Anbaumethoden umsteigen und die Taxonomie-Kriterien erfüllen.

Besorgniserregend ist auch die nachdrückliche Forderung, das Verbrennen von Bäumen und Pflanzen zum Zweck der Energiegewinnung unter erneuerbaren Energien einzustufen. Bei der Verbrennung von Holz entsteht mehr Kohlendioxid als bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, und es kann Jahrzehnte dauern, bis Bäume nachgewachsen sind. Die Taxonomie darf also nicht zulassen, dass Holzkraftwerke als „grün“ bezeichnet werden.

Damit die Taxonomie ihren Sinn und Zweck erfüllt, muss sie wissenschaftlich fundiert bleiben und die Grenzen unseres Planeten respektieren. Die Lobbyisten können ihren Kampf fortsetzen, aber sie müssen ihre Vorgehensweise ändern. Anstatt für eine Verwässerung und Verzögerung der Taxonomie zu kämpfen, müssen sich Volkswirtschaften und Wirtschaftssektoren zusammenschließen und gemeinsam dafür einsetzen, dass sie eher früher als später umgesetzt wird.

Mehr denn je brauchen wir dringend ein nachhaltiges und gerechtes Wirtschaftssystem, und die EU-Taxonomie ist dabei von entscheidender Bedeutung. Lassen wir sie ihre Wirkung entfalten.

 

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