Auf Kryptowährungen wirken gleichzeitig die Kräfte der Finanzmärkte  und der Technologieadaption

 

Am Dienstag sorgte ein „Flashcrash“ bei Bitcoin und anderen Kryptowerten für Kurskapriolen. Nach Ansicht von Hartmut Giesen, Digitalisierungsexperte der Hamburger Sutor Bank, bewegen verschiedene Kräfte die Krypto-Kurse. Diese müssen Anleger verstehen, wenn sie in diese Anlageklasse investieren. Während kurzfristige Marktereignisse – etwa wenn sogenannte „Wale“ ihre hohen Kryptobestände auf den Markt werfen – kurzfristig immer wieder für höhere Ausschläge sorgen können, werden die Wellentäler – von Kurstief zu Kurstief – flacher, wie sich am Beispiel des Bitcoinkurses zeigen lässt. Dies spreche für einen langfristigen, technologiegetriebenen Aufwärtstrend des Bitcoin und der Kryptowerte insgesamt. Diese eher technologie-, aber weniger kapitalmarktgetriebene Entwicklung ähnelt den Hype-Zyklen, mit denen sich die Adaptierung von technischen Innovationen beschreiben lässt.

Kryptowährungen: Finanzmarktkräfte treffen Technologie

Im Kern treffen nach Analyse von Hartmut Giesen die Mechaniken von zwei verschiedenen Welten aufeinander: Finanzmarktkräfte und die Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich Technologie durchsetzt. „Kryptowährungen beziehen ihren Wert aus der Technologie, der Blockchain, aus der heraus sie entstehen. Das Neue und Besondere ist daher, dass diese Technologie, die sich gerade durchsetzt, Finanzinstrumente quasi selbst emittiert und der Kurs dieser Finanzinstrumente von deren technologischer Durchsetzung beeinflusst wird. Aber eben nicht nur: Auch Finanzmarktkräfte beeinflussen die Kurse, was die Volatilität von Kryptowerten im Allgemeinen und der Flashcrash vom Dienstag im Besonderen gezeigt hat“, erklärt Hartmut Giesen.

Flashcrashs oder andere extreme Volatilitätsbewegungen lassen sich nach Ansicht des Krypto-Experten in der Regel sehr eindeutig kurzfristigen Finanzmarktereignissen zuordnen: „Man vermutet, dass sogenannte ‚Wale‘ – also Marktakteure, die auf hohen Beständen sitzen – den mit dem Start des Bitcoin als staatlich anerkannte Währung von El Salvador verbundenen Preis-Peak genutzt haben, um Kasse zu machen und dadurch den Preis nach unten gerissen haben“, sagt Giesen..

Langfristig: Adaptionswellen statt Spekulationswellen

Der Innovationsmanager sieht zwei verschiedene Arten von Wellen in der Kursentwicklung von Kryptowerten: Kurzfristige Spekulationswellen (Oberflächenwellen), die von Sentiments, Trends oder dem Verhalten von Marktteilnehmern beeinflusst werden, sowie langfristige Wellen (Tiefenwellen), die die Adaptierung der Blockchain-Technologie reflektieren.

Die Tiefenwellen lassen sich demnach am besten am Bitcoin-Kurs beobachten, weil dieser historisch am weitesten zurückreicht: „Wir sehen, dass die Wellenberge mit Kurshöchstständen tendenziell höher und die Wellentäler mit Kursminima tendenziell weniger tief sind. Die Wellenlängen werden kürzer, das heißt die Wellenberge folgen in kürzeren Abständen“, stellt Giesen fest.

Die Tiefenwellen ähneln nach Analyse des Experten den Technologie-Adaptionswellen, wie sie zum Beispiel der „Hype Cycle“ des Beratungsunternehmens Gartner beschreibt. Danach durchlaufen Technologien eine Phase der Euphorie bis zu einem gewissen Höhepunkt und stürzen dann in das Tal der Ernüchterung, bevor sie auf einem Plateau der Produktivität ankommen. „Die Blockchain-Technologie durchläuft diesen Zyklus iterativ, wahrscheinlich weil sei relativ komplex ist und sich die Anwendungsgebiete erst langsam erschließen“, sagt Giesen.

Indizien für einen technologiegetriebenen Aufwärtstrend: Zugang, innovative „Anwendungsblockchains“

Für den langfristigen, technologiegetriebenen Aufwärtstrend von Kryptowährungen sieht Giesen zwei Parameter: Zugang sowie Entwicklung innovativer „Anwendungsblockchains“.

Mit Blick auf den Marktzugang hat sich nach Beobachtung von Hartmut Giesen gerade in Deutschland in den letzten Monaten sehr viel getan. „Ein Teil der Preisentwicklung des Bitcoin lässt sich damit erklären, dass immer mehr Menschen Zugang zu Kryptowährungen bekommen und die Nachfrage in Deutschland und ähnlich in anderen Ländern weiter steigt“, sagt Giesen. Noch im vergangenen Jahr habe kaum ein Broker Kryptowährungen im Angebot gehabt, Interessierte mussten auf Spezialplattformen oder ausländische Kryptobörsen ausweichen. Im Oktober 2020 ging mit JustTrade das erste Krypto-Broker-Angebot an den Markt. Inzwischen sei der Kauf von Kryptowährungen so einfach wie der Kauf von Aktien oder Fonds. „Weitere neue Produkte, wie etwa die Kryptowerte-Portfolio-Sparpläne des Anbieters coindex werden die Adaption auch von langfristig orientierten Anlegern weiter beschleunigen“, ist Hartmut Giesen überzeugt.

Ähnliche Zugangserleichterungen ließen sich nach Einschätzung von Hartmut Giesen auch für institutionelle Anleger beobachten, weil deren Handelspartner Kryptowerte in ihr Angebot aufnehmen, eine technische Transaktions- und Verwahrinfrastruktur für professionelle Anleger entsteht und die Regulierung sich entsprechend entwickelt. Gemäß den neuen Regelungen im  Fondsstandortgesetz dürfen institutionelle Fonds nun 20 Prozent des Vermögens in Kryptowerte investieren.

Als zweiten Faktor, der für eine langfristig stabile Entwicklung bei den Kryptowährungen spricht, sieht Experte Giesen das Auftreten neuer Kryptowährungen wie Polkadot, Cardano oder Solana. Dabei handele es sich nicht um Spekulationscoins, sondern native Layer-1-Währungen, die die Basis für Blockchains mit einer klaren technischen Vision bilden – wie etwa weniger Energieverbrauch, effizientere Transaktionen oder Interoperabilität zwischen Blockchains. „Die Preise für diese Währungen werden in natürlicher Weise weiter steigen, wenn sich die jeweiligen Technologieansätze durchsetzen“, ist Hartmut Giesen überzeugt.

„Selbst der reine Spaß-Spekulationscoin Dogecoin, auch ein Layer-1-Token, entwickelt eine technische Vision als besserer Bitcoin –granularer, schneller und energieeffizienter – und stellt sich organisatorisch entsprechend auf“, ergänzt Giesen.

Auswertung Bitcoin: „Wellenberge“ werden höher, „Wellentäler“ werden flacher

Um die Hypothese der Adaptionswellen zu untermauern hat die Sutor Bank eine Auswertung des Bitcoin-Kurses vorgenommen. Für die Analyse hat die Sutor Bank Daten von 2013 bis 2021 ausgewertet. Der Fokus lag dabei auf zwischenzeitlichen „Hochs“ und „Tiefs“. Dauerte es beispielsweise vom ersten Allzeithoch im November / Dezember 2013 (1.100 USD) bis zum nächsten Hoch im Dezember 2017 (19.000 USD) noch 60 Monate, haben sich fortan die Zeiträume von Hoch zu Hoch stets weiter verkürzt. Vom Zwischenhoch im Juni 2019 bis zum neuen Allzeithoch im April 2021 waren es demnach nur noch 21 Monate. Gleiches lässt sich bei den Tiefs ablesen. Dauerte es vom Tief im August 2015 (220 USD) bis zum nächsten Zwischentief im Dezember 2018 noch 52 Monate, so waren es vom Tief im März 2020 (5.200 USD) bis zum Tief im Juli 2021 nur noch 16 Monate.

Tabelle: Bitcoin-Kurs (Hoch/Tief) im Zeitverlauf, Zeitraum von Hoch-zu-Hoch bzw. Tief-zu-Tief

Zeitpunkt      Kurs (USD)    Hoch / Tief    Veränderung  Monate

Nov./Dez. 2013       1.100  Hoch

Aug. 2015     220     Tief

Dez. 2017     19.000 Hoch   Hoch-zu-Hoch          60

Dez. 2018     3.800  Tief    Tief-zu-Tief    52

Juni 2019      12.400 Hoch   Hoch-zu-Hoch          18

März 2020     5.200  Tief    Tief-zu-Tief    16

April 2021      60.700 Hoch   Hoch-zu-Hoch          21

Juli 2021       32.000 Tief    Tief-zu-Tief    16

Quelle: Sutor Bank, coinmarketcap

 

Bei den Rückschlägen lässt sich feststellen, dass diese über die Zeit weniger massiv ausfallen. Demnach lag der Rückschlag zwischen dem letzten Hoch im April 2021 und dem letzten Tief im Juli 2021 bei rund 47 Prozent, davor jedoch zwischen Juni 2019 (Hoch) und März 2020 (Tief) bei 58 Prozent, zwischen Dezember 2017 (Hoch) und Dezember 2018 (Tief) sogar bei 80 Prozent.

„Lässt man die kurzfristigen Ups und Downs einmal außer Acht, erkennt man, dass die Kurstäler tendenziell kürzer und weniger tief werden. Der auf ein Tief folgende ‚Wellenberg‘ ist hingegen höher als der vorige“, stellt Hartmut Giesen fest. Diese fundamentaleren Wellen stellten aus Sicht von Hartmut Giesen somit eher Adaptions- anstatt Spekulationswellen dar – was für eine deutlich fortschreitende Marktadaption des Bitcoin spricht, und damit auch eine zunehmende Relevanz als Diversifikator in Anlegerportfolios.

 

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