Die EU-Kommission hat am 24. Mai die lang erwartete Kleinanlegerstrategie veröffentlicht.

EU-Finanzkommissarin McGuiness gibt sich dem Lobbydruck geschlagen und verzichtet vorerst auf ein vollständiges Provisionsverbot für Finanzberater. Das Provisionsverbot für beratungsfreie Geschäfte sowie die Revisionsklausel, welche ein vollständiges Provisionsverbot drei Jahre nach Einführung der neuen Regulierung ermöglicht, haben jedoch drastische Folgen für Finanzdienstleister und Verbraucher, wie Partner Max Biesenbach und Senior Director Sonia King von der globalen Strategieberatung Simon-Kucher darlegen:

Die EU-Kommission hat gestern die lang erwartete Kleinanlegerstrategie veröffentlicht. Ein vollständiges Verbot von Abschluss- und Bestandsprovisionen im Wertpapier- und Versicherungsgeschäft ist vorerst vom Tisch. Zu groß war der Druck der Lobbyisten aus der Finanzdienstleistungsbranche und verschiedener Regierungen, darunter die Finanzminister Deutschlands, Frankreichs oder Österreichs, die den Abbau von Arbeitsplätzen und die Einstellung von Beratungsleistungen für Kleinanleger vorausgesagt hatten.

Dennoch wird die neue Regulierung drastische Auswirkungen auf Finanzdienstleister und Anleger haben: So sieht die Kleinanlegerstrategie u.a. ein Provisionsverbot für den Verkauf von Anlageprodukten vor, wenn keine Beratung erfolgt. „Beratung“ ist hier definiert als die Abgabe einer persönlichen Empfehlung durch den Finanzdienstleister an den Kleinanleger, bei der der Finanzdienstleister eine persönliche Bewertung der Bedürfnisse des Kleinanlegers sowie eine persönliche Bewertung der Anlageprodukte, die diesen Bedürfnissen entsprechen, vorgenommen hat. Der beratungsfreie Verkauf (sogenannte beratungsfreie oder auch „execution-only“ Geschäfte – in den FAQs der Kommission wird dieser  Begriff synonym verwendet) hingegen ist als die reine Vermittlung von Anlageprodukten ohne eine solche persönliche Empfehlung definiert. Konkret bedeutet dies: Nimmt ein Kleinanleger Kontakt mit der Bank auf und tätigt eine Anlage, nachdem er eine persönliche Empfehlung erhalten hat, ist der Bank die Vereinnahmung von Provisionen erlaubt. Tätigt der Kleinanleger hingegen eine Anlage über die Website oder die App der Bank, ohne zuvor eine  persönliche Empfehlung erhalten zu haben, ist die Vereinnahmung von Provisionen künftig nicht mehr zulässig.

Diese rechtliche Verschärfung hat drastische Auswirkungen auf die breite Masse der Wertpapierdienstleister in Europa. Betroffen sind sowohl die bspw. im deutschen Onlinebroker-Markt führenden Direktbanken als auch die extrem erfolgreich gewachsenen Neobroker. Eine Einführung von monatlichen Abogebühren (sogenannte Subscription Fees, zuletzt geschehen beim Low Cost Broker BUX) oder auch die Erhöhung von Transaktionsgebühren könnten denkbare Folgen sein. Doch auch die klassischen Filialbanken sind massiv betroffen, denn es ist heute weit verbreitete Praxis, dass Anleger beratene und beratungsfreieTransaktionen in einem einzigen Wertpapierdepot vermischen. Eine deutlich stärkere Trennung und auch eine unterschiedliche Bepreisung dieser Geschäfte wird die Folge sein, wenn die Filialbanken einen drastischen Ertragseinbruch vermeiden wollen.

Zusätzlich behält sich die EU-Kommission vor, die neu eingeführten Regeln drei Jahre nach Verabschiedung des Pakets zu bewerten. Sollte diese zu dem Schluss kommen, dass Verbraucher anhaltend benachteiligt werden, kann eine weitere Verschärfung (sprich ein vollständiges Provisionsverbot) in Betracht gezogen werden. Diese Revisionsklausel hat für den Finanzsektor diverse strategische Nacharbeiten zur Folge: Jedes Institut in Europa, das Kleinanleger im Wertpapiergeschäft betreut, wird nun einen Plan B erarbeiten müssen, um ein angepasstes Geschäftsmodell ausrollen zu können, sobald die Revisionsklausel greift. Die Branche steht somit vor großen Herausforderungen.

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