Gesamtschäden von 110 Mrd. US$ – deutlich über dem 10-Jahres-Durchschnitt

Versicherte Schäden nach vorläufigen Schätzungen: 43 Mrd. US$, ebenfalls deutlich höher als der 10-Jahres-Durchschnitt

Verheerendes Erdbeben in der Türkei und Syrien mit den höchsten Gesamtschäden

Extreme Gewitterserien mit Tornados und Hagelstürmen in USA verursachen rund ein Drittel der weltweiten Gesamtschäden

Klimawandel und El Niño sorgen für Rekordtemperaturen

Thomas Blunck: Die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien zeigt, wie notwendig stabile, sichere Bauten sind. Es geht in erster Linie darum, Menschenleben zu retten. Im zweiten Schritt gilt es, bei derartigen Katastrophen auch Schäden zu verringern. Wir müssen uns auch deutlich besser an die Folgen der Erderwärmung in Form von häufigeren oder schwereren Wetterkatastrophen anpassen – durch entsprechende Bauweisen, zukunftssichere Standortauswahl und Versicherungsschutz gegen die unmittelbar finanziellen Folgen. Das zeigen bereits die Schadenzahlen des ersten Halbjahres 2023.

Naturkatastrophen in Zahlen:

Das erste Halbjahr 2023 reiht sich ein in sehr schadenintensive vorhergehende Jahre: Der Gesamtschaden fiel mit 110 Mrd. US$ zwar geringer aus als in der ersten Hälfte 2022 (120 Mrd. US$), lag aber deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (98 Mrd. US$, inflationsbereinigt). Ähnliches gilt für die versicherten Schäden von 43 Mrd. US$ (Vorjahr 47 Mrd. US$, 10-Jahres-Durchschnitt der Halbjahre: 34 Mrd. US$).

Weniger als 40% der Gesamtschäden des ersten Halbjahres waren versichert – ein Hinweis auf die unverändert große Versicherungslücke in vielen Ländern bei vielen Naturgefahren. Im Durchschnitt der ersten Halbjahre von 2013–2022 trugen die Versicherer rund 35% der weltweiten Schäden.

Was waren die teuersten Naturkatastrophen des ersten Halbjahres?

Das Erdbeben in der Türkei und Syrien war mit Abstand die folgenreichste Naturkatastrophe des Halbjahres. Am 6. Februar erschütterte eine Serie von Erdstößen die Grenzregion im Südosten der Türkei nahe Syrien. Die schwersten Erdstöße hatten eine Magnitude von 7,8 und 7,5. Es waren die stärksten Beben in der Türkei seit Jahrzehnten. Sehr viele Gebäude, Straßen und Brücken wurden komplett zerstört. Rund 58.000 Menschen kamen ums Leben – dadurch war auch die weltweite Zahl der Todesopfer durch Naturkatastrophen in der ersten Jahreshälfte mit rund 62.000 so hoch wie seit 2010 nicht mehr. Der Gesamtschaden durch die Erdbeben in beiden Ländern wird auf rund 40 Mrd. US$ geschätzt, davon etwa 5 Mrd. US$ in Syrien.

Trotz einer Pflichtversicherung für Wohngebäude in der Türkei durch den Turkish Catastrophe Pool (TCIP) mit einer Versicherungsdichte von inzwischen mehr als 50% blieb der versicherte Anteil der Gesamtschäden mit etwa 5 Mrd. US$ gering. Die Versicherungssumme des TCIP ist derzeit auf maximal 640.000 TL pro Wohneinheit (zum Zeitpunkt der Beben rund 34.000 US$) begrenzt. Gewerbebetriebe umfasst der Pool nicht. Auch Infrastruktur ist üblicherweise nicht versichert. Dabei wäre eine höhere Verbreitung von Versicherung gerade in einem Erdbeben-gefährdeten Land wie der Türkei wünschenswert und auch machbar, damit sich Betroffene – auch Staaten – schneller von den finanziellen Schäden erholen können.

Sehr hohe Schäden aus Schwergewittern in den USA

Serien von sehr schweren Gewittern mit zerstörerischen Tornados und Hagelschlägen in den USA trieben in der ersten Jahreshälfte die Schäden in die Höhe: Der Gesamtschaden aus diesen Gewittern lag bei mehr als 35 Mrd. US$, davon waren mehr als 25 Mrd. US$ versichert. Mittlerweile scheinen Schäden durch Schwergewitter in den USA in dieser Größenordnung normal und nicht mehr ein Ausreißer zu sein. Nur in einem Jahr zuvor waren die inflationsbereinigten Gewitterschäden in den USA in der ersten Jahreshälfte höher (2011: 46 Mrd. US$ für den Gesamtschaden, 29 Mrd. US$ für den versicherten Schaden).

Bisher teuerstes Einzelereignis dieses Jahr war eine Gewitterserie Mitte Juni, die große Teile des US-Bundesstaats Texas traf. Schwere Sturmböen und bis zu 12 cm große Hagelsteine – fast die doppelte Größe eines Tennisballs – richteten schwerste Schäden an. Mehr als 50 Tornados wurden gezählt, darunter einige der Stufe drei auf der Enhanced-Fujita-Skala mit Windgeschwindigkeiten über 218 km/h. Der Gesamtschaden für diese Serie wird auf etwa 8,4 Mrd. US$ geschätzt, von denen etwa 7 Mrd. US$ versichert waren.

Die Forschung geht überwiegend davon aus, dass der Klimawandel schwere Gewitter mit Tornados oder Hagelschlägen begünstigt, da die fortschreitende Erwärmung zu mehr Verdunstung und vor allem in Bodennähe zu mehr Luftfeuchte führt. Das Potential für die Bildung von Gewittern ist dadurch erhöht. Im Trend zeigen auch die Gewitter-Schadenstatistiken in Nordamerika und Europa nach oben, auch wenn sie um den Wertezuwachs durch die wirtschaftliche Entwicklung bereinigt werden.

Klimawandel und El Niño – 2023 könnte das wärmste Jahr werden

„Die Folgen des Klimawandels beeinflussen unser Leben immer stärker. Das Jahr 2023 war schon in der ersten Jahreshälfte geprägt von Rekordtemperaturen in vielen Regionen der Welt, sehr hohen Wassertemperaturen in verschiedenen Ozeanbecken, Dürren zum Beispiel in Teilen Europas oder extremen Waldbränden im Nordosten Kanadas“, kommentierte Ernst Rauch, Chef-Klimatologe von Munich Re. Die weltweite Durchschnittstemperatur erreichte im Juni einen Rekord für diesen Monat: mehr als 1,2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

„Wie 2016 spielt auch 2023 das natürliche Klimaphänomen El Niño eine Rolle, bei dem eine Temperaturschaukel im Pazifik Wetterextreme in vielen Regionen der Welt beeinflusst und temporär zu zusätzlicher Erwärmung führt. Allerdings ist der Forschungsstand zur weiteren globalen Temperaturentwicklung sehr klar: Der globale Trend zu höheren Wasser- und Lufttemperaturen wird überwiegend durch den Klimawandel bestimmt   – mit zunehmenden Wetterkatastrophen und finanziellen Belastungen daraus als Folge“, so Rauch weiter.

Während einer El-Niño-Phase ist üblicherweise die Hurrikan-Aktivität im Nordatlantik gedämpft. Allerdings macht die außergewöhnlich hohe Wassertemperatur mit Werten von 1-2°C über dem Durchschnitt in den Hauptentstehungsgebieten für Hurrikane es wahrscheinlicher, dass in der Hauptphase der Wirbelsturm-Saison ab August doch mehr Stürme entstehen. Die gegenläufigen Faktoren machen insgesamt Aussagen über die laufende Hurrikansaison schwierig.

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