Chefvolkswirt Krämer: „Wende der Geldpolitik weiterhin nicht in Sicht“

 

Die weltweit rückläufigen Konjunkturindikatoren seien kein Vorbote eines gefährlichen Wirtschaftsabschwungs. Dies sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer am Freitag in Frankfurt. „Was wir hier sehen, ist eine bloße Wachstumsverlangsamung“, so Krämer.

So habe die US-Konjunktur in diesem Jahr einen starken Schub durch die Senkung der Steuern und die Erhöhung der Staatsausgaben erhalten, der im kommenden Jahr ausbleibe. Zudem werde das Wirtschaftswachstum durch die Geldpolitik der US-Notenbank gedrückt, die den Leitzins seit Ende 2015 bereits acht Mal angehoben hat und nächstes Jahr laut den Commerzbank-Analysten – nach einem weiteren Zinsschritt im Dezember – zwei weitere Mal anheben wird. Der Leitzins läge dann bei 3,00%. Die Volkswirte der Bank gehen davon aus, dass das Wachstum der US-Wirtschaft im kommenden Jahr auf 2,5% zurückgehen wird.

Im Euroraum schwächelt die vom Außenhandel abhängige Industrie. Dies liege laut Krämer vor allem an den Exporten nach China, die mittlerweile kaum noch wachsen. „Wie es mit dem Wachstum im Euroraum weitergeht, hängt vor allem von China ab“, resümiert Krämer. Er geht allerdings davon aus, dass es der chinesischen Regierung gelingen wird, die Binnennachfrage anzufachen und die heimische Wirtschaft so zu stabilisieren. Dann sollte sich auch der Aufschwung im Euroraum fortsetzen, für den die Commerzbank-Volkswirte 2019 ein Wachstum von 1,4% erwarten.

Die Haushaltskrise in Italien stelle dabei ein Abwärtsrisiko dar. Krämer glaubt allerdings nicht, dass der Konflikt eskaliert. „Italien wird den Haushaltsstreit bis zu den Europawahlen im kommenden Mai fortsetzen“, meint Krämer. „Nach den Europawahlen wird Italien moderatere Töne anschlagen und damit die Tür für einen Formelkompromiss öffnen.“ Auch der Brexit stelle weiterhin einen Unsicherheitsfaktor dar. „Leider hat die EU dem Brexit-Abkommen ihren Stempel so deutlich aufgedrückt, dass eine Zustimmung des britischen Parlaments fraglich ist“, so Krämer.

Diese Faktoren sowie die weiterhin nicht in Fahrt kommende Kerninflation bleiben nicht ohne Eindruck auf die Europäische Zentralbank. Die Notenbank wird nach Einschätzung der Commerzbank-Experten ihren Leitzins nicht schon 2019 anheben, sondern erst im März 2020 – ohne damit einen Zinserhöhungszyklus einzuleiten. „Eine wirkliche Wende der Geldpolitik ist im Euroraum weiterhin nicht in Sicht“, so Krämer. Wenn die Konjunkturindikatoren im Frühjahr ihre Talfahrt beenden und sich die italienische Regierung nach der Europawahl kompromissbereiter zeigt, sollte sich aber zumindest der DAX wieder erholen (Jahresendprognose: 12.500).

 

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