Kommentar von Hagen Ernst, stellvertretender Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG

 

Trotz Rekordtief bei den Zinsen sowie anhaltender Wohnungsknappheit sind deutsche Wohnimmobilienwerte stärker unter Druck geraten. Grund hierfür ist die zunehmende Regulierung. So wurde auf Bundesebene die Verlängerung des Mietspiegels um fünf Jahre auf 2025 beschlossen.

Zudem ist der Berechnungszeitraum von vier auf sechs Jahre verlängert worden. Der Mietspiegel entspricht daher mittlerweile eher dem historischen Mietdurchschnitt, als dass er die ortsübliche Vergleichsmiete widerspiegelt.

Noch extremer ist es in Berlin, wo der Senat einen Mietendeckel einführen will, der sich nach dem Willen der Linkspartei als radikale „Zwangsmietsenkung“ entpuppt hätte. Nach einem ersten Entwurf der für Stadtentwicklung und Wohnen zuständigen Linkspartei darf zum Beispiel eine Altbauwohnung für maximal sechs Euro pro Quadratmeter vermietet werden – unabhängig von der Lage. Dies liegt deutlich unter dem aktuellen Mietspiegel von 6,72 Euro pro Quadratmeter. Der Entwurf sah eine einfache Differenzierung nach Baualter vor. So braucht es verständlicherweise eine klare Klassifizierung, damit für jeden Mieter ersichtlich ist, welche Miete er zu zahlen hat, und die Flut an Mietreduzierungsanträgen möglichst schnell abgearbeitet werden kann – sind doch die Berliner Behörden schon jetzt hoffnungslos überlastet.

Auf der anderen Seite ist es auch nicht im Sinne der Gerechtigkeit, wenn der Anwalt im Stuckaltbau im Prenzlauer Berg die gleiche Miete zahlt wie ein Geringverdiener im einfachen Altbau, zum Beispiel im Arbeiterviertel Reinickendorf. Dies scheinen auch die Koalitionspartner SPD und Grüne erkannt zu haben. Es scheint auf eine abgemilderte Form des Mietspiegels hinauszulaufen. Obergrenzen mit entsprechenden Mietabsenkungen soll es nur für Geringverdiener geben, deren Mietzahlung 30 Prozent des Monatseinkommens überschreitet. Zudem dürfen Mieten unter gewissen Obergrenzen im Einklang mit den Löhnen bzw. der Inflation nach oben angepasst werden.

Zudem sollen Modernisierungsmaßnahmen zumindest in gewissem Maße honoriert werden. Bei Modernisierungen innerhalb der letzten 15 Jahre dürfen die Mieten 1,40 Euro pro Quadratmeter über dem Mietspiegel liegen. Bei neuen Investitionen darf die Miete um einen Euro pro Quadratmeter erhöht werden. Damit sind energetische Modernisierungen quasi aber nicht mehr realisierbar. Der Klimaschutz hat somit zumindest in Berlin nicht oberste Priorität bzw.: Keiner will dafür bezahlen. Der Mietendeckel bleibt jedoch verfassungsrechtlich bedenklich – und es ist abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht einen derartigen Eingriff bewerten wird.

Stärkere Regulierung gefährdet Neubautätigkeit

Angesichts stetig steigender Mieten in den Ballungsräumen ist es verständlich, dass Politiker nun radikaler vorgehen und Mieten stärker regulieren bzw. ganz einfrieren wollen. Derartige Eingriffe sind jedoch riskant. Zwar sind 2018 laut Statistischem Bundesamt mit 285.900 so viele Wohnungen wie seit 2002 nicht mehr fertiggestellt worden – jedoch reicht dies bei weitem noch nicht aus, um für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen. Die politische Zielvorgabe liegt bei jährlich 375.000 neuen Wohnungen. Angesichts der zunehmenden regulatorischen Eingriffe sind die Baugenehmigungen im ersten Halbjahr bereits um 2,3 Prozent gesunken. Somit dürfte sich die Wohnungsknappheit noch verschärfen, was bei weiter freier Mieterauswahl besonders Geringverdiener treffen sollte.

In Berlin ist die Investorenunsicherheit mittlerweile so groß, dass der Transaktionsmarkt nach Bekanntwerden des Mietendeckels komplett zusammengebrochen ist. Es ist zu befürchten, dass sich die ohnehin schon nicht ausreichende Neubautätigkeit deutlich reduziert. Als logische Konsequenz bleibt Berlin daher nur noch die Wahl verstärkt selbst neuen Wohnraum zu schaffen. Das Ziel von 30.000 zusätzlichen kommunalen Wohnungen in fünf Jahren bis 2021 wird jedoch ohnehin schon verfehlt werden – realistisch sind 26.000 neue Wohnungen. Es fehlt sowohl an finanziellen Mitteln als auch an Personal.

Berliner Wohnbaugesellschaften bieten interessante Einstiegschancen

Nichtsdestotrotz hat die kommunale Wohngesellschaft Gewobag nun 5.800 Einheiten für knapp eine Milliarde Euro von Ado Properties erworben. Dies war die erste größere Transaktion nach dem Mietendeckel. Mit einer Bruttorendite von 2,7 Prozent bzw. einem Preis pro Quadratmeter von 2.600 Euro zahlte Gewobag einen hohen Preis – trotz Mietendeckel. Gelistete Wohngesellschaften mit Berlin-Fokus notieren aktuell bei einer Bruttorendite von gut vier Prozent und einem impliziten Preis pro Quadratmeter von unter 2.000 Euro. 2004 hat der Berliner Senat noch die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) mit 65.700 Einheiten für 405 Millionen Euro privatisiert.

Nun kauft man quasi knapp 10 Prozent des ursprünglichen Portfolios mit zudem unterdurchschnittlicher Qualität, da primär Plattenbauten, zurück. Nachhaltiges Wirtschaften sei da mal in Frage gestellt – und es zeigt, dass Staat bzw. Kommunen nicht unbedingt die beste Alternative sein müssen. Vielleicht wäre es im Endeffekt günstiger, Geringverdiener mit entsprechend adäquatem Wohngeld zu unterstützen.

Berlin als exemplarisches Beispiel – mit Potentialen für Anleger

Die Lage bleibt sehr undurchsichtig. Kommt der Mietendeckel für Berlin? Ist er verfassungskonform? Werden andere Städte folgen? Vieles ist unklar. Für Anleger könnten sich jedoch interessante Einstiegsmöglichkeiten ergeben. Vor allem

Wohngesellschaften mit Schwerpunkt Berlin notieren stark unter ihrem Vermögenswert.

Der Markt hat quasi bereits eine Preiskorrektur von 20 Prozent vorweggenommen. Bis vor dem Mietdeckel sind die Preise aber sogar weiter angestiegen und zumindest die kommunalen Gesellschaften scheinen bereit jeden Preis zu zahlen, um ihren Bestand aufzustocken. Angesicht der Wohnungsknappheit und den extrem niedrigen Zinsen ist aber keineswegs sicher, ob eine derartige Preiskorrektur wirklich kommt. Das Gesetz zum Mietendeckel sollte eigentlich am 15.10.2019 verabschiedet werden. Dieser Termin ist aber aufgrund von Unstimmigkeiten innerhalb des Berliner Senats über die genaue Ausgestaltung nicht mehr zu halten.

Wohnungsknappheit verschärft, Regulierung als größter Risikofaktor

Die Wohnungsknappheit wird sich durch die Eingriffe jedenfalls nochmals verschärfen. So könnten sich Instrumente wie der Mietendeckel langfristig sogar wertsteigernd auf Immobilien auswirken, wird doch das ohnehin schon knappe Gut Wohnen noch knapper. Die Zinsen sind aktuell zwar auf einem ungesund niedrigen Niveau, angesichts der drohenden Rezession ist ein deutlicher Zinsanstieg jedoch unwahrscheinlich. Damit sind eigentlich die zwei größten Risiken, Überangebot und Zinsanstieg, auf absehbare Zeit gebannt. Somit dürfte die größte Gefahr für eine Preiskorrektur von regulatorischen Eingriffen ausgehen. Positiv ist hier zu werten, dass die radikalen Pläne der Linkspartei in Berlin von SPD und Grünen offensichtlich nicht geteilt werden.

Wer das politische Risiko scheut aber dennoch angesichts der Nullzinspolitik auf der Suche nach einer soliden Dividendenaktie ist, für den sind Bestandshalter mit Schwerpunkt auf B-Städten bzw. in Lagen mit nicht ganz so angespannten Wohnmärkten, wie Berlin, Frankfurt oder München, interessant. Aussichtsreich erscheinen zum Beispiel Immobilien in B-Städten mit guter bzw. zumindest stabiler demographischer Entwicklung, etwa Dortmund, Magdeburg oder Chemnitz. Dort sind die Mieten deutlich niedriger – und somit besteht noch Mietsteigerungspotential. Die Preise sind noch nicht so stark angestiegen und die erzielbaren Renditen dementsprechend höher.

Fazit: B-Städte mit Aussicht auf mehr

Angesichts der zunehmenden Regulierung ist die Visibilität bei deutschen Wohnimmobilen gering. Die Wohnungsknappheit dürfte sich durch die aktuell geplanten Eingriffe nochmals verschärfen. Zudem scheinen die Zinsen auf absehbare Zeit auf

niedrigem Niveau zu verharren. Die aktuellen Abschläge zum Nettovermögenswert der gelisteten Bestandhalter implizieren eine Preiskorrektur bei den Immobilien von 10 bis 20 Prozent. Aufgrund der weiter angespannten Wohnsituation und der anhaltend niedrigen Zinsen ist jedoch fraglich, ob eine derartige Preiskorrektur wirklich kommt. Die höchsten Bewertungsabschläge haben Gesellschaften mit Fokus auf Berlin, die aber auch die höchsten regulatorischen Risiken, beispielsweise den Mietdeckel, aufweisen.

Bestandshalter mit Fokus auf B-Städten dürften das geringste regulatorische Risiko aufweisen. Hier sind der Preisanstieg und die Mieten noch nicht so hoch. Zudem weisen Immobilien in derartigen Standorten immer noch relativ hohe Rendite auf. So kann eine Dividendenrendite von drei bis vier Prozent ausgeschüttet werden.

 

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