Marktkommentar von Aneeka Gupta, Director, Research, WisdomTree

 

Chinesische Aktien erweisen sich als sicherer Hafen: Im ersten Quartal 2020 verzeichneten sie einen geringeren Verlust von minus 10 Prozent im Vergleich zu Aktien aus USA und Europa, die Verluste von minus 20 bzw. 23 Prozent hinnehmen mussten. Die Anleger beginnen, chinesischen Aktien mehr Aufmerksamkeit zu widmen, denn ihre Bewertungen sind im Vergleich zur übrigen entwickelten Welt auf der Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) interessant. Während der Rest der Welt weiterhin mit der COVID-19-Epidemie zu kämpfen hat, liefert China weitere Beweise einer Erholung, nachdem die neuen täglich bestätigten Corona-Fälle Anfang Februar ihren Höhepunkt erreicht hatten. Das zeigen beispielsweise drakonische Sperrmaßnahmen, mit denen die Verbreitung des Virus eingedämmt wurde.

Allmähliche Rückkehr zur Normalität

Die Hochfrequenzdaten verbessern sich weiter und unterstreichen erneut, dass China der Normalisierung der Aktivitäten Prioriät einräumt. Es ist zu beobachten, dass die Industriesektoren im Vergleich zu den Konsum- und Dienstleistungssektoren aufgrund des Verlustes von Arbeitsplätzen und Haushaltseinkommen schneller vorankommen. Der tägliche Kohleverbrauch liegt bei etwa 80 Prozent des normalen Niveaus, 65 Prozent der Wanderarbeiter kehrten bereits an ihren Arbeitsplatz zurück. Obwohl der Massentransitverkehr nach wie vor 70 Prozent unterhalb des normalen Niveaus liegt, werden die strengen Quarantänebestimmungen von den lokalen Behörden in ganz China nun rasch gelockert. Der Gesamtkonsum liegt bei 85 Prozent des normalen Niveaus, dasselbe gilt für den Online-Konsum. Allerdings bleiben große Ausgaben wie Autos und Immobilien sowie das Reisen noch deutlich unter dem normalen Niveau. Da der Autohandel 10 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes ausmacht, erwarten wir weitere, die Nachfrage stützende Stimuli.

Die wirtschaftlich bedeutende Küstenprovinz Jiangsu strebt die vollständige Öffnung aller Schulen und Colleges bis zum 13. April an. Auch Museen und einige nationale Restaurantketten, die seit Ende Januar geschlossen sind, beginnen wieder zu öffnen. Nachdem der offizielle Einkaufsmanagerindex (PMI) im Februar auf ein Rekordtief von 35,7 gesunken war, stieg er dem Nationalen Statistikbehörden zufolge im März wieder auf 52 an. Dies deutet darauf hin, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wieder zum Arbeitsalltag zurückkehrt.

Zusätzliche politische Anreize zum Ausgleich der schwankenden globalen Auslandsnachfrage erforderlich

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Chinas Erholung zeitlich mit einem bevorstehenden Nachfrageeinbruch aus dem Rest der Welt zusammentrifft. Aus diesem Grund werden die Investoren weiterhin darauf achten, ob Peking die Wirtschaft durch eine angemessene Geld- und Finanzpolitik in Schwung bringen kann. Im Februar hat die chinesische Regierung fiskalische Unterstützung in Höhe von über 1,2 Mrd. Chinesische Yuan (RMB) ausgerufen und darüber hinaus auch Pläne zur Ausgabe spezieller Staatsanleihen angekündigt. Diese Maßnahmen bleiben jedoch hinter dem zurück, was wir von anderen entwickelten Marktwirtschaften gesehen haben.

Auf den Treffen des Politbüros wurde dazu aufgefordert, “die Ausgleichspolitik zu verstärken und die Inlandsnachfrage effektiv zu steigern” und “die Erreichung der diesjährigen Entwicklungsziele anzustreben”, was bedeutet, dass die Behörden stärkere Maßnahmen zur Stabilisierung des Wirtschaftswachstums ergreifen werden. Unserer Ansicht nach wird die People’s Bank of China (PBOC) mehr Liquidität bereitstellen, und zwar sowohl über breit angelegte als auch gezielte Methoden, wie z.B. die Senkung des erforderlichen Mindestreservesatzes und die Bereitstellung von Liquidität über gezielte mittelfristige Darlehensfazilitäten (MLF), die als Basis für den einjährigen Kreditzinssatz – den wichtigsten Referenzzinssatz für Unternehmenskredite – dienen. Die People’s Bank of China führte dem Bankensektor am 30. März 2020 über ihre 7-tägige Reverse-Repo-Fazilität 50 Milliarden Yuan zu, wobei der Zinssatz von 2,45 auf 2,2 Prozent gesenkt wurde.

Seitdem die COVID-19-Pandemie tiefe Spuren hinterlassen hat, erscheint das Erreichen der ersten Phase des Handelsabkommens zwischen den USA und China Ende 2019 ähnlich einer fernen Erinnerung. Die Realität sieht so aus, dass die chinesischen Aktienmärkte Ende 2019 auf einer soliden Grundlage stehen. Trotz des anhaltend starken Gegenwinds einer schwachen globalen Auslandsnachfrage, eines geringeren Binnenkonsums sowie weiterer Angebotsstörungen – erwarten wir für China bis zum zweiten Quartal 2020 eine Erholung des BIP, unterstützt durch zusätzliche fiskal- und geldpolitische Stimulierungsmaßnahmen.

 

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