Der deutsche Fondsverband BVI hat 44 Maßnahmen zusammengestellt, die die Attraktivität der Kapitalmarktunion zum Vorteil aller Marktteilnehmer erhöhen.

„Wir unterstützen die Kapitalmarktunion, ist es doch Aufgabe von Assetmanagern, Angebot und Nachfrage von Kapital grenzüberschreitend zusammenzubringen“, sagt Thomas Richter, BVI-Hauptgeschäftsführer. Sie kommt jedoch seit ihrem Start im Jahr 2015 kaum vom Fleck. Am 17. und 18. April 2024 wollen die EU-Staats- und Regierungschefs auf einem Sondergipfel über die Vollendung der Kapitalmarktunion beraten.

Der BVI hat seine Vorschläge in sieben Bereiche zusammengefasst.

Wettbewerbsfähigkeit als Regulierungsziel verankern

Die EU muss die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzbranche fördern. Dafür schlägt der BVI unter anderem die Einrichtung einer Abteilung in der Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der EU-Kommission oder im Generalsekretariat der Kommission vor. Denn die europäischen Assetmanager werden im globalen Wettbewerb durch die Umsetzung der vielen EU-Detailregeln mit hohen Kosten belastet. Dieses Geld fehlt zum Beispiel für die weitere Digitalisierung. Deshalb sollte die EU-Gesetzgebung neben den beiden Zielen Finanzmarktstabilität und Verbraucherschutz bei Abwägungsentscheidungen auch die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzbranche als drittes Ziel berücksichtigen. Zwar hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende 2022 einen standardmäßigen Wettbewerbscheck angekündigt, jedoch ist seitdem wenig passiert.

EU-Agenda für bessere Rechtsetzung umsetzen

Die Bilanz der EU-Agenda für einfache, transparente und effiziente Rechtsvorschriften ist enttäuschend. Die Regulierung ufert weiter aus und verursacht hohe Umsetzungskosten in der Fondsbranche. Der BVI fordert, die Finanzregulierung stärker prinzipienbasiert auszurichten, um die Anpassung an unterschiedliche Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Die EU-Gesetzgeber sollten zudem die Besonderheiten der bereits stark regulierten Fondsbranche im Vergleich zu Banken und Versicherern berücksichtigen und praktische Erfahrungen der Marktteilnehmer einbeziehen. Außerdem sollten sie grundlegende Regelungen bereits auf Ebene der Richtlinien sowie Verordnungen (Level 1) treffen und nicht auf Level 2 oder Level 3 verschieben. Der BVI plädiert außerdem dafür, die Überprüfung bestehender Rechtsvorschriften dazu zu nutzen, um unnötige Bürokratie abzubauen. Ein gelungenes, aber seltenes Beispiel dafür ist die Überarbeitung der ELTIF-Verordnung.

Hürden bei Finanzierung der nachhaltigen Transformation abbauen

Die Finanzierung der nachhaltigen Transformation der europäischen Wirtschaft wird durch die überfrachtete und inkonsistente Regulierung behindert, die bisher kaum Anreize für die Unterstützung des nachhaltigen Übergangs setzt. Damit die Finanzwirtschaft ihr volles Potenzial entfalten kann, dürfen gesetzliche Anforderungen das Anlageermessen nicht unangemessen beschneiden. Außerdem sollte sich die Regulierung nicht nur auf die „grüne Nische“ konzentrieren, sondern den Übergang der gesamten Realwirtschaft fördern. Für die Anleger sollte die Regulierung das Verständnis für und die Auswahl von nachhaltigen Investitionen erleichtern. Deshalb unterstützt der BVI die Erwägungen der EU-Kommission, ein Produktklassifizierungssystem für nachhaltige Produkte einzuführen.

Aktionsplan für private Altersvorsorge etablieren

Die Verbreitung der sogenannten Europarente (Pan-European Personal Pension Product, PEPP) kommt durch die Begrenzung der Gebühren auf 1 Prozent des angesparten Kapitals pro Jahr nicht in Gang. Denn der Kostendeckel macht das Produkt für Anbieter unwirtschaftlich. Damit verfehlt die EU das Ziel, mit der Europarente den EU-Binnenmarkt für die private Altersvorsorge zu fördern. Die Gesetzgeber sollten deshalb den Kostendeckel überdenken. Außerdem schlägt der BVI einen EU-Aktionsplan vor, der den Bürgern in der EU die Notwendigkeit privater Altersvorsorge bewusst macht und Lösungen aufzeigt.

Datenverfügbarkeit und -transparenz erhöhen

Fehlende Standards bei Finanzmarktdaten erschweren die Berichterstattung und zugleich die Aufsicht durch die Behörden. Zudem ist die Finanzbranche von Datenoligopolen wie Börsen, Ratingagenturen oder Indexanbietern abhängig und muss aufgrund deren Marktmacht massive Preiserhöhungen hinnehmen. Deshalb sollte der aufsichtsrechtliche Rahmen für die Bereitstellung und Nutzung von Finanzmarktdaten unter angemessenen Bedingungen verbessert werden. Außerdem empfiehlt der BVI, über eine öffentliche Datensammelstelle für Benchmarks Daten kosten- und lizenzfrei zur Verfügung zu stellen, die Europäische Ratingplattform für die institutionelle Nutzung praktikabel zu machen, im EU-Recht festzuschreiben, dass Marktdaten nicht urheberrechtlich geschützt sind, und den Aktienticker um Vorhandelsdaten zu erweitern. Schließlich fordert der BVI die Straffung der aufsichtlichen Meldepflichten auf EU-Ebene.

Potenzial neuer Technologien ausschöpfen

Regulatorische Hindernisse bremsen in der Finanzdienstleistungsbranche den Einsatz von Big Data, künstlicher Intelligenz, Blockchain, Cloud Computing und Krypto-Assets. Für die Fondsbranche ist es wichtig, dass die EU-Gesetzgeber für OGAWs und ELTIFs die Anlage zum Beispiel in Krypto-Assets regeln. Zudem müssen Verwahrstellen neben traditionellen Assets auch Krypto-Vermögenswerte verwahren dürfen und sollten bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen keine zusätzlichen Lizenzen in den anderen Mitgliedsländern beantragen müssen.

Kapitalmärkte effizient ausgestalten

Der BVI unterstützt die Schaffung eines effizienten Marktes für die Abrechnung von Wertpapieren. Hier befürwortet der Fondsverband in Angleichung an die USA die Verkürzung des Abwicklungszeitraums auf T+1 in Europa. Für die Umsetzung ist aber ein angemessener Zeitraum einschließlich einer Testphase erforderlich, damit alle Marktteilnehmer ihre Systeme anpassen können. Um der Kapitalmarktunion ein Gesicht zu geben und vor allem kleinen und mittleren Unternehmen auch aus kleineren EU-Märkten einen besseren Zugang zu Finanzmitteln zu ermöglichen, schlägt der BVI eine eigene EU-Indexfamilie vor, die alle börsennotierten Unternehmen in der EU umfasst. Vorschläge für eine einheitliche europäische Aufsicht für Fonds hält der BVI für ineffizient. Die nationalen Behörden kennen ihre jeweiligen Heimatmärkte besser als die EU-Behörde ESMA. Um Nachteile für Anleger und Branche zu vermeiden, muss die Produktaufsicht Sache der nationalen Aufsichtsbehörden bleiben. Die EU sollte sich bei der Schaffung einer Kapitalmarktunion auf den Kapitalmarkt konzentrieren, nicht auf seine Bürokratisierung. Zudem sollte die EU weitere Maßnahmen ergreifen, damit Fonds das von ihnen verwaltete Kapital stärker in die nachhaltige Transformation investieren können. Dazu gehört zum Beispiel die Weiterentwicklung von Anleihen, die die EU im Rahmen ihrer Regionalpolitik zur Finanzierung grüner und sozialer EU-Projekte begibt (Impact Bonds). In einem ersten Schritt sollten die im Rahmen der Regional- und Kohäsionspolitik der EU gewährten Zuschüsse verbrieft werden.

Das BVI-Positionspapier finden Sie hier

Verantwortlich für den Inhalt:

BVI ­ Bundesverband Investment und Asset­Management e.V., Eschenheimer Anlage 28, D-­60318 Frankfurt/Main, Tel.: 069/154090­0, Fax: 069/5971406, www.bvi.de