Können Deutschlands Lebensversicherer das Dauerzinstief überleben?

 

Dieser Frage ging das Deutsche Finanz-Service Institut (DFSI) auch in diesem Jahr detailliert nach. Für die Studie „Die Zukunftssicherheit der deutschen Lebensversicherer 2021“ wurden die 60 größten in Deutschland aktiven Lebensversicherer einem harten Fakten-Check unterzogen. Wie schon in den Vorjahren erwies sich die WWK Leben als der Service-Versicherer, der am besten für die Zukunft gerüstet ist. Bei den Direkt-Versicherern schnitt die Hannoversche am besten ab. Die deutschen Lebensversicherer kommen einfach nicht in ruhiges Fahrwasser. Erst sanken die Zinsen in Folge der Finanz- und Staatsschuldenkrise in bis dahin unbekanntem Ausmaß. Und nun sorgt Corona dafür, dass die Zinsen auf Jahre hinaus niedrig bleiben. „Die bereits lange Zeit extrem niedrigen Zinsen gefährden das bisherige Geschäftsmodell der Lebensversicherer stark“, sagt DFSI-Geschäftsführer Thomas Lemke. „Und die Corona-Pandemie lässt eine nachhaltige Zinswende in noch weitere Ferne rücken.“ Mit gravierenden Folgen für die Branche: „Ich rechne angesichts der massiven Verwerfungen damit, dass ein paar Wettbewerber, die nicht gut gewirtschaftet haben, ausscheiden“, erklärte vor kurzem Oliver Bäte, der Chef des Marktführers Allianz.

Damit stellen sich zwangsläufig Fragen: Können die Lebensversicherer überhaupt überleben? Welche Lebensversicherer haben ihr Geschäft trotz anhaltendem Dauerzinstief zukunftsfest aufgestellt? Und welche nicht? Das DFSI hat daher – wie schon in den Vorjahren – eine Studie zur Zukunftssicherheit deutscher Lebensversicherer durchgeführt. Dabei wurden fünf Bereiche detailliert untersucht: die Substanzkraft jedes Lebensversicherers, seine Ertragsstärke, die Kundenzufriedenheit, die Bestandsicherheit sowie die Kundenperformance. Die Ergebnisse sind dramatisch: Zwöf Lebensversicherer schaffen es nicht, die geforderten gesetzlichen Solvabilitätsquoten ohne Hilfe der derzeit noch zulässigen Übergangsmaßnahmen zu erreichen. Und 22 der 60 untersuchten Versicherer gelang es nicht, eine Rohüberschussmarge von mindestens 1,0 Prozent zu erwirtschaften. „Ein fatales Ergebnis für diese Gesellschaften, denn aus der Rohüberschussmarge werden die nicht garantierten Kundenüberschüsse bedient – und bei Versicherungs-Aktiengesellschaften auch die Aktionäre“, erläutert der Senior Analyst des DFSI, Sebastian Ewy. Verschärfend für Kunden von Versicherungs-AGs gibt es bei diesen AGs den Trend, den Aktionären immer größere Anteile des Rohüberschusses zukommen zu lassen. „Diese teils eklatante Bevorzugung wird oft durch eine Absenkung der Gewinnbeteiligung der Kunden erzielt,“ weiß DFSI-Geschäftsführer Thomas Lemke. In diesen Fällen gab es daher in der Studie Punktabzug.

Übrigens: Im Schnitt schütten die untersuchten Versicherer 2021 auf die angelegten Kundengelder eine Überschussbeteiligung von 2,04 Prozent aus. Nur bei zehn Gesellschaften lag diese Quote deutlich höher: Ihre Kunden bekommen 2,5 Prozent bis 3,0 Prozent. Am anderen Ende der Skala rangieren dagegen drei Versicherer mit Überschussbeteiligungen von lediglich 1,25 Prozent. Fatal für Neukunden, denn auch bei diesen Gesellschaften erhalten Kunden mit Altverträgen weiterhin die ihnen bei Abschluss garantierte Mindestverzinsung von bis zu 4,0 Prozent.

Doch nicht nur fehlende finanzielle Substanz und zu geringe Erträge bringen Versicherer in existenzielle Gefahr: Bei immer mehr Gesellschaften bluten zudem die Bestände aus. Lediglich bei 19 Service-Versicherern wächst der Bestand noch. Im Jahr 2017 stieg dagegen die Anzahl der Verträge noch bei 24 Service-Versicherern. „Eine äußerst bedenkliche Entwicklung“, findet DFSI-Studienleiter Ewy. „Den Versicherern laufen die Kunden weg.“ Etwas besser sieht es hier bei den vier Direkt- und Biometrie-Versicherern aus: Immerhin drei Gesellschaften verzeichnen steigende Vertragszahlen. Naturgemäß ist das bei den Run-Offs anders: Hier verringert sich bei jedem der fünf betrachteten Unternehmen die Zahl der Verträge.

Und das Gesamtergebnis der DFSI-Studie? Unterm Strich kam bei den Service-Versicherern die WWK – wie schon im Vorjahr – auf den ersten Platz. Mit der ERGO Vorsorge erzielte ein weiterer Service-Versicherer ebenfalls die Gesamtnote „Exzellent“. Auch bei den Direktversicherern bekamen zwei Unternehmen die Bestnote: die Hannoversche auf Platz eins und direkt dahinter die Europa. Mit der Gesamtnote „Sehr Gut“ wurden insgesamt fünf Versicherer – allesamt Service-Versicherer – bedacht. Die Note „Gut“ erhielten 41 Versicherer – darunter auch Marktführer Allianz. Zehn Versicherer boten in Sachen Zukunftssicherheit nur „Befriedigende“ Gesamtleistungen.

Die DFSI-Studie „Zukunftssicherheit der deutschen Lebensversicherer 2021“ zeigt, dass Deutschlands Lebensversicherer unterschiedlich gut für die Zukunft gerüstet sind. „Mit WWK, ERGO Vorsorge, Hannoversche und Europa gibt es aktuell lediglich noch vier Unternehmen, deren Geschäftsmodelle ohne wenn und aber als zukunftssicher anzusehen sind,“ fasst Studienleiter Ewy zusammen. „Auf der anderen Seite gibt es einige Unternehmen, deren Geschäftsmodelle uns nicht ausreichend zukunftssicher erscheinen“, sagt der DFSI-Senior Analyst Ewy. „Die Lage der Branche ist deutlich angespannter als vor Jahresfrist.“ Eine weitere Konsolidierung der Branche einschließlich weiterer Run-Offs sei daher sehr wahrscheinlich.

Mehr Informationen zu den Ergebnissen der Studie finden Sie unter http://www.dfsi-institut.de/studie/97/zukunftssicherheit-deutscher-lebensversicherer-2021

DFSI Deutsches Finanz-Service Institut GmbH ist ein unabhängiger Datendienst, der marktrelevante Informationen zu Versicherern, Banken, sonstigen Finanzdienstleistern und Gesetzlichen Krankenkassen sammelt und bewertet. Dabei werden zu Finanzprodukten die Informationen, die für Privatkunden entscheidungsrelevant sind, gebündelt und als Produktratings dargestellt. Hier fließen insbesondere Daten aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), Leistungs- und Servicedaten des Versicherers sowie Preis- und Prämiendaten ein. Das DFSI erstellt seit 2008 branchenweite Leistungstests zu Finanzprodukten. Bei der Entwicklung der Test- und Ratingmethodik wird das DFSI durch Experten des institutseigenen Fachbeirats unterstützt. Diese verfügen über jahrelange Erfahrungen im deutschen Ratingmarkt und der Finanzdienstleistungsbranche.

 

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