Mit dem 02.08.2022 gibt es in der Finanz-Anlageberatung eine Zäsur:

 

Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen bei der Wertpapier-Anlageberatung und der Finanzportfolioverwaltung etwaige Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden beachten. Finanzanlagenvermittler gemäß § 34f GewO sind davon bislang ausgenommen (vgl. ‘k-mi’ 23/22). Es ist in der Branche nach unserer Beobachtung bislang ‘Common Sense’, dass es sich bei der verpflichtenden Nachhaltigkeitsabfrage um eine ziemlich bürokratische Kopfgeburt der EU handelt, die u. a. die BaFin nun in die Praxis überführen muss. Die hat sich nun auch dazu geäußert, allerdings wenig begeistert und detailliert. Wie auch, denn – so die BaFin: “Genaue Vorgaben fehlen noch. Wie die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen einer Kundin oder eines Kunden konkret ausgestaltet werden soll, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Die BaFin erwartet, dass sich die Wertpapierdienstleistungsunternehmen künftig an den entsprechenden Leitlinien (Guidelines) der (…) ESMA orientieren, die bisher allerdings nur im Entwurf vorliegen. Auch die Technischen Regulierungsstandards zur Offenlegungs-Verordnung und zur Taxonomie-Verordnung sind noch nicht anwendbar.” Während die sonstigen Elemente einer Beratung (Risiko, Laufzeit, Rendite-/Anlageziel) relativ gut bestimmbar sind, ist ‘Nachhaltigkeit’ beim Kunden oft wohl nur eher eine diffuse ‘Tendenz’. Berater müssen nun das Kunststück vollbringen, hierfür irgendetwas Passendes aus dem EU-Paragraphendschungel zu finden. Gelingt dies nicht, bleibt nur der Ausweg: Ausreden oder Abbruch, so die BaFin: “In den Fällen, in denen einem Kunden zunächst kein Produkt angeboten werden kann, das seinen Nachhaltigkeitspräferenzen entspricht, hat dieser die Möglichkeit, diese in der Beratung anzupassen. Wünscht der Kunde keine Anpassung, darf das Wertpapierdienstleistungsunternehmen keine Empfehlung aussprechen.” Die Kosten aber bleiben natürlich: Nach einer ersten (wohl vorsichtigen) Schätzung des BMF entstehen für die in der Finanzanlageberatung betroffenen ca. 500 Unternehmen, die unter direkter BaFin-Aufsicht stehen, Kosten von knapp 100 Mio. € durch die Nachhaltigkeitspräferenzen (genau 96,3 Mio. €), ein Viertel davon zudem jährlich!

‘k-mi’-Fazit: Die Euphorie über den vermeintlichen Umsatzturbo ‘Gesetzlich verordnete Nachhaltigkeit’ ist wohl weit­gehend verpufft. Nun herrscht Katerstimmung und es dominieren wieder viele Paragraphen und Pflichten, allerdings verbunden mit wenig klaren Vorgaben, dafür aber mit Haftungsrisiken und Kosten. Von letzteren wird insbesondere auch bei der entsprechenden Umsetzung der Pflichten für § 34f durch Anpassung der FinVermV zu reden sein, damit die EU-Vorgaben zu Nachhaltigkeitspräferenzen nicht entgegen den hehren Zielen und Absichten ein Hemmschuh werden für ‘Sustainable Finance’!

 

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