Der Begriff ist inzwischen zu einem Synonym für Veränderung geworden: „Zeitenwende“.

Doch nicht nur im Politischen ist die Rede davon. Denn im Zuge von Krieg und Lieferengpässen begann die Inflation, getrieben von Energiepreisen, in den letzten Monaten massiv zu steigen und wirkte sich auf alle Lebensbereiche aus. Könnte es für Anleger nun eine logische Folgerung sein, langfristig etwa auf Energiewerte zu setzen, um Renditechancen zu erhöhen? Die Hamburger Sutor Bank hat in einer Auswertung untersucht, inwieweit sich Performances ausgewählter Branchen und Investmentstile in den letzten fünf Jahren verändert haben. Dazu hat die Bank neun Branchen- sowie zwei Investmentstil-Indizes (Growth und Value) des Indexanbieters MSCI World auf US-Dollar-Basis nach Jahren (2018 bis 2022) verglichen.

„Zwar zeigen sich von 2021 auf 2022 einige deutliche Verschiebungen in der Performance-Rangliste der Branchen. Doch ob dies ein längerfristiger Trend sein wird, bleibt abzuwarten“, sagt Mathias Beil, Leiter Private Banking bei der Sutor Bank. Aus seiner Sicht werde es auch in den nächsten Jahren eine starke Rotation bei Branchen und Investmentstilen geben. „Auf Branchen wirken einerseits gesamtwirtschaftliche Faktoren, zum anderen branchenspezifische Entwicklungen ein. Ein fundamentaler Trend, dass einige Branchen langfristig im Vorteil gegenüber anderen sein könnten, ist nicht erkennbar. Die beste Strategie für Anleger bleibt die Diversifikation über verschiedene Branchen und Investmentstile hinweg“, erklärt Beil.

Beil sieht eine stärkere Veränderung eher im Hinblick auf Bewertungsmaßstäbe. Nachdem klassische fundamentale Bewertungsmaßstäbe wie KGV oder Dividendenrendite in den letzten Jahren bei vielen Wachstumswerten in den Hintergrund gerückt seien, ändere sich dies nun.

Energie und Value rotierten schon 2021 in der Rangliste nach oben

Der Vergleich zeigt, dass von 2021 auf 2022 Versorgerwerte in der Performance-Liste weit nach oben gesprungen sind, auch Basiskonsumgüter kletterten nach oben. IT- und Growth-Werte rutschten hingegen weiter nach hinten. Noch schlechter als IT- und Growth-Werte schnitten 2022 Nicht-Basiskonsumgüter ab. Hier zeigen sich aus Sicht von Mathias Beil vor allem die Auswirkungen der gestiegenen Inflation, da Konsumenten aufgrund höherer Ausgaben für Energie und Lebensmittel vor allem bei Nicht-Basiskonsumgütern gespart haben – wie etwa Autos, Bekleidung, Uhren und Schmuck oder auch Hotelübernachtungen. Nicht erst seit 2022, sondern bereits seit 2021 stehen Energiewerte ganz oben in der Performance-Rangliste mit jeweils über 40 Prozent Wertentwicklung im Jahr – während dieses Segment 2020 mit minus 30 Prozent noch weit abgeschlagen am Ende der Vergleichsgruppe lag. Auch Value-Titel sind bereits seit 2021 vor Growth-Werten zu finden und liegen in der oberen Hälfte der Performance-Rangliste.

„Das Ablösen von Growth-Werten durch Value-Titel bei der Wertentwicklung ist nach einigen Jahren der Growth-Dominanz durchaus prägnant. Es werden nun kleinere Brötchen gebacken, aber dafür mit Substanz“, konstatiert Kapitalmarktexperte Beil. Für den IT-Sektor sieht Beil trotz des regelrechten Absturzes von 2021 (+30%) auf 2022 (-31%) aber keinen Beginn einer Zeitenwende ins Negative. „Viele große IT-Unternehmen trimmen ihre Prozesse und Strukturen derzeit stark auf Effizienz, gleichzeitig finden weiterhin massive Investitionen statt, etwa in KI-Technologie. Vor allem die großen Tech-Konzerne werden davon auf lange Sicht profitieren und Entwicklungen dominieren“, erklärt Mathias Beil.

„Blickt man nur auf die großen Ausschläge nach oben, könnten Anleger derzeit verleitet sein, hauptsächlich auf Energie- oder Versorgerwerte zu setzen. Doch die Erfahrung zeigt, dass es bei starken Ausschlägen nach oben schnell wieder nach unten gehen kann“, sagt Beil. Gerade in der Energiebranche stecke eine sehr hohe Dynamik, einerseits durch die Transformation weg von fossilen Quellen, andererseits müsse weiterhin darauf gesetzt werden, um die Energieversorgung zu sichern. Zudem gebe es auch bei nachhaltigeren Energiequellen Risiken, etwa durch zunehmende Regulatorik. Interessant seien aus seiner Sicht eher Werte, die weniger Ausschläge zeigten und relativ kontinuierlich in der oberen Hälfte der Rangliste stehen – wie etwa Healthcare.

Comeback fundamentaler Bewertungsmaßstäbe

Beim Ansetzen von Bewertungsmaßstäben erkennt Mathias Beil eine Gegenbewegung. Solide Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und Dividendenrendite seien aus seiner Sicht in den letzten Jahren bei vielen Investoren stärker in den Hintergrund geraten. „In der Ära der Wachstumswerte stand weniger die klassische Bilanzbewertung im Vordergrund, sondern vielmehr die Wachstumsprognose. Viele Unternehmen konnten diese Prognosen letztlich jedoch nicht erfüllen“, erklärt Beil. Das Comeback der fundamentalen Bewertung führe in der Konsequenz auch zu weniger Übertreibung an den Märkten und damit zu mehr Stabilität an der Börse.

Über die Sutor Bank

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