Mit der EZB-Sitzung vor der Tür richten sich die Blicke nach Frankfurt.

Je nachdem, wie sich die Dienstleistungspreise entwickeln, könnten deutsche 10-jährige Staatsanleihen zwischen 2,5 und 2,75 Prozent handeln, meint Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income bei dem US-amerikanischen Vermögensverwalter Neuberger Berman. Warum das so ist, lesen Sie in seinem Kommentar:

Die März-Zahlen bestätigten den Abwärtstrend der Kerninflation. Diese für die EZB wichtige Kennzahl ging im Euroraum von 3,1 Prozent im Februar auf 2,95 Prozent zurück und entfernte sich damit weiter von ihrem Höchststand bei 5,5 Prozent im Juli 2023. Dies wird durch den Rückgang der Preise für Industriegüter ohne Energie erklärt, die im März auf 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr fielen, verglichen mit plus 1,6 Prozent im Februar. Das erste Quartal 2024 sah darüber hinaus spezielle und temporäre Gründe, welche die hohe inländische Inflation aufrechterhielten, wie beispielsweise das Ende des während der Energiekrise eingeführten Mehrwertsteuer-Rabatts sowie die Erhöhung der Kosten für Versicherungen und Krankenhausaufenthalte. Angesichts der starken Kerninflationsdaten im zweiten Quartal 2023 wird die jährliche Rate technisch gesehen in den kommenden Monaten fast zwei Prozent erreichen.

Die Frage, ob die Kerninflation nachhaltig unter 2 Prozent fällt, hängt jedoch von der Normalisierung der Dienstleistungspreise ab, die im März bereits zum fünften Mal in Folge um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegten. Wir erwarten jedoch, dass die Dienstleistungspreise aufgrund der schwachen Nachfrage in der Eurozone wieder sinken werden.

Die zwei Szenarien – Bund zwischen 2,5 und 2,75 Prozent

Wenn die Dienstleistungsinflation nahe vier Prozent bleibt und die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, gehen wir von ein bis zwei Zinssenkungen in diesem Jahr aus. Damit bleibt die EZB vorsichtig und wartet die weitere Lohnentwicklung ab. Die Rendite für deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren sollte dann bei etwa 2,75 Prozent liegen.

Sollte eine sinkende Dienstleistungsinflation die EZB dazu veranlassen, die Zinsen stärker zu senken, könnten wir auch noch drei Zinssenkungen in diesem Jahr sehen. Die Fed wird ihre Zinssätze dieses Jahr voraussichtlich auf dem gleichen Niveau belassen, während sich die Spannungen bei den Ölpreisen verschärfen. In diesem Szenario sollte die Rendite für deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren bei etwa 2,5 Prozent liegen.

Die inverse Zinsstrukturkurve deutet jedoch darauf hin, dass der Markt eher den endgültigen Leitzins der EZB als den zum Jahresende berücksichtigt. Dadurch hat das, was die EZB dieses Jahr tun kann, nur begrenzte Auswirkungen.

Lohnzuwächse bleiben für Zinssenkungen ausschlaggebend

Da die Leitzinsen der EZB auf einem sehr restriktiven Niveau liegen, erwarten wir innerhalb des EZB-Rats einen wachsenden Konsens für eine erste Zinssenkung im Juni, da die Inflationsrate unter drei Prozent gefallen ist. Über den Juni hinaus wird die EZB wiederholt darauf hinweisen, dass das Tempo der Lockerung von der Abschwächung der Lohnerhöhungen abhängt, was nach den Frühindikatoren für 2024 absehbar scheint.

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