Der US-amerikanische Aktienmarkt ist der größte weltweit und die Richtung,

die die Kurse an der altehrwürdigen New York Stock Exchange oder der Technologiebörse Nasdaq einschlagen, bestimmt maßgeblich die Stimmung an den Börsenplätzen weltweit. Doch in diesem Jahr läuft Europa den USA an der Börse davon. Wie kann das sein – und vor allem: wie geht es weiter?

Aktuelle Markteinschätzung von Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory der LAUREUS AG PRIVAT FINANZ

Der europäische Aktienmarkt hat sich seit Jahresbeginn deutlich besser entwickelt als der US-amerikanische. In den ersten drei Monaten des Jahres stieg beispielsweise der EuroStoxx 50 um mehr als 12 Prozent, während der Dow-Jones-Index lediglich ein Plus von rund fünf Prozent aufweist. Selbst der deutsche Leitindex DAX schaffte es mit einem Zuwachs von etwa neun Prozent, den amerikanischen Industrieindex abzuhängen.

US-Aktienmarkt ist und bleibt der Taktgeber

Normalerweise ist es so, dass der europäische Aktienmarkt den großen US-Börsen mit etwas zeitlicher Verzögerung nachläuft. Das ist auch insofern logisch, als dass die New York Stock Exchange (NYSE) an der Wall Street mit einem Handelsvolumen von 26,4 Billionen US-Dollar (2023) der mit Abstand größte Aktienmarkt der Welt ist. Dort entstehen die Börsentrends, an denen sich die Aktien-Handelsplätze in der ganzen Welt orientieren. Daher mag der eine oder andere Anleger überrascht sein, das Europa derzeit die Nase vorn hat.

Die Underperformance der US-Börse ist auch deshalb irritierend, weil die US-Wirtschaft 2024 den Prognosen zufolge stärker wachsen dürfte als die Wirtschaft in der Eurozone. Hinzu kommt, dass die meisten Marktteilnehmer in den vergangenen Wochen und Monaten und auch aktuell noch davon ausgehen, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen demnächst und noch vor der Europäischen Zentralbank (EZB) senken wird. Das sind eigentlich gute Voraussetzungen dafür, dass der US-Aktienmarkt voranprescht. Woher kommt also der Vorsprung des EuroStoxx 50 gegenüber dem Dow-Jones-Industrial-Average-Index?

EuroStoxx 50: Nachholbedarf und Zinssenkungsfantasien

Die Outperformance des europäischen Aktienmarktes ist voraussichtlich nur ein vorübergehendes Phänomen. Ein Blick in die Historie zeigt, dass sich der Dow Jones auf lange Sicht deutlich besser entwickelt hat als der EuroStoxx 50. So kommt der US-Index seit Anfang 2000 auf eine Rendite von etwa 230 Prozent, während der EuroStoxx 50 sogar circa neun Prozent an Wert verloren hat. Zum einen hat der Euroraum-Index also eine Menge Nachholbedarf, zum anderen sind die europäischen Blue Chips vergleichsweise günstig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) im EuroStoxx 50 weist mit einem Wert von etwa 15 ein deutlich niedrigeres Niveau auf als das KGV des Dow Jones, das bei etwa 24 liegt. Europäische Schwergewichts-Aktien sind damit für Investoren aktuell deutlich attraktiver.

Hinzu kommt, dass die Zinspolitik der Notenbanken bei Börseninvestoren im Fokus steht, aber noch nicht gut prognostizierbar ist. Nach den schnell aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen zur Bekämpfung der Inflation in den vergangenen beiden Jahren warten die Marktteilnehmer gespannt auf Zinssenkungen, die den Aktienmärkten traditionell neuen Schub verleihen. Seit Monaten hängen Anleger sowohl Fed-Chef Jerome Powell als auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde an den Lippen, um zwischen den Zeilen herauszuhören, wann und in welchem Umfang die Leitzinsen gesenkt werden. Dass noch in diesem Jahr Zinssenkungen erfolgen, gilt als weitgehend sicher – nur beim genauen Timing und dem Umfang der Zinsschritte lassen sich die Notenbank-Spitzen nicht in die Karten schauen.

Ist diesmal die EZB Zins-Vorreiter?

Doch die Spekulationen um die bevorstehenden Zinssenkungen geben dem europäischen Aktienmarkt Auftrieb. Denn es kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass die EZB zunächst die Zinswende einleiten wird, obwohl die Fed auch bei diesem Thema traditionell Vorreiter ist. Zum einen nähert sich die Inflation in der Euro-Zone schneller dem gewünschten Niveau von zwei Prozent an als in den USA. Weil auch die Wachstumsprognosen für Europa deutlich schlechter sind als für die USA, könnte sich die EZB gezwungen sehen, noch vor den USA die heimische Wirtschaft mittels Zinssenkungen zu stützen. Es ist also keineswegs abwegig, dass europäische Anleger womöglich von frühen Zinssenkungen der EZB profitieren können.

Da die Aktienmärkte in Deutschland und Europa deutlich günstiger bewertet sind als der US-Markt, bieten sich für Anleger mit Euro-Investments attraktive Chancen. Durch das potenzielle Auflösen dieses Bewertungsprämiums der US-Aktien, gepaart mit einer früheren Zinssenkung in der Eurozone, könnte der EuroStoxx 50 gegenüber dem Dow Jones attraktiver erscheinen. Kurzfristig können sich also in Europa attraktive Investmentchancen eröffnen. Langfristig aber wird die US-Börse wahrscheinlich weiterhin dominieren. Auf mittlere und lange Sicht führt also weiterhin kein Weg am US-Aktienmarkt vorbei.

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