Seit Monaten befindet sich die Welt durch die COVID-19-Pandemie im Ausnahmezustand. Regierungen und Zentralbanken sind bemüht, mit beispiellosen fiskal- und geldpolitischen Zusagen die Wirtschaft zu stützen.

 

Während diese Maßnahmen eine stotternde Wirtschaft am Leben halten, hat sich der Virus als Turbo für ohnehin starke Wachstumstrends herausgestellt. Der Life Science- und Medtech-Sektor etwa stellt lebensnotwendige Produkte her, deren Nachfrage sich durch COVID-19 beschleunigt hat. In der Informationstechnologie hingegen erhöht sich das Wachstum langfristig, denn die steigenden Investments in digitale Infrastruktur werden sich kaum mit einem Impfstoff gegen den Virus bremsen lassen.

Zwar ist der Optimismus unter den Marktteilnehmern zuletzt wieder deutlich gestiegen, aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns die aktuelle Krise in der Wirtschaft und auch an den Aktienmärkten noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Doch auch in diesem Umfeld lassen sich krisenfeste Titel in strukturell wachsenden Märkten finden, wie Franz Weis, Portfoliomanager des Comgest Growth Europe bei der Internationalen Fondsgesellschaft Comgest, zeigt.

Neben der Technologiebranche hat vor allem der Gesundheitssektor seit Jahresanfang von der Pandemie profitiert. In beiden Bereichen hat sich der Virus als Katalysator erwiesen und die bereits starken Wachstumstrends beschleunigt. So sind etwa die US-Gesundheitsausgaben seit 1970 beständig gewachsen, getrieben von einer stetig alternden Bevölkerung. Ein struktureller Rückgang dieser Entwicklung erscheint angesichts der Krisenbewältigung mehr als unwahrscheinlich. Auch wenn es bei medizinisch nicht zwingend notwendigen Behandlungen, beispielsweise für Zahnersatz oder auch bei chirurgischen Eingriffen, aufgrund der Überbelastung der Krankenhäuser weltweit zu kurzfristigen Einbußen im Gesundheitssektor kam, so hat die Pandemie in den meisten Fällen als Turbo gewirkt. Dies war zum Beispiel bei Unternehmen wie Ambu, Roche oder Novo Nordisk der Fall.

Ambu produziert Einwegendoskope sowie Beatmungsmasken, die während der COVID-19-Krise außerordentlichen Absatz finden. Das ohnehin starke Wachstum von Ambu hat sich noch einmal um 10 Prozentpunkte beschleunigt. Roche ist dagegen das weltweit führende biopharmazeutische Unternehmen, während das dänische Pharma-Unternehmen Novo Nordisk für seine marktführende Diabetes-Behandlung bekannt ist. Novo Nordisk‘ Diabetes Kunden sind besonders für den Virus anfällig. Das Unternehmen profitierte während der Krise vom Horten seiner lebenswichtigen Medikamente. Roche’s Actemra erwies sich als effektiver Entzündungshemmer im Kampf gegen die mit dem Virus verbundenen Pneumonien. Darüber hinaus erlebt das Unternehmen eine Sonderkonjunktur durch seine COVID-19 Tests.

Allerdings ist der Sektor nicht ohne Risiken. Der medizinische Forschungsbereich ist und bleibt teuer. Laut aktuellen Studien schafft es nur eines von 10.000 Medikamenten im Entwicklungsstadium auf den Markt. Die Karten können über lange Perioden also komplett neu gemischt werden. So entwickelte der französische Pharmakonzern Sanofi den hochwirksamen Insulin-Stoff Lantus, der zu einem Multimilliarden-Dollar-Medikament wuchs. Doch Novo Nordisk brachte einen gleichwertigen Insulin-Stoff auf den Markt, der die Marktführerschaft übernahm. Während sich der Umsatz von Novo Nordisk seit dem Jahr 2000 versiebenfacht hat und sich das Unternehmen als Diabetes-Spezialist etablieren konnte, hat Sanofi im vergangenen Jahr bekanntgegeben, sich vollständig aus der Diabetes-Forschung zurückziehen zu wollen.

Unabhängig von den aktuellen Entwicklungen um COVID-19 und den damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen beschleunigen sich der technologische Fortschritt und die Digitalisierung. Der Anstieg von eCommerce-Umsätzen in Folge der Pandemie hat zu einem massiven Anstieg von Investitionen in die digitale Infrastruktur von Einzelhandelsunternehmen geführt. Das spanische Textilunternehmen Inditex (u.a. Zara) wird in den kommenden Jahren knapp 40 Prozent seiner Investitionsausgaben in diesen Bereich fließen lassen. Aber auch Einzelhandelsgiganten wie Walmart investieren den Großteil in digitale Infrastruktur, sei es durch Übernahmen oder Infrastrukturinvestments. Ebenso profitieren IT-Unternehmen wie ASML und Adyen vom Digitalisierungsschub. ASML ist ein Anbieter von Lithografiegeräten für Halbleitergiganten, wie TSMC, Samsung und Intel, wo die Ausgaben für digitale Infrastruktur und Datenbanken zum wichtigen Wachstumstreiber geworden sind.

Der Zahlungsabwickler Adyen verdient an jeder Online-Zahlung. Barkäufe nehmen immer mehr ab, während die Verwendung von eCommerce in den ersten sechs Monaten des Jahres weltweit um fünf Prozentpunkte gestiegen ist und somit die Entwicklung der vergangenen fünf Jahre im Zeitraffer erlebt hat. Zudem hat die Pandemie den Ersatz von Bargeld durch bargeldlose Zahlung beschleunigt, da Konsumenten im Höhepunkt der Krise den Kontakt zu Bargeld mieden. Das strukturelle Wachstum für Online-Zahlungen hat sich dementsprechend beschleunigt. Adyen ist führend bei „Blue-Chip“-Kunden wie Uber, Netflix und Spotify. Aber auch das Geschäft mit stationären Kunden im traditionellen Einzelhandel hat sich für Adyen durch den Pandemieeffekt beschleunigt.

Im aktuellen makroökonomischen Umfeld lassen sich also eine ganze Reihe wachstumsstarker Trendsetter identifizieren. Prognosen zur weiteren Entwicklung des Gesamtmarktes bleiben weiterhin schwierig. Auf der einen Seite könnte eine zweite Welle eine anhaltende wirtschaftliche Rezession auslösen, die durch die Rücknahme staatlicher Hilfsprogramme und eine beeinträchtige Nachfrage noch verstärkt wird. Auf der anderen Seite könnte das Ausbleiben einer zweiten Welle, ein Impfstoff sowie eine starke Erholung des Konsums, zu einer unerwartet schnellen Rückkehr des Wirtschaftswachstums führen. Je nach Szenario könnte der Ausblick für die Unternehmensgewinne kaum unterschiedlicher ausfallen. Dennoch dürften sich die angekündigten Investitionen in die digitale Infrastruktur als Zweitrundeneffekte mit hoher Halbwertszeit erweisen, die Investoren in den kommenden Jahren noch viel Freude bereiten werden.

 

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