Marktkommentar von Michel Salden, Leiter Commodities, Vontobel Asset Management

 

Die meisten Rohstoffe befinden haben derzeit eine Glückssträhne. Selbst Öl, das immer noch mit einer schwachen Nachfrage zu kämpfen hat, hat dank der jüngsten einseitigen saudi-arabischen Produktionskürzungen das Potenzial, bis Mitte des Jahres nördlich von 60 US-Dollar zu notieren.

Derzeit erholen sich alle wichtigen Rohstoffmärkte. Das liegt an der positiven Kombination aus einem schwächelnden US-Dollar, der wirtschaftlichen Erholung vom COVID-19-Schock, den Stimulierungsmaßnahmen der Zentralbanken und den erhöhten Staatsausgaben für Infrastrukturprojekte. Alle zyklischen Rohstoffe, einschließlich Sojabohnen, Mais und Zucker, befinden sich derzeit in Backwardation – ein Umstand, der vor allem dem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage geschuldet ist. Sogar Getreide, das sich seit 2012 auf einem Abwärtspfad befand, hat sich in den letzten sechs Monaten um mehr als 45 % erholt, was auf die durch La Nina verursachten Dürren in Lateinamerika und China zurückzuführen ist. Das hat diese Länder dazu veranlasst, ihre strategischen Reserven aufzustocken. Darüber hinaus laufen die Märkte Gefahr, die Folgen der Inflationserwartungen zu unterschätzen, da alle großen Zentralbanken Zurückhaltung signalisieren, wenn es darum geht, ihre Geldpolitik zu normalisieren, selbst wenn die Inflation über 2,5 % steigen sollte

Saudi-Arabien stabilisiert die Ölmärkte

Bei der letzten OPEC-Sitzung überraschte Saudi-Arabien die Märkte mit der Ankündigung einer einseitigen Produktionskürzung von 1 Mio. Barrel pro Tag (mbpd) für Februar und März. Diese Kürzung gleicht die Produktionserhöhung von insgesamt 75 kbpd aus, die Russland und Kasachstan vor allem zur Deckung des inländischen Heizbedarfs im Winter gefordert hatten. Daher konnte Öl seine starke Preisrallye in Richtung 55 US-Dollar (für Brent) fortsetzen. Saudi-Arabien strebt einen weiteren Abbau der Lagerbestände im ersten Quartal an, obwohl normalerweise ein saisonaler Aufbau der weltweiten Ölvorräte zu beobachten wäre. Das würde es dem OPEC+-Kartell ermöglichen, die Produktion im zweiten Quartal in großem Umfang zu erhöhen, sobald der Impfstoff und wärmere Temperaturen die Mobilität und die Nachfrage nach Öl steigern dürften.

Die derzeitige Ölnachfrage ist aufgrund von Lockdowns in Europa immer noch fragil (-7 mbpd gegenüber 2019), aber bis zum Jahresende könnte sich die Nachfrage erholen und leicht unter dem 2019er-Niveau von 100 mbpd zu liegen kommen. Die Erholung der Flugaktivität (welche immer noch 40 % niedriger ist als 2018) bleibt entscheidend. Asien macht Hoffnung, da sich die Aktivität dort bereits komplett erholt hat.

Die Maßnahmen von Saudi-Arabien werden im Jahr 2021 zu einer täglichen Reduktion des Ölangebots von mehr als 1,4 mbpd führen, was zu einer vollständigen Auflösung der überschüssigen Lagerhaltung an Land führen wird. Die schwimmenden Lager auf See und in Öltankern wurden bereits abgebaut. Außerdem scheint Saudi-Arabien Russland eine helfende Hand reichen zu wollen, um den Weg für freundliche Verhandlungen über Produktionssteigerungen in Q2 zu ebnen. Russland fürchtet einen Wiederanstieg der Schieferölproduktion, wenn die Ölpreise zu schnell und zu hoch steigen. Die freien Kapazitäten außerhalb der OPEC+ sind jedoch begrenzt, da ein Wiederanstieg der Schieferölproduktion durch ESG-Trends gedeckelt wird, die zu höheren Finanzierungskosten führen. Dies dürfte dem Kartell helfen, die Marktkontrolle wiederzuerlangen. Es ist auch unklar, ob die neue Biden-Regierung dem Iran noch in diesem Jahr den Export von Öl erlauben wird. Daher hat der Ölpreis das Potenzial, weiter zu steigen, wobei Brent bis zur Jahresmitte über 60 US-Dollar und sogar in einer stärkeren Backwardation gehandelt werden dürfte.

 

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