Investierende setzen noch stärker auf Neubau – Opportunistische Investierende gewinnen an Bedeutung

 

Im ersten Quartal des Jahres 2022 wechselten Wohnimmobilien mit 28.300 Wohnungen und einem Volumen von 4,4 Mrd. Euro den Eigentümer:innen (Transaktionen ab 50 Wohnungen). Gegenüber dem Auftaktquartal des Vorjahres bedeutet dies einen Volumenrückgang um 22 % und gegenüber dem Quartalsdurchschnitt der letzten fünf Jahre einen Rückgang um 29 %. Lässt man Unternehmensübernahmen und -beteiligungen außer Acht, lag das Volumen allerdings um etwa 5 % über dem Fünfjahresdurchschnitt. „Obwohl es im letzten Quartal keine größere Unternehmensübernahme oder Fusion gab, wurde am Wohninvestmentmarkt ein hohes Transaktionsvolumen bewegt. Dies verdeutlicht die hohe Nachfrage am Kapitalmarkt nach deutschen Wohnimmobilien“, berichtet Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany und ergänzt: „Die steigende Inflation, die eingeleitete Zinswende und die zunehmenden konjunkturellen Risiken trüben das Bild im Vergleich zu den Vorjahren aber auch am Wohnungsmarkt ein. Gleichzeitig dürfte in Krisenzeiten die Suche nach möglichst hoher Stabilität mehr denn je im Fokus stehen. Wohnen als nicht substituierbares Gut könnte damit einmal mehr als Stabilitätsanker in den Immobilienportfolios an Bedeutung gewinnen.“

Portfolioanteil sinkt deutlich

Mit einem Anteil von lediglich 61 % am Transaktionsvolumen waren Portfolioverkäufe in den letzten drei Monaten unterrepräsentiert. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre machten Portfolios ca. 71 % des Volumens aus. Das durchschnittliche Volumen pro Transaktion lag im ersten Quartal bei etwa 62 Mio. Euro. Unter Nichtberücksichtigung von Übernahmen und Fusionen bedeutet dies eine Zunahme von 3 % gegenüber dem Fünfjahresmittel. Letzteres hat nicht nur mit einer leicht höheren Anzahl von Wohnungen je Transaktion und steigenden Kapitalwerten zu tun, sondern auch mit einer steigenden Bedeutung von Neubauten.

Neubau, Neubau, Neubau

Bei vielen Investierenden lässt sich laut Savills ein starker Neubaufokus feststellen. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen des ersten Quartals wider. So entfielen bei den Einzelobjektkäufen fast 76 % des Transaktionsvolumens auf den Kauf von Projektentwicklungen. Insgesamt machten Projektenwicklungen im ersten Quartal 39 % des Transaktionsvolumens aus. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre entfielen auf Projektentwicklungen nur rund 23 % des Gesamtvolumens. „Der Neubaufokus erklärt sich zum einen aus dem immer stärkeren ESG-Fokus vieler Investierender. Die ESG-Kriterien lassen sich nach aktuellem Stand in Neubauten leichter belegen und einhalten“, konstatiert Matti Schenk, Associate Research Germany bei Savills und ergänzt: „Dass bei vielen Projektentwicklungen indexierte Mietverträge vereinbart werden können, spricht angesichts einer ungewöhnlich hohen Inflation ebenfalls für Neubauten. Die gerade beschlossene Lastenaufteilung der CO2-Besteuerung zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen in älteren Bestandsbauten bevorteilt Neubauimmobilien aus Sicht von Investierenden zusätzlich“. Savills geht davon aus, dass sich der Neubaufokus kurzfristig noch verstärken wird und sich die Preisspanne zwischen Neubau und Bestand weiter vergrößert.

Mehrzahl der verkauften Wohnungen lag im Osten der Republik

Im Hinblick auf die Standorte griffen Investierende in den ersten drei Monaten auffällig stark bei Wohnungen in den neuen Bundesländern zu. Etwa 54 % der gehandelten Wohnungen lagen in diesen Bundesländern – im Durchschnitt der letzten fünf Jahre entfielen auf diese Bundesländer nur rund 18 % aller Wohnungen. Umsatzstärkste Städte in den neuen Bundesländern waren im ersten Quartal Dresden, Leipzig und Halle (Saale). Es folgten Standorte wie Jena, Erfurt, Chemnitz und Cottbus sowie einige Umlandstandorte Berlins. Es waren fast ausschließlich Bestandswohnungen, die von Investierende im Osten der Republik angekauft wurden. „Die demografischen Prognosen sind zwar in vielen Regionen der neuen Bundesländer unterdurchschnittlich, jedoch gibt es hier einige wachsende Universitäts- und Schwarmstädte, in denen Immobilien zu relativ niedrigen Preisen erworben werden können. Diese Preisvorteile bei akzeptablen Fundamentaldaten dürften für einige opportunistischere Akteure und Akteurinnen zunehmend attraktiv sein“, kommentiert Schenk.

Bedeutung opportunistischer Investierender steigt

Im ersten Quartal zeichneten Investierende aus Deutschland für 83 % des Transaktionsvolumens verantwortlich, was in etwa dem Niveau der letzten fünf Jahre entsprach. Berücksichtigt man allerdings das Ausbleiben einer großen Übernahme oder Fusion, so war der Wohnimmobilienmarkt zum Jahresauftakt sogar noch stärker durch inländische Investierende geprägt als in den Vorjahren, denn bei klassischen Immobilientransaktionen zeichneten deutsche Investierende in den letzten fünf Jahren nur für rund 73 % des Volumens verantwortlich. Die beiden aktivsten Käufer:innengruppen waren offene Spezialfonds mit einem Volumenanteil von einem Drittel sowie sonstige Fonds- und Assetmanager:innen mit einem Anteil von 20 %. Auf den dritten Rang kamen Private-Equity-Fonds mit ca. 15 % Anteil am Transaktionsvolumen. Letztere hatten im Fünfjahresmittel einen Anteil von lediglich 3 %. Immerhin knapp 5 % des Ankaufsvolumens entfielen auf Bauträger:innen und Projektentwickelnde, deren Anteil in den letzten fünf Jahren stets deutlich unter 2 % lag. „Die vielfältige Zusammensetzung der Investierenden spiegelt die Attraktivität des deutschen Wohnungsmarktes für verschiedenste Investmentstrategien wider“, sagt Nemecek und konkretisiert: „Langfristig orientierte und risikoaverse Investierende wie Versicherungen und Pensionskassen setzen stark auf den Kauf neuwertiger Wohnimmobilien, die langfristige Einnahmeströme und Wertstabilität versprechen. Gleichzeitig beobachten wir, das opportunistischere Unternehmen zunehmend auf eine Manage-to-Green-Strategie setzen und daher Bestandsobjekte aufkaufen, energetisch sanieren und diese dann im Anschluss an Investierende mit entsprechenden Nachhaltigkeitsanforderungen verkaufen wollen.“

Ausblick: Volumen von deutlich über 20 Mrd. Euro erwartet

Das gleichzeitige Vorhandensein von Ansätzen für eine langfristige Core-Strategie und erhebliche Aufwertungspotenziale im Bestand dürfte weiterhin eine hohe Nachfrage am Kapitalmarkt zur Folge haben. Dementsprechend erwartet Savills, dass das Transaktionsvolumen in diesem Jahr deutlich über 20 Mrd. Euro betragen wird.

 

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