Transaktionsvolumen sinkt im zweiten Quartal 2022 deutlich – deutscher Wohnungsmarkt befindet sich in einer Phase der Transition

 

Die gestiegenen Hypothekenzinsen sowie die unsicheren wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen haben dem gewerblichen Wohnungsmarkt einen Dämpfer versetzt. Das Transaktionsvolumen* ist im zweiten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um über ein Drittel auf 3,05 Milliarden Euro gesunken (minus 36 Prozent). Für das erste Halbjahr steht ein Rückgang von 10,3 Milliarden auf rund sieben Milliarden Euro (minus 32 Prozent) zu Buche. Insgesamt wurden rund 32.400 Einheiten gehandelt, im Vorjahr waren es noch 57.300 (minus 43 Prozent).

„Die Wohnungsmärkte befinden sich im Spannungsfeld zwischen Inflation, Zinswende, Baukostensteigerungen, realwirtschaftlichem Neubaubedarf und klimapolitischen Zielen. In dieser von Unsicherheit geprägten Phase sind einige Akteure vorsichtig und verschieben ihre Investitionsentscheidungen“, erläutert Michael Bender, Head of Residential JLL Germany.

Wie im ersten Quartal fehlten auch diesmal großvolumige Deals. So dominierten kleinere und mittelgroße Transaktionen das Marktgeschehen. Die fünf größten Abschlüsse im ersten Halbjahr machten zusammen lediglich 16 Prozent des Gesamtvolumens aus, während der Anteil im gleichen Zeitraum vor einem Jahr mit rund 30 Prozent noch knapp doppelt so hoch ausfiel.

Auffallend ist die geringere Marktaktivität bei risikoreicheren Investitionen. So entfielen in der ersten Jahreshälfte überdurchschnittlich viele Transaktionen in das Core-plus-Segment. Mit rund 80 Prozent aller Investitionen lag der Anteil deutlich über dem Fünfjahresdurchschnitt von 39 Prozent. Dagegen war der Anteil der Value-add-Transaktionen mit fünf Prozent gegenüber dem Fünfjahresschnitt von 13 Prozent deutlich geringer.

Asset- und Fondsmanager dominieren den Markt

Unverändert dominieren die sieben großen Metropolen das Marktgeschehen. Deren Anteil am Gesamtvolumen lag mit rund 48 Prozent etwa auf dem Niveau der Vorjahre. Unter den Käufern haben sich Asset- und Fondsmanager an die Spitze gesetzt: Mit 4,2 Milliarden Euro beziehungsweise knapp 60 Prozent liegt deren Anteil deutlich über dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre (18 Prozent). Mit weitem Abstand folgen Immobiliengesellschaften mit einem Anteil von rund 20 Prozent (1,37 Milliarden Euro) und geschlossene Fonds mit knapp vier Prozent (294 Millionen Euro).

Die Entwicklungen im zweiten Quartal sind ein Beleg dafür, dass sich der Markt für Wohnimmobilieninvestments im Umbruch befindet. Die Hauptursache für diesen Wandel ist die hohe weltweite Inflation und die in der Folge eingeleitete Zinswende.

Zinswende wird den Markt nachhaltig verändern

Nachdem die Notenbanken in den USA und in England die Leitzinsen zum Teil bereits deutlich angehoben haben, wird die Europäische Zentralbank mit großer Wahrscheinlichkeit Ende dieses Monats nachziehen und nach elf Jahren erstmalig den Leitzins anheben. Weitere Leitzinsschritte im Laufe des Jahres gelten als ebenso wahrscheinlich.

Die Märkte haben diese geldpolitischen Maßnahmen bereits eingepreist. So sind die Umlaufrenditen von Staatsanleihen seit Anfang dieses Jahres stark gestiegen. Das Gleiche gilt für die Hypothekenzinsen, die innerhalb der ersten sechs Monate um rund 230 Basispunkte in die Höhe geschossen sind. Zusätzlich befeuert wurde die Verteuerung durch verschärfte Kreditanforderungen der Finanzaufsicht Bafin. „Bis zum Jahresende ist mit einem Anstieg der langfristigen Hypothekenzinsen auf ein Niveau von mindestens 3,6 Prozent zu rechnen, wobei sich der Anstieg zur Jahresmitte bereits deutlich verlangsamt hat“, sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.

Steigende Hypothekenzinsen erhöhen die Fremdkapitalkosten und reduzieren damit die Zahlungsbereitschaft potenzieller Käufer. Darüber hinaus erhöht ein Anstieg der Anleiherenditen auch die Eigenkapitalkosten. „Wenn Staatsanleihen im Vergleich zu Sachwerten attraktiver werden, verschiebt sich die Nachfrage und es kommt zu Portfolioumschichtungen. Eine geringere Nachfrage führt dann ebenfalls zu einem Rückgang der Kapitalwerte“, erläutert Scheunemann.

Hohe Liquidität federt gestiegene Fremdkapitalkosten etwas ab

Die Auswirkungen dieser Entwicklungen seien auch auf dem Markt für Wohnimmobilieninvestitionen zu beobachten, wo sich erste Preiskorrekturen abzeichneten. „Für eine umfassende Bewertung fehlen derzeit allerdings noch die notwendigen Evidenzen“, unterstreicht Bender.

Obwohl die Bieter auf der Nachfrageseite aktuell selektiver prüfen, sei der Wohninvestmentmarkt weiterhin sehr liquide. Die angesammelte Liquidität und der Nachfrageüberhang der vergangenen Jahre haben den Anstieg der Fremdkapitalkosten in den letzten Monaten etwas abfedern können.

Darüber hinaus bleibt der deutsche Wohninvestmentmarkt aufgrund der hohen Marktliquidität und der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland für ausländische Investoren attraktiv. So liegt der Anteil der Käufer aus dem Ausland mit rund 30 Prozent leicht über dem Fünfjahresdurchschnitt (rund 23 Prozent). „Besonders bemerkenswert ist, dass der Anteil der ausländischen Akteure auf der Verkäuferseite nur fünf Prozent betrug. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die ausländischen Akteure langfristig auf dem deutschen Markt engagieren“, betont Bender.

Das Angebot hinkt der Nachfrage weiter hinterher

Allerdings dürfte nur unzureichend neues Produkt auf den Markt kommen. Infolge steigender energetischer Anforderungen und weggefallener Förderungen ist mit einem Anstieg der Baukosten zu rechnen. Hinzu kommen Kapazitätsprobleme auf dem Arbeitsmarkt, Fachkräftemangel und zunehmende altersbedingte Abgänge von Erwerbstätigen aus dem Arbeitsmarkt. „Das wird die Löhne und damit die Kosten für Dienstleistungen im Baugewerbe hochhalten und damit auch bei einem verlangsamten Anstieg der Materialkosten für höhere Gesamtkosten in den kommenden Jahren sorgen. Für das Jahr 2022 rechnen wir deshalb mit einem weiteren Rückgang der Neubautätigkeit, der die Lücke zwischen Fertigstellungen und politischen Neubauzielen vergrößern und damit die Diskrepanz zwischen Angebot und realwirtschaftlicher Nachfrage verschärfen dürfte“, prognostiziert Scheunemann.

* Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens zehn Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung sowie der Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge

 

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