Kommentar zur Lage in der Rückversicherungsbranche von Antje Kullrich.

 

Der Rückversicherungsmarkt ist in Bewegung wie selten zuvor. War die Branche eben noch dabei, die Effekte der Pandemie aufzuarbeiten, und hoffte bei dem ersten physischen Treffen in Monte Carlo nach drei Jahren auf ein Stück Normalität, schlägt jetzt die nächste Krise zu. Die starke Inflation in den wichtigsten Versicherungsmärkten der Welt stellt eine neue enorme Herausforderung für die Branche dar. Das alles geschieht vor dem Hintergrund einer immer dramatischeren Klimakrise, von Lieferkettenproblemen und den geopolitischen Unsicherheiten durch den Ukraine-Krieg. Selbst erfahrene Rückversicherungsmanager geizen dieser Tage nicht mit Superlativen, wenn sie diese Multikrisenlage in Worte fassen sollen.

Die führenden Player der Szene – Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück – haben zu Beginn des Branchentreffens im Fürstentum an der Côte d’Azur sehr deutlich gemacht, was ihre Kunden in den Verhandlungen für die wichtige Erneuerungsrunde zum Jahreswechsel erwartet. Prozentual zweistellige Preissteigerungen dürften keine Seltenheit sein. Die Hannover Rück hat an zwei sehr plastischen Beispielen für den deutschen Markt vorgerechnet, wie es dazu kommt: So müssten allein schon wegen der teureren Ersatzteile in der Kfz-Versicherung die Preise um 10% steigen, in der Wohngebäudeversicherung angesichts gestiegener Immobilienwerte um 15%.

Von der herausfordernden Gemengelage dürften vor allem die großen Rückversicherer am Ende profitieren. Sie können ihr gesamtes Know-how, was Risikomodellierung angeht, in die Waagschale werfen und zehren außerdem von ihrer auch trotz Kapitalmarktschwankungen noch komfortablen Kapitalausstattung. Dabei sind sie diversifiziert genug, um unvorhergesehene Belastungen in einzelnen Märkten, die in Zeiten so großer Umwälzungen wahrscheinlicher werden, abfedern zu können. Die großen Player dürften voraussichtlich auch aus dem Rückzug von Konkurrenten vor allem aus dem katastrophengeplagten US-Markt Kapital schlagen können. Denn knappe Kapazitäten treiben Preise.

Hoffnungen liegen auch auf dem Segment von alternativem Rückversicherungskapital. Dessen Volumen hält sich derzeit immerhin stabil bei knapp 100 Mrd. Dollar. Angesichts der Preissprünge in der traditionellen Rückversicherung könnte jetzt der Blick mancher Marktteilnehmer wieder stärker auf diesen Markt gerichtet werden. Doch auch hier wollen die Investoren risikoadäquate und damit deutlich höhere Renditen als in der Vergangenheit sehen. So werden auch hier die Kapazitäten nicht in den Himmel wachsen – ein weiteres Argument, das die Karten für die großen traditionellen Rückversicherer im Glücksspielparadies Monaco verbessert.

Die Investoren sehen das augenscheinlich auch so. So haben die deutschen Branchenschwergewichte Munich Re und Hannover Rück den Dax in den vergangenen Wochen klar outperformt. Die Rückversicherer präsentieren sich als selbstbewusste und erfahrene Krisenmanager. Und der Kapitalmarkt schenkt ihnen Vertrauen. Eine Ausnahme ist die Scor: Sie muss nach dem Halbjahresverlust erst noch beweisen, dass sie auch in der Krise ordentlich performen kann.