Aktualisierter Diskussionsbeitrag

Das German Sustainability Network hat seinen Diskussionsbeitrag zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen und Nachhaltigkeitspräferenzen im Versicherungsvertrieb aktualisiert und um ein konzeptionelles Framework zur Produktentwicklung erweitert. Die jüngsten Thesen zu nachhaltigen Anlageprodukten weisen darauf hin, dass sich ein weitläufiges Missverständnis in der Marktpraxis etabliert haben könnte – eine Kategorisierung „nach Artikel 8 / 9“ der SFDR wird in Frage gestellt.

Der Aufsatz fungiert als konzeptioneller Ausgangspunkt für Theorie und Praxis.

Das German Sustainability Network hat seinen Diskussionsbeitrag zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitszielen und Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden im Versicherungsvertrieb aktualisiert und erweitert. Der Aufsatz ordnet zentrale Begrifflichkeiten des Themenfelds Nachhaltigkeit für den Versicherungsvertrieb ein und systematisiert sie. Die jüngste Aktualisierung erweitert die Betrachtung um produktbezogene Gedanken, die insbesondere der Investmentbranche nützlich sind, aber auch eine entscheidende gedankliche Brücke für den Vertrieb bauen. Konkret werden die Regelwerke (SFDR, Taxonomie, IDD-Änderungsverordnung) in Beziehung zueinander gesetzt und zu einem konzeptionellen Framework verbunden.

Eine zentrale These stellt die vermeintliche Kategorisierung nachhaltiger Investments „nach Artikel 8/9“ der Offenlegungsverordnung in Frage. Unter Würdigung aller Umstände verdichtet sich der Eindruck, dass sich ein regulatorisches Missverständnis am Markt „eingebürgert“ hat – Theorie und Praxis liegen auseinander. Damit verändert sich die Sichtweise auf nachhaltige Anlageprodukte substanziell; alle Stakeholder werden dafür sensibilisiert, den Dialog „vom Investment bis zum Kunden“ zu suchen, um die Anforderungen nachhaltiger Investments zu erfassen, ganzheitlich zu erfüllen.

„Die jüngste Informationslage legt die Vermutung nahe, dass sich am Markt ein Missverständnis bei der Konzeption nachhaltiger Anlageprodukte eingeschlichen hat. Und zwar wird eine vermeintliche Kategorisierung von Nachhaltigkeitsgraden ‚nach Artikel X‘ fast schon selbstverständlich formuliert, ohne das regulatorische Framework ganzheitlich zu betrachten“, kommentiert Autor Timo Biskop. „Mit Blick auf die Kundenschnittstelle entsteht gleichzeitig Unmut darüber, dass eine entsprechende Vorgehensweise nicht zum Konstrukt der Nachhaltigkeitspräferenz passt. Dies überrascht jedoch nicht, sondern verdeutlicht die Notwendigkeit, den Nachhaltigkeitsdiskurs zu stärken: Nachhaltige Produkte können nur auf einem ganzheitlichen Framework aufbauen, das die bestehenden Regelwerke gedanklich miteinander verbindet und marktweiten Anklang finden muss. Ansonsten scheitert der Praxiserfolg. Ein solches Framework werden wir mit den interessierten Kreisen weiterentwickeln und laden zum kritischen Austausch ein“.

Zentrale neue Aussagen / Thesen des Diskussionsbeitrages sind u. a.:

  • Eine Investment-Deklaration „nach Artikel X“ ist nicht sinnvoll, um die regulatorischen Schnittstellen zu adressieren. Sie entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der Offenlegungsverordnung.
  • Ein ganzheitliches Framework, das die Kategorisierung von (Versicherungs-)Anlageprodukten fördert, muss die Transparenzverordnung, die IDD-Änderungsverordnung und die Taxonomieverordnung miteinander verknüpfen.
  • Das Konstrukt der Nachhaltigkeitspräferenz bestimmt konzeptionell über die Arten und Ausprägungen nachhaltiger (Versicherungs-)Anlageprodukte. Die zentrale Frage nach dem faktischen Nachhaltigkeitsgrad kann jedoch – erst – durch den inhaltlichen Ausweis etwaiger Mindestanteile nachhaltiger Investitionen beziehungsweise die Art und Weise der Berücksichtigung der PAI-Faktoren im Anwendungsfall beantwortet werden.
  • Die Informationspflichten der Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung stehen nicht in einer konkurrierenden Beziehung zueinander. Die Transparenzpflichten der Artikel 6, 7, 8 und 9 der Offenlegungsverordnung ergänzen sich vielmehr und verdichten sich im laufenden Reporting nach Artikel 11 der SFDR.
  • Es können auch Investmentprodukte existieren, die keine nachhaltige Investition anstreben, aber taxonomiekonforme Anteile ausweisen, also trotzdem entsprechend „investiert sind“.
  • Die Adäquanz eines Produktes für den Vertrieb bleibt eine Einzelfallprüfung. Sie basiert auf den zur Verfügung gestellten Informationen und muss im Rahmen der laufenden Geeignetheitsprüfung beobachtet werden.
  • Ein Denken in „Artikel 8“ und „Artikel 9“-Produkten – oder weiteren, gesetzlich nicht begründeten Wortschöpfungen – sollte verworfen werden. Die eigentliche Herausforderung ist zunächst in der Datenerhebung und -aggregation zu sehen. Gerade für Versicherer ist es notwendig, ein Informationsniveau zu erreichen, das aufbauend auf den Artikeln 4, 7 gegebenenfalls auch 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung dazu befähigt, die erforderlichen vorvertraglichen Kundeninformationen – im Sicherungsvermögen – zu erbringen.
  • Sofern/sobald die Durchschau erfolgt ist, stellt sich die Frage, wie die zu publizierenden Informationen kundenorientiert aufbereitet und im Beratungsgespräch genutzt werden können. Hierzu sind die Templates der RTS zu beachten.
  • Insgesamt verdeutlicht sich die Komplexität, der nur mit breitflächiger Aus- und Weiterbildung begegnet werden kann, sobald sich die Marktparteien auf eine gemeinsame konzeptionelle Basis geeinigt haben.
  • Kurzfristiger Dialog ist dringend empfohlen, um nationale „Alleingänge“ von Aufsichtsbehörden innerhalb Europas bei der Produktzulassung zuvorzukommen. Ansonsten wird das Ziel eines „level playing fields“ verfehlt.

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