Liebe Mandantinnen, liebe Mandanten, liebe Versicherungsmaklerinnen, liebe Versicherungsmakler,

heute möchten wir Sie auf ein interessantes Thema aufmerksam machen, welches auch für Ihre tägliche Praxis von Bedeutung sein kann.

  1. Dokumentationswirkung des Versicherungsscheines

Sie kennen das: Bestehen Unklarheiten über den Umstand, wer Versicherungsnehmer eines Versicherungsvertrages ist, so verschafft ein Blick in den Versicherungsschein schnell Klarheit. Der Versicherungsschein dokumentiert den Inhalt des Versicherungsvertrages und enthält daher auch die Angaben zum Versicherungsnehmer, also der Person, die durch den Vertrag berechtigt und verpflichtet wird. Von diesem Grundsatz besteht jedoch eine wichtige Ausnahme, wenn der Versicherungsnehmer in einer gültigen Ehe oder eingetragenen Lebensgemeinschaft lebt. Denn dann kann die sogenannte „Schlüsselgewalt“ greifen.

  1. Die Schlüsselgewalt

Die Schlüsselgewalt ist ein familienrechtlicher Begriff und bezeichnet das Recht von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern, Rechtsgeschäfte, die zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie beitragen, auch mit Wirkung für den anderen Ehe- oder Lebenspartner durchzuführen. Geregelt ist dies in § 1357 BGB. Nach dieser Regelung werden durch Rechtsgeschäfte beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet. Voraussetzung ist aber, dass es sich um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs handelt. Das Geschäft muss demnach auf die Bedarfsdeckung der Familie abzielen.

  1. Die Rechtsprechung des BGH

Der BGH hat bereits mit Urteil vom 18.02.2018 (nachzulesen unter BGH, Urt. v. 28.02.2018 – XII ZR 94/17, r+s 2018,239) entschieden, dass der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für das Familienfahrzeug ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie sein kann und somit unter die Schlüsselgewalt fällt. Der Abschluss des Versicherungsvertrages führt demnach zu einer Mitverpflichtung und zu einer Mitberechtigung des jeweils anderen Ehegatten. Es können daher beide Ehepartner die Leistungen aus dem Vertrag beanspruchen, sind aber auch beide verpflichtet, die Versicherungsprämie zu zahlen. Rechtlich haben beide Ehegatten gemeinsam die Stellung als Versicherungsnehmer inne, auch wenn nur einer von beiden der formale Vertragspartner (VN) nach dem Versicherungsschein ist.

  1. Konsequenzen aus der Rechtsprechung des BGH

Aus der Rechtsprechung des BGH folgt, dass beide Ehepartner den Vertrag mit Wirkung für den anderen Ehegatten wirksam beenden können, ohne dass es dessen Mitwirkung bedarf. Aus der Rechtsprechung folgt aber auch, dass beide Ehepartner gemeinsam zur Zahlung der Prämien verpflichtet sind. Da diese Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten, kommt es auch auf eine Kenntnis des Versicherers nicht an.

Das führt in der Praxis mitunter zu massiven Abwicklungsproblemen. Denn der Versicherer wird sich auf die im Versicherungsschein ausgewiesene Person verlassen und etwa im Falle des Prämienverzuges auch nur diese anmahnen. Wenn sich aber nun aus der Schlüsselgewalt die Stellung des Ehepartners als (Mit-) Versicherungsnehmer ergibt, müsste auch dieser angemahnt und auf die Rechtsfolgen des Zahlungsverzuges hingewiesen werden. Denn bei mehreren Versicherungsnehmern ist die Mahnung an jeden von ihnen zu richten, und zwar auch dann, wenn diese unter der gleichen Anschrift wohnen. Dies hat die für den Versicherungsnehmer positive Folge, dass der Versicherer seiner Hinweispflicht nicht vollständig nachkommt und somit bei Eintritt des Versicherungsfalles trotz Zahlungsverzuges nicht leistungsfrei wird. Haben Sie das gewusst?

Wie ein Beschluss des OLG Hamm v. 23.01.2023 zeigt, kann sich die Schlüsselgewalt aber auch zu Lasten des Versicherungsnehmers auswirken. In der Entscheidung (nachzulesen unter OLG Hamm, Beschl. v. 23.01.2023 – 6 U 107/21, r+s 2023,662) machte der Versicherungsnehmer nach der Entwendung seines Wohnmobiles Leistungen aus der Kaskoversicherung geltend. Der Versicherer kürzte die Leistungen und berief sich darauf, dass die Ehefrau des Versicherungsnehmers den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Denn diese hatte das Wohnmobil bewusst unverschlossen zurückgelassen.

Eine Zurechnung des Verschuldens des Ehepartners scheidet nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zwar grundsätzlich aus. Das OLG Hamm stellt in seiner Entscheidung jedoch klar, dass sich der Versicherungsnehmer das Fehlverhalten seiner Ehefrau dann entgegenhalten lassen muss, wenn diese aufgrund der Schlüsselgewalt als (Mit-) Versicherungsnehmer anzusehen ist.

  1. Fazit

Die Anwendung der Schlüsselgewalt auf Versicherungsverträge bietet Chancen und Risiken zugleich. Bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen mit Familienbezug sollten Sie daher an diese Rechtsprechung zur Schlüsselgewalt denken. Neben Kaskoversicherungen für das gemeinsame Familienfahrzeug ist hier vor allem auch an die Hausrat-, Gebäude- aber auch private Haftpflichtversicherung zu denken. Klarheit können Sie zwar dadurch schaffen, dass bereits bei Antragstellung beide Ehegatten als Versicherungsnehmer aufgeführt werden. Dann entsteht aber der Nachteil, dass beide VN sind und deren jeweiliges Fehlverhalten „wechselseitig“ den Leistungsanspruch im Versicherungsfall schmälern kann.

Ebenso kann aber auch explizit dargestellt und dokumentiert werden, dass ein Ehepartner nur sich verpflichten möchte und der Vertrag nicht der Bedarfsdeckung der Familie dient. Das kann beispielsweise die ungewollte, aber wirksame Kündigung des Partners verhindern, wenn der Versicherer hiervon auch Kenntnis bekommt. Andererseits kann dann bei Zahlungsverzug des VN nicht mehr eingewandt werden, der Partner hätte die Versicherungsprämie für den gemeinsamen Lebensbedarf gezahlt, wenn er denn eine Zahlungsaufforderung oder Mahnung bekommen hätte. Dies würde die Leistungsfreiheit des Versicherers verhindern.

Die gesetzliche Regelung des Paragrafen 1357 BGB hat also eine starke Ausstrahlungswirkung auf die Einbeziehung von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern in ein Versicherungsvertragsverhältnis. Wie in der Ehe: „Wie in guten, als auch in schlechten Zeiten …“.

Eigentlich kann von einem Versicherungsmakler nicht erwartet werden, dass er derartige gesetzliche Regelungen in der Beratung erläutert. Andererseits hat es noch nie geschadet mehr zu wissen als andere! Gerade, wenn der Kunde genau hierzu Fragen hätte.

Das dürfen Sie aber in der Beratung durchaus ansprechen und auch dokumentieren! Wichtig ist nur, dass auch der Versicherer gegebenenfalls von den Kundenwünschen informiert wird und die tatsächliche Sach- und Rechtslage nicht in einem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 1357 BGB steht. Denn grundsätzlich ist es durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln, ob ein Versicherungsvertrag zur Deckung des täglichen Lebensbedarfes der Familie dient. Wenn dies ausdrücklich nicht der Fall ist, müsste es gegebenenfalls dem Versicherer kommuniziert werden. Denn dann würde auch nicht der Ehepartner mit einmal (ungewollt) Vertragspartner werden oder könnte „eigene vertragliche“ Obliegenheiten verletzen. Denn dann wäre ein Fehlverhalten des Ehepartners grundsätzlich nicht dem Versicherungsnehmer zuzurechnen.

Sollten Sie weitere Fragen haben, so steht Ihnen Frau Rechtsanwältin Judith Pötter, die diesen Artikel für Sie geschrieben hat, gerne für weitere Fragen zur Verfügung.

Mit familienrechtlichen Grüßen

Ihr, Stephan Michaelis LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Verantwortlich für den Inhalt:

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Tel: +49 40 88888-777,Fax: +49 40 88888-737, www.kanzlei-michaelis.de

Von Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Wirth Rechtsanwälte  

Das OLG Köln hat in einem Urteil vom 05.12.2023 zum Geschäftszeichen I-9 U 46/23 entschieden, dass auch die Anmietung eines Wohnmobils eine einem Hotel ähnliche Unterbringung sein kann. Es verurteilte unter anderem aus diesem Grund eine Wohngebäudeversicherung zur Zahlung von 86.400 €. Diesen Betrag hatten die Kläger bezahlt, um für etwa 1 Jahr ein Wohnmobil zu mieten, nachdem sie in ihrem Haus nicht mehr wohnen konnten.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die Jahrhundertflut im Ahrtal am 15.07.2021, in deren Folge das Wohngebäude der Kläger stark beschädigt wurde. Für den Schaden bestand für die Kläger grundsätzlich Versicherungsschutz. Da zunächst unklar war, wie das Gebäude saniert werden kann, dauerten die erforderlichen Prüfungen und schlussendlich auch die Sanierungsarbeiten länger als gedacht. Die Kläger mieteten aus diesem Grund ab Dezember 2021 ein Wohnmobil, in dem sie während der Sanierung mit ihrem etwa einjährigen Kind und einem Hund lebten.

In den Versicherungsbedingungen war zu der Erstattung von Unterbringungskosten Folgendes geregelt:

für Hotel- oder ähnliche Unterbringung ohne Nebenkosten (z. B. Frühstück, Telefon), wenn die ansonsten ständig bewohnte Wohnung unbewohnbar wurde und dem Versicherungsnehmer auch die Beschränkung auf einen bewohnbaren Teil nicht zumutbar ist.

Aus diesem Grund verlangten die Kläger von ihrer Wohngebäudeversicherung die Erstattung der Mietkosten in Höhe von 86.400 € (240 €/ Tag). Diese lehnte jedoch eine Erstattung mit dem Argument ab, dass bei der Anmietung eines Wohnmobils die Verschaffung einer Reisemöglichkeit im Vordergrund stehe und auch nicht nachgewiesen sei, dass das Haus nicht genutzt werden konnte.

Dem erteilte das Oberlandesgericht aber eine Absage.

Es führte aus, dass auch bei einem Wohnmobil im Vordergrund stehe, „dass wechselnde Gäste darin für eine befristete Zeit wohnen, sei es zu Arbeitsaufenthalten (bspw. Saisonarbeiter, Arbeiter auf Montage) oder zu touristischen Zwecken“. Dass man mit einem Wohnmobil auch reisen kann, ist für die Auslegung der Versicherungsbedingungen unerheblich. Damit sei auch ein Wohnmobil mit einem Hotel, einer Pension oder einer Ferienwohnung vergleichbar. Außerdem sei klar gewesen, dass das Wohngebäude in dieser Zeit nicht, auch nicht teilweise hätte genutzt werden können. Jedenfalls war es nach Ansicht des OLG nicht zumutbar, in dem zwischenzeitlich von Schimmel befallen Haus mit einem etwa einjährigen Kind zu wohnen, in dem zeitweise auch kein Strom und Wasser vorhanden waren.

„Auch wenn der Fall einige Besonderheit aufweist, zeigt er deutlich, dass immer die jeweiligen Versicherungsbedingungen genau geprüft werden müssen“, so Rechtsanwalt Strübing von Wirth Rechtsanwälte „Im Zweifel müssen Versicherungsbedingungen ausgelegt werden, was per Gesetz jedenfalls im Ergebnis dann zugunsten von Versicherungsnehmern erfolgen muss.“

Über Wirth-Rechtsanwälte:

Seit 1998 vertrauen anspruchsvolle Mandanten in Rechtsfragen auf die Kompetenz der bundesweit tätigen Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. Die in der Kanzlei tätigen Anwälte haben sich insbesondere auf das Versicherungs-, Vertriebs- und Bank- und Kapitalmarktrecht sowie gewerblichen Rechtschutz und Datenschutz spezialisiert.

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Wirth­ Rechtsanwälte, Carmerstr. 8, D­-10623 Berlin, Tel: 030 ­ 319 805 44 0, Fax: 030 ­ 319 805 44 1, www.wirth-­rechtsanwaelte.com

Falschberatung bei Wechsel einer Krankenversicherung

Empfiehlt ein Vermittler den Wechsel einer privaten Krankenversicherung, muss er dem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und prämienrelevanten Unterschiede der bestehenden zu der angebotenen Versicherung verschaffen.

Macht er das nicht und weist er im Zuge der Umdeckung nicht darauf hin, dass die angebotene Krankenversicherung unter anderem kein Krankentagegeld enthält, haftet er nach dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 07.03.2023 zum Geschäftszeichen 12 U 268/22 seinem Kunden auf Schadenersatz.

Im entschiedenen Sachverhalt hatte ein Versicherungsmakler den Wechsel einer Krankenversicherung empfohlen. Seine Kundin folgte dieser Empfehlung und kündigte daraufhin die bestehende Krankenversicherung, inklusive des dort vereinbarten Krankentage- und Krankenhaustagegeldes. Später stellte sich heraus, dass die neue Krankenversicherung von Anfang an kein Krankentagegeld und auch kein Krankenhaustagegeld enthielt. Die Kundin behauptete nun, darüber von dem Versicherungsmakler nicht aufgeklärt worden zu sein und verlangte so gestellt zu werden, als wäre die Krankentagegeld- und Krankenhaustagegeldversicherung nicht gekündigt worden. Damit bekam sie vor dem OLG Karlsruhe recht.

Dieses führte aus, dass bei der Umdeckung von Personenversicherungen besonders hohe Beratungspflichten bestehen und der oben beschriebene geordnete Überblick verschafft werden muss. Darüber hinaus hatte der Versicherungsmakler keine Beratungsdokumentation erstellt. Aus diesem Grund hätte nun er beweisen müssen, dass die Klägerin von ihm über den fehlenden Versicherungsschutz in der neuen Krankenversicherung aufgeklärt wurde. Diesen Beweis konnte er nicht führen und muss nun der Klägerin u.a. Krankentagegeld zahlen, wenn diese arbeitsunfähig wird.

„Leider ist eine fehlende Beratungsdokumentation erfahrungsgemäß eher die Regel als die Ausnahme.“, so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, „Dieses Urteil zeigt aber sehr deutlich, welche Konsequenzen eine fehlende Beratungsdokumentation haben kann und wir können genau aus diesem Grund nur immer wieder dringend empfehlen, die Beratung ordnungsgemäß zu dokumentieren.“

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Was es bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen zu beachten gilt

Zum 31.12. steht bei den meisten deutschen Unternehmen der Jahresabschluss an. Dabei müssen auch die Pensionsverpflichtungen für die Steuer- und Handelsbilanz ermittelt werden. Für international agierende Unternehmen (beziehungsweise deren Töchter) ist gegebenenfalls eine Bewertung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) oder den United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) erforderlich. Damit es beim diesjährigen Jahresabschluss keine bösen Überraschungen gibt, fasst Richard Breese, Aktuar (DAV), Sachverständiger IVS und Leiter Aktuarielle Services 1 bei der Longial, im Folgenden die Besonderheiten, die es zu beachten gilt, zusammen.

Gestiegener HGB-Rechnungszins

Laut aktuellen Prognosen der Longial beträgt der nach § 253 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) für die Diskontierung von Pensionsrückstellungen zu verwendende Zins zum 31.12.2023 1,83 Prozent (Zehn-Jahres-Durchschnitt) beziehungsweise 1,76 Prozent (Sieben-Jahres-Durchschnitt). Der letztgenannte Zins wird allerdings nur zur Ermittlung der Ausschüttungssperre bei Pensionsverpflichtungen genutzt. „Wir haben dieses Jahr erstmalig den Fall, dass der Rechnungszins im Vergleich zum letzten Bilanzstichtag gestiegen ist“, erläutert Richard Breese. „Zu diesem Stichtag entstehen damit erstmals Zinsänderungserträge, während in den letzten Jahren stets ergebniswirksame Aufwände aus der Änderung des Rechnungszinses in der Handelsbilanz auszuweisen waren.“

Zinsentwicklung nach IFRS/US-GAAP

Aufgrund der langjährigen Durchschnittsbildung steigt der handelsbilanzielle Zins in der Regel nur langsam an. Das aktuelle hohe Niveau der Marktzinsen wirkt sich hingegen direkt auf die Zinsen bei der Bewertung nach IFRS/US-GAAP aus. „Die Dynamiken an den Kapitalmärkten führen aktuell zu größeren Bewegungen der Marktzinsen. Der Rechnungszins zur Bewertung der Pensionsverpflichtungen gemäß der International Accounting Standards (IAS 19) zum 31.12.2023 bewegt sich dabei in einer Größenordnung von 3,75 Prozent“, so Richard Breese. Im Vergleich zum Bilanzstichtag im Vorjahr (31.12.2022) ergibt sich daher ein Anstieg im Bereich von circa 0,5 Prozentpunkten.

Inflation und die Folgen für Rentenanpassungen

Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet für das Jahr 2023 mit einer relativ hohen Inflationsrate von über 5 Prozent. In den nächsten Jahren soll die Inflation nach Schätzungen der EZB jedoch kontinuierlich auf das langfristig angestrebte Niveau von 2 Prozent absinken. Für Rentenanpassungen der deutschen Betriebsrenten ist hingegen zumeist die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) ausschlaggebend. Dieser sinkt aktuell ebenfalls und liegt derzeit bei einem Niveau von circa 4 Prozent, Tendenz weiter sinkend.

Aufgrund der hohen Duration von Pensionsverpflichtungen sollte der Rententrend auch entsprechend langfristig angesetzt werden. „Deshalb raten wir trotz der momentan hohen Inflation zu einer Festlegung des Rententrends zwischen 2 und 2,5 Prozent“, so Richard Breese. Sofern im Bestand noch eine Rentenanpassung auf Basis der Entwicklungen der letzten Jahre mit höheren Inflationswerten erfolgen muss, kann das in technischer Hinsicht bedeuten, dass in der mathematischen Bewertung der laufenden Renten ein entsprechender Anpassungsfaktor zusätzlich zum langfristig gewählten Rententrend berücksichtigt werden sollte.

Der PSV-Beitragssatz 2023

Nach Verlautbarungen des Aufsichtsrats des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSV) beläuft sich der Beitragssatz für das Jahr 2023 auf 1,9 Promille.

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Longial GmbH, Prinzenallee 13, 40549 Düsseldorf, Tel: +49 (0) 211 4937-7600, Fax: +49 (0) 211 4937-7631, www.longial.de

Das OLG Karlsruhe hat in einem Urteil vom 05.10.2023 zum Geschäftszeichen 12 U 66/23 eine Gebäudeversicherung zum Schadenersatz verurteilt.

Diese muss nun 118.000 € und gegebenenfalls weitere Schäden zahlen, obwohl im Zeitpunkt des Leitungswasserschadens kein Versicherungsschutz mehr bestand.

Ausgangspunkt des Rechtsstreites war die Scheidung zweier Eheleute. Diese hatten vereinbart, dass im Zuge der Scheidung das Eigentum an dem Wohnhaus von der Ehefrau auf den Ehemann übergehen soll. Die Ehefrau war auch Versicherungsnehmerin der Gebäudeversicherung. Lange vor der Eigentumsumschreibung im Grundbuch wandte sich der Ehemann daher an die Gebäudeversicherung und bat um Übertragung des Versicherungsvertrages auf ihn. Gegenüber dem Versicherungsvertreter äußerte er zudem die Befürchtung, dass seine Exfrau bis zur Eintragung im Grundbuch fällig werdende Versicherungsbeiträge nicht zahlen und dadurch der Versicherungsschutz gefährdet sein könnte. Trotz der so geäußerten Befürchtungen kümmerte sich der Vertreter nur um die Vertragsübernahme und die dafür erforderliche Zustimmung der Exfrau. Diese erfolgt ebenso wenig, wie die Zahlung der Versicherungsbeiträge. Die Gebäudeversicherung war im Zeitpunkt des Leitungswasserschadens aufgrund des Prämienverzuges daher leistungsfrei.

Allerdings haftet sie dem Kläger gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 VVG auf Schadenersatz. Das OLG führte hierzu aus, dass sich aus den geäußerten Bedenken ein hinreichender Anlass im Sinne von § 6 Abs. 1 VVG ergab, den Kläger auf die Möglichkeit zum Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung hinzuweisen. Laut dem OLG hatte der Kläger nämlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Versicherungsschutz aufrecht und dem Einfluss seiner Exfrau entziehen wollte. Gerade weil eine Vertragsübernahme von der Zustimmung der Exfrau abhing, hätte der Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung empfohlen werden müssen. Da Letzteres auch möglich war und beratungsgerechtes Verhalten vermutet wird, muss die Gebäudeversicherung nun doch für den Schaden aufkommen.

„Dieses Urteil zeigt, dass auch Versicherungsgesellschaften hohe Beratungspflichten haben können.“ so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, „In Ausnahmefällen können solche Beratungspflichten sogar dann bestehen, wenn die Versicherung durch einen Makler vermittelt wurde. Daher sollten mit der Betreuung solcher Fälle immer Spezialisten beauftragt werden.“

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Die zeitlich befristete Übertragung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung an minderjährige Kinder auf dem Wege des Nießbrauchs stellt keinen Missbrauch dar, wenn daraus keine weiteren steuerlichen Vorteile außer der Verlagerung der Einkunftsquelle entstehen. So urteilte nach Auskunft des Infodienstes Recht und Steuern der LBS die höchste finanzgerichtliche Instanz in Deutschland.

(Bundesfinanzhof, Aktenzeichen IX R 8/22)

Der Fall: Ein Elternpaar erwarb ein bebautes Gewerbegrundstück, das zum Teil an eine GmbH vermietet war. Später vermieteten sie das gesamte Grundstück an die GmbH. In der Folgezeit räumten die Eltern ihren minderjährigen Kindern den unentgeltlichen Nießbrauch an den Einnahmen aus dem Grundstück für die Dauer des Mietverhältnisses ein. Doch das Finanzamt rechnete die Einnahmen weiterhin den Eltern zu. Eine gesonderte Feststellung der Einkünfte zu Gunsten der neu gegründeten Nießbrauchsgemeinschaft wurde abgelehnt.

Das Urteil: Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Voraussetzungen für die Übertragung des Nießbrauchs gegeben seien. Von einem Missbrauch könne bei dieser Lösung keine Rede sein, da hier kein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil entstanden sei. Die steuerliche Einkunftsquelle sei lediglich ohne weitere fiskalische Konsequenzen übertragen worden.

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Bundesgeschäftsstelle Landesbausparkassen im Deutschen Sparkassen- und Giroverband e.V., Friedrichstraße 83, 10117 Berlin, Tel: 030 20225-5381, Fax: 030 20225-5385, www.lbs.de

Durchsuchungen der BaFin zusammen mit Landeskriminalamt Sachsen

Vereinigung „Königreich Deutschland“ betreibt unerlaubt Bank- und Versicherungsgeschäfte

Seit den frühen Morgenstunden des Mittwochs, 29. November 2023, durchsucht die BaFin zehn Objekte der Vereinigung „Königreich Deutschland“ in mehreren Bundesländern. Die BaFin wird bei den Durchsuchungen von Kräften anderer Behörden unterstützt – von der Deutschen Bundesbank, dem Landeskriminalamt Sachsen sowie von den Bereitschaftspolizeien des Landes Sachsen und des Bundes und der örtlichen Polizei. Die Finanzaufsicht verfolgt mit den Durchsuchungen die mutmaßlichen unerlaubt betriebenen Finanzgeschäfte des „Königreich Deutschland“, um das Ausmaß dieser Geschäfte sowie die Verbindungen und Netzwerke dieser Vereinigung aufzuklären. Darüber hinaus unterstützt die BaFin die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden.

Es besteht der Verdacht, dass durch das „Königreich Deutschland“ ohne die dafür notwendige Erlaubnis Bank und Versicherungsgeschäfte betrieben werden. Bereits seit vielen Jahren geht die BaFin gegen den hinter dem “Königreich Deutschland” stehenden Hauptbeschuldigten mit Nachdruck und den ihr zur Verfügung stehenden verwaltungsrechtlichen Mitteln vor. Sie hat dessen unerlaubt betriebene Geschäfte mehrfach untersagt und angeordnet, dass diese abgewickelt werden. Dessen ungeachtet setzte der selbsternannte „König von Deutschland“ seine unerlaubten Geschäfte in immer wieder neuen Anläufen fort – trotz verwaltungsrechtlicher Zwangsmaßnahmen, einer Verurteilung wegen unerlaubter Versicherungsgeschäfte und trotz der zwangsweisen Schließung von „Repräsentanzen“ seiner „GemeinwohlKasse“ durch die BaFin im Februar 2023.

Neben eigenen verwaltungsrechtlichen Maßnahmen hat die BaFin die ihr bekannt gewordenen strafrechtlich relevanten Verstöße gegen das Aufsichtsrecht in den vergangenen Jahren konsequent, wiederholt und unmittelbar bei den zuständigen Staatsanwaltschaften angezeigt. Die illegalen Bank- und Versicherungsgeschäfte des „Königreichs Deutschland“ sind Straftaten, die mit Geld- oder Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren geahndet werden können.

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Marie-Curie-Str. 24-28, 60439 Frankfurt, Telefon: 0228 / 4108-0, www.bafin.de

Die Finanzaufsicht BaFin hat gegen die M.M. Warburg & CO (AG & Co.) KGaA sechs Bußgelder von insgesamt 80.000 Euro festgesetzt.

Der Grund: Das Unternehmen hatte mehrfach gegen das Kreditwesengesetz (KWG) verstoßen. Es hatte nicht angezeigt, welchen Jahresabschlussprüfer es für das Geschäftsjahr 2021 bestellt hatte. Für 2022 hatte es die Anzeige verspätet eingereicht. Zudem hatte es nicht angezeigt, dass die enge Verbindung zu einem anderen Unternehmen beendet ist.

Der Bescheid ist rechtskräftig.

Zum Hintergrund: Wenn Institute einen Prüfer oder eine Prüferin für den Jahresabschluss bestellen, dann müssen sie dies der BaFin und der Deutschen Bundesbank unmittelbar anzeigen (§ 28 KWG). Wenn die BaFin befürchtet, dass der Zweck der Prüfung nicht erreicht werden kann und dies mit der Prüferin oder dem Prüfer zusammenhängt, kann sie deren oder dessen Bestellung verhindern.

Institute müssen der Aufsicht zudem unverzüglich anzeigen, wenn zu einem Unternehmen eine enge Verbindung entsteht, sich diese geändert hat oder sie beendet wurde (§ 24 KWG). Die Anzeigepflicht ist Teil der laufenden Aufsicht über die Institute. Der Finanzaufsicht soll jederzeit die engen Verbindungen eines Instituts kennen. Bestehen zu Unternehmen enge Verbindungen, die eine wirksame Aufsicht beeinträchtigen, kann die BaFin einem Institut die Geschäftserlaubnis entziehen (§§ 33, 35 KWG).

Die M.M. Warburg & CO (AG & Co.) KGaA hatte gegen beide Normen durch verspätete und unterlassene Anzeigen verstoßen.

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Urteil vom 21. November 2023 – XI ZR 290/22

Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in Altersvorsorgeverträgen mit der Bezeichnung “S VorsorgePlus Altersvorsorgevertrag nach dem Altersvermögens-gesetz (Sparkonto mit Zinsansammlung)” einer Sparkasse enthaltene Klausel zu Abschluss- und Vermittlungskosten unwirksam ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:

Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Sparkasse verwendet in ihren Sonderbedingungen für die genannten Altersvorsorgeverträge u.a. die folgende Bestimmung:

“Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet.”

Der Kläger hält die vorbezeichnete Klausel für unwirksam, da sie nicht klar und verständlich sei und die Sparer damit entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, sich auf diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Altersvorsorgeverträgen nach dem Altersvermögensgesetz zu berufen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der XI. Zvilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es sich bei der angefochtenen Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, die nicht klar und verständlich ist und dadurch die Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligt. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klausel stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dar und nicht lediglich einen unverbindlichen Hinweis. Denn der durchschnittliche Sparer versteht die Klausel dahin, dass sie der Beklagten das Recht einräumen soll, von ihm im Fall der Vereinbarung einer Leibrente Abschluss- und/oder Vermittlungskosten zu verlangen. Die fehlende Benennung von Voraussetzungen, von denen die Erhebung von Abschluss- und/oder Vermittlungskosten durch die Beklagte abhängen soll, sowie die fehlende Bestimmung der Höhe der Kosten stellen den Regelungsgehalt der Klausel nicht in Frage. Die Bezeichnung des Klauselwerks, in dem die Klausel enthalten ist, als Sonderbedingungen spricht ebenfalls dafür, dass die Klausel den Vertragsinhalt regelt.

Die Klausel ist nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und benachteiligt dadurch die Vertragspartner der Beklagten unangemessen. Diese können die mit der Klausel für sie verbundenen wirtschaftlichen Folgen nicht absehen. Die Klausel lässt nicht erkennen, ob die Beklagte im Fall der Vereinbarung einer Leibrente tatsächlich Abschluss- und/oder Vermittlungskosten vom Verbraucher beansprucht. Voraussetzungen, die maßgebend dafür sein sollen, dass Abschluss- und/oder Vermittlungskosten dem Grunde nach anfallen, werden dem Verbraucher weder in der Klausel noch an anderer Stelle mitgeteilt. Außerdem erfährt der Verbraucher nicht, in welcher Höhe er gegebenenfalls mit Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet wird. Die Klausel benennt für die Abschluss- und Vermittlungskosten weder einen absoluten Betrag noch einen Prozentsatz, der sich auf ein bestimmtes Kapital bezieht. Sie lässt den Verbraucher auch im Unklaren darüber, ob die Kosten einmalig, monatlich oder jährlich anfallen sollen. Danach kann der Verbraucher die Größenordnung der Abschluss- und Vermittlungskosten nicht absehen, mit denen er bei Vereinbarung einer Leibrente von der Beklagten belastet werden soll. Der Beklagten wäre die gebotene Eingrenzung der Kosten der Höhe nach möglich gewesen.

Vorinstanzen:

Landgericht München I – Urteil vom 15. März 2021 – 27 O 230/20

Oberlandesgericht München – Urteil vom 20. Oktober 2022 – 29 U 2022/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

  • 305 BGB

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. …

  • 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) …

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesgerichtshof BGH, Herrenstraße 45a, ­76133 Karlsruhe, Tel: 0721/159­0, Fax: 0721/159­830,  www.bundesgerichtshof.de

Nummer 044/23 – Urteil vom 20.06.2023 IX R 17/21

Wird ein Objekt mit einer Größe von mehr als 250 qm Wohnfläche vermietet, können aufgrund der Vermietung entstehende Verluste nicht ohne Weiteres mit anderen Einkünften des Steuerpflichtigen verrechnet werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20.06.2023 – IX R 17/21 entschieden.

Im Streitfall hatten die Steuerpflichtigen, ein Elternpaar, insgesamt drei Villengebäude mit einer Wohnfläche von jeweils mehr als 250 qm erworben. Die Immobilien vermieteten sie unbefristet an ihre volljährigen Kinder. Durch die Vermietung entstanden den Steuerpflichtigen jährliche Verluste zwischen 172.000 € und 216.000 €. Diese Verluste verrechneten sie mit ihren übrigen Einkünften. Dadurch ergab sich eine erhebliche Einkommensteuerersparnis.

Der BFH hat die Verrechnung der Verluste mit den übrigen Einkünften und die damit verbundene Steuerersparnis nicht zugelassen. Wird eine Immobilie mit einer Wohnfläche von mehr als 250 qm vermietet, müsse der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Vermietung mit der Absicht erfolge, einen finanziellen Überschuss zu erzielen. Könne er diesen Nachweis nicht führen, weil er über einen längeren Zeitraum Verluste erwirtschafte, handele es sich bei der Vermietungstätigkeit um eine steuerlich nicht beachtliche sogenannte Liebhaberei. Im Fall einer Liebhaberei seien aus dieser Tätigkeit stammende Verluste nicht mit anderen positiven Einkünften verrechenbar.

Der BFH bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach bei der Vermietung von aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Objekten (z.B. Größe von mehr als 250 qm Wohnfläche; Schwimmhalle) nicht automatisch von einer steuerbaren Tätigkeit auszugehen ist. Denn insoweit handelt es sich um Objekte, bei denen die Marktmiete den besonderen Wohnwert nicht angemessen widerspiegelt und die sich aufgrund der mit ihnen verbundenen Kosten oftmals auch nicht kostendeckend vermieten lassen. Daher ist bei diesen Objekten anlässlich der steuerlichen Erfassung der Einkünfte regelmäßig nachzuweisen, dass über einen 30-jährigen Prognosezeitraum ein positives Ergebnis erwirtschaftet werden kann.

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesfinanzhof, Ismaninger Straße 109, 81675 München, Tel: (089) 9231-0, www.bundesfinanzhof.de

Verkäuferinnen und Verkäufer von Immobilien müssen Kaufinteressentinnen und Kaufinteressenten aufklären, wenn erhebliche Sanierungen anstehen.

Dies gilt unter Umständen auch dann, wenn sie den Interessenten Unterlagen zur Verfügung stellen, aus denen sie dies entnehmen können. Die Wüstenrot Immobilien GmbH, ein Unternehmen der W&W-Gruppe, weist auf ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH V ZR 77/22) hin.

Im entschiedenen Fall hatte die Verkäuferin mehrerer Einheiten eines größeren Gebäudekomplexes nicht darüber aufgeklärt, dass in einer zwei Jahre zurückliegenden Eigentümerversammlung über anstehende Sanierungen mit einem hohen Aufwand verhandelt wurde. Ein entsprechender Beschluss wurde jedoch erst nach dem Verkauf der Einheiten getroffen. Da keine ausreichende Instandhaltungsrücklage vorhanden war, mussten die Eigentümerinnen und Eigentümer hohe Sonderumlagen aufbringen. Die Käuferin verklagte daraufhin die Verkäuferin auf Schadensersatz, da sie die Einheiten bei Kenntnis des Sachverhalts nicht gekauft hätte. Die Verkäuferin rechtfertigte sich damit, dass das Protokoll der seinerzeitigen Eigentümerversammlung zu den umfangreichen Unterlagen gehörte, die sie der Käuferin elektronisch kurz vor Beurkundung des Kaufvertrags zur Verfügung gestellt hatte.

Laut dem BGH hätte die Verkäuferin ausdrücklich auf die anstehende Sanierung und den ihr bekannten voraussichtlichen Kostenumfang hinweisen müssen. Sie konnte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Käuferin alle relevanten Unterlagen studiert hatte. Zwar sei es üblich, dass sich Kaufinteressenten zumindest die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre vorlegen lassen und diese darauf durchsehen, ob sich daraus Anhaltspunkte für anstehende Sanierungsmaßnahmen ergeben. Trotzdem müssen Verkäuferinnen und Verkäufer einer Immobilie in der Regel ungefragt auf eine ihnen bekannte anstehende Sanierung hinweisen. Außerdem müssten sie entsprechende Fragen der Kaufinteressenten korrekt und vollständig beantworten.

Die Wüstenrot Immobilien GmbH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass qualifizierte Maklerinnen und Makler darauf achten, das Risiko für beide Seiten zu minimieren. Wenn Sanierungsbedarfe und notwendige Investitionen Kaufinteressenten nicht frühzeitig mitgeteilt würden, könne dies in Anbetracht der Vielzahl von anstehenden Gebäudesanierungen zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten führen.

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Erklärt eine Berufsunfähigkeitsversicherung für einen zurückliegenden, abgeschlossenen Zeitraum (hier: 01.01.2015 bis 30.11.2015) ihre Leistungspflicht, liegt darin ein unbefristetes Anerkenntnis.

Das gilt nach einem aktuellen Urteil des Oberlandesgericht Dresden vom 22.8.2023 zum Geschäftszeichen 4 U 943/20 dann, wenn kein im Versicherungsvertrag vereinbarter Grund für eine Befristung vorlag und diese auch nicht nachvollziehbar begründet wurde.

In dem vom OLG entschiedenen Sachverhalt hatte die Klägerin erstmals im Juli 2016 eine Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom Dezember 2014 bis April 2016 geltend gemacht. Die beklagte Versicherung erklärte daraufhin im Februar 2017, dass sie die Leistungen ab dem 1.1.2015 anerkennt. Weiterhin erklärte sie aber, dass diese Leistung am 30.11.2015 wieder endet und führte dazu wörtlich Folgendes aus: „da Sie nach Aussage von Prof. Dr. med. S…… seit dem 01.12.2015 wieder ihre berufliche Tätigkeit ausüben können.“ Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass trotz dieser Erklärung darin ein unbefristetes Anerkenntnis zu sehen sei. Sie verlangte auch über den 30.11.2015 hinaus die Rente und bekam vor dem OLG grundsätzlich recht. Dieses führte aus, dass in den Versicherungsbedingungen konkrete Gründe vereinbart waren, bei denen die Rente hätte befristet werden können. Keiner dieser Gründe lag hingegen bei der Klägerin vor. Zwar hätte die Berufsunfähigkeitsversicherung ihr Anerkenntnis auch mit einer wirksamen Einstellungsmitteilung verbinden können. Dann hätte sie im Februar 2017 für die Klägerin nachvollziehbar begründen müssen, warum nur bis 30.11.2015 Leistungen gewährt werden sollen. Mit dem oben wörtlich wiedergegebenen Satz hatte die Berufsunfähigkeitsversicherung diese Voraussetzungen jedoch noch nicht erfüllt. Erst in einem Schriftsatz ihrer Rechtsanwälte aus dem November 2018 wurde diese Einstellungsmitteilung nachgeholt. Aus diesem Grund bekam die Klägerin auch bis zu diesem Zeitpunkt noch die Rente zugesprochen.

„Dieses Urteil zeigt einmal mehr die Komplexität von Versicherungsfällen in der Berufsunfähigkeitsversicherung.“ so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, „Versicherungsnehmer sind daher immer gut beraten, sich in solchen Fällen von Experten vertreten zu lassen.“

Über Wirth-Rechtsanwälte:

Seit 1998 vertrauen anspruchsvolle Mandanten in Rechtsfragen auf die Kompetenz der bundesweit tätigen Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. Die in der Kanzlei tätigen Anwälte haben sich insbesondere auf das Versicherungs-, Vertriebs- und Bank- und Kapitalmarktrecht sowie gewerblichen Rechtschutz und Datenschutz spezialisiert.

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Wirth­ Rechtsanwälte, Carmerstr. 8, D­-10623 Berlin, Tel: 030 ­ 319 805 44 0, Fax: 030 ­ 319 805 44 1, www.wirth-­rechtsanwaelte.com

Veraltete Server und fehlende Sicherheitsupdates führen auch in der Cyberversicherung nicht zwangsläufig zur Leistungsfreiheit.

Das hat das Landgericht Tübingen in dem bisher ersten Urteil zu einer Cyberversicherung am 26.05.2023 zum Geschäftszeichen 4 O 193/21 entschieden.

In dem entschiedenen Sachverhalt hatte ein Mitarbeiter der Klägerin versehentlich eine Schadensoftware heruntergeladen. Diese konnte sich auf 16 der insgesamt 21 Server ausbreiten und verschlüsselte diese Server unwiderruflich. Die Widerherstellungsarbeiten dauerte Monate und kosteten die Klägerin mehrere Millionen Euro, insbesondere auch aufgrund der längeren Betriebsunterbrechung. 11 der insgesamt 21 Server waren bereits bei Vertragsschluss veraltet und hatten zum Teil seit Jahren keine Sicherheitsupdates mehr erhalten. Dies nahm die verklagte Cyberversicherung zum Anlass, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären und jede Versicherungsleistung zu verweigern.

Damit scheiterte sie jedoch vor dem Landgericht Tübingen und muss nun etwa 2,5 Millionen Euro an die Klägerin zahlen. Das Landgericht Tübingen stellte nämlich nach einer umfangreichen Beweisaufnahme zunächst fest, dass die Klägerin etwaige Anzeigepflichten bestenfalls fahrlässig verletzt hat. Zusätzlich konnte sie den so genannten Kausalitätsgegenbeweis führen. Das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten kam nämlich zu dem Ergebnis, dass von der heruntergeladenen Schadensoftware die alten und neuen Server gleichermaßen betroffen waren. Mithin hatten die fehlenden Sicherheitsupdates offensichtlich keinen Einfluss auf den Eintritt oder die Höhe des Schadens. Aus diesen Gründen war die Cyberversicherung auch nicht wegen einer Gefahrerhöhung leistungsfrei. Damit scheiterte die Cyberversicherung mit ihren Einwendungen und musste nun für den unstreitigen Versicherungsfall zahlen.

„Auch wenn die Klägerin in diesem Fall durchaus etwas „Glück hatte“, so müssen auch in der Cyberversicherung Gefahrfragen richtig beantworten werden.“ so Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing. „Anderenfalls kann es im Leistungsfall zu bösen Überraschungen kommen“.

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Die US-Börsenaufsicht hat aktuell eine Strafzahlung in Höhe von 19 Millionen US-Dollar gegen den Vermögensverwalter DWS verhängt, weil dieser mehrere Fondsprodukte als zu nachhaltig beworben hat.

“Anleger, die in einen vermeintlich nachhaltigen Fonds der DWS investiert hat, sollten die aktuellen Entwicklungen nun genau beobachten und mögliche Rechtsansprüche prüfen. Grundsätzlich besteht nämlich die Möglichkeit, das investierte Geld inklusive bereits gezahlter Fondsgebühren aufgrund irreführender Werbeaussagen komplett zurückzufordern”, kommentiert Rechtsanwalt Claus Goldenstein, Inhaber der gleichnamigen Rechtsanwaltskanzlei. Goldenstein erklärt nachfolgend, was betroffene Anleger nun wissen müssen.

Rechtsanwalt: Anleger können investiertes Geld zurückfordern

“Dass sich vermeintlich nachhaltige Produkte besonders gut verkaufen lassen, wissen auch Vermögensverwalter wie die DWS. Wenn Finanzprodukte deshalb allerdings umweltfreundlicher beworben werden, als sie eigentlich sind, ist das Irreführung. Folgerichtig muss die DWS nun eine Millionenstrafe in den USA zahlen, während auch in Deutschland Ermittlungen wegen Greenwashing gegen das Tochterunternehmen der Deutschen Bank laufen.

Konkret hat die DWS mehrere Fonds als zu nachhaltig beworben. Beispielsweise gab das Unternehmen an, im Rahmen des DWS Invest ESG Climate Tech Fonds zu null Prozent in Kohle zu investieren, während die im Fonds gehaltenen Unternehmen tatsächlich bis zu 14,99 Prozent Umsatz in der Kohleindustrie erwirtschaften dürfen. Nach einer Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat das Unternehmen mittlerweile eine Unterlassungserklärung unterzeichnet und zugesichert, diesen Fonds künftig nicht mehr derart zu bewerben.

Anleger, die in einen vermeintlich nachhaltigen Fonds der DWS investiert hat, sollten die aktuellen Entwicklungen nun genau beobachten und mögliche Rechtsansprüche prüfen. Grundsätzlich besteht nämlich die Möglichkeit, das investierte Geld inklusive bereits gezahlter Fondsgebühren aufgrund irreführender Werbeaussagen komplett zurückzufordern. Dadurch könnte der DWS ein noch größerer finanzieller Schaden entstehen als durch die Strafzahlung der US-Börsenaufsicht. Wir von Goldenstein Rechtsanwälte beraten betroffene Anleger kostenfrei bezüglich ihrer rechtlichen Möglichkeiten in der Sache.”

Weiterführende Informationen zum Thema stehen unter dem nachfolgenden Link bereit: https://www.ra-goldenstein.de/dws-greenwashing/

Über Goldenstein Rechtsanwälte

Goldenstein Rechtsanwälte unterstützt Verbraucher bei der Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen. Diesbezüglich nimmt die Kanzlei unter anderem eine deutschlandweit führende Rolle im Zusammenhang mit dem Abgasskandal ein. Die Anwälte der Kanzlei vertreten aktuell über 50.000 Mandanten in der Sache und sind zudem für das erste verbraucherfreundliche Dieselskandal-Urteil am Bundesgerichtshof (BGH) verantwortlich. Auf www.ra-goldenstein.de können sich Verbraucher über zivilrechtliche Themen informieren und bestehende Rechtsansprüche prüfen. Die Kanzlei Goldenstein hat ihren Hauptsitz in Berlin-Schönefeld und beschäftigt derzeit über 100 Mitarbeiter an mehreren Standorten in Europa. Die Kanzlei wird von dem Rechtsanwalt Claus Goldenstein geleitet.

Verantwortlich für den Inhalt:

Goldenstein & Partner Rechtsanwälte, Hauptsitz Villa Quistorp, Hegelallee 1, 14467 Potsdam, Tel: +49 331 – 2 98 20 0, www.goldenstein-partner.de

Erste Bestandsaufnahme der insolventen Bauprojekte abgeschlossen. Erste konkrete Vertragsverhandlungen mit General- und Nachunternehmern laufen.

»Die Bauprojekte der insolventen Projektgesellschaften sind grundsätzlich fortführungsfähig, die PROJECT Immobilien-Gruppe ist dazu jedoch personell und finanziell nicht mehr vollumfänglich in der Lage«, erläuterte der vorläufige Insolvenzverwalter Volker Böhm von der Kanzlei Schultze & Braun. »Um abzuklären, ob ein Weiterbau in der Insolvenz möglich ist, müssen wir in jedem einzelnen Fall die aktuellen Kosten für eine Fertigstellung klären.« Dazu sprechen Böhm gemeinsam mit der PROJECT Immobilien-Gruppe derzeit zu sämtlichen Projekten Nachunternehmer für die betroffenen Gewerke an. In Betracht kommt in einigen Fällen auch die Vergabe an Generalunternehmer, die die komplette Fertigstellung übernehmen. Mit einigen Unternehmen laufen bereits konkrete Vertragsverhandlungen. »Wir treiben die Verhandlungen mit Hochdruck voran und rechnen damit, dass wir bald erste Ergebnisse haben«, so Böhm.

Böhm war nach den Insolvenzanträgen von 56 Projektgesellschaften der PROJECT Immobilien-Gruppe vom zuständigen Gericht als Gutachter eingesetzt worden mit dem Auftrag, die finanzielle Lage und Fortführungsaussichten der einzelnen Gesellschaften zu prüfen. Eine erste Bestandsaufnahme ist erfolgt, zugleich haben Böhm und sein Team die Daten soweit aufbereitet und verifiziert, dass mit der Ansprache der Bauunternehmen gestartet werden konnte.

»Es geht um Schadensbegrenzung für die betroffenen Käufer und Anleger. Die Spielräume sind bei vielen Projekten sehr eng«, machte Böhm deutlich. »Wo immer es geht, wollen wir einen längeren Stillstand der Baustellen vermeiden. Zu welchen Bedingungen das möglich ist, und was das für die Käufer bedeutet, werden die Verhandlungen in den nächsten Wochen zeigen. Sobald wir konkrete Zahlen und einen belastbaren Zeitplan haben, werden wir zuerst die betroffenen Käufer hierüber informieren.«

Parallel dazu arbeitet der vorläufige Insolvenzverwalter daran, den Geschäftsbetrieb der operativen Gesellschaften der PROJECT Immobilien-Gruppe aufrecht zu erhalten und zu stabilisieren. »Dass der Betrieb weiterläuft, ist essenziell, denn bei den Beschäftigten der PROJECT Immobilien-Gruppe liegen das Know-how und die Daten für die Weiterführung der Bauprojekte«, betonte Böhm. »Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten sehr engagiert und lösungsorientiert mit uns zusammen.«

Verantwortlich für den Inhalt:

Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH, Eisenbahnstraße 19-23, 77855 Achern, Tel: 07841/708-0, www.schultze-braun.de

Liebe Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler,

liebe Mandantinnen und Mandanten,

unser Kollege Herr Rechtsanwalt Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski hat den folgenden Beitrag für Sie angefertigt. Wie für einen guten Professor üblich, erfolgte zu diesem Problemkreis natürlich eine sehr umfassende und substantiierte Ausarbeitung. Diese werden Sie auch demnächst in der Zeitschrift für Versicherungswesen (ZfV) als wissenschaftlichen Beitrag wiederfinden. Als Dauerberatungsmandant/-in bekommen Sie selbstverständlich noch ein Exemplar mit der wissenschaftlich zitierfähigen Fundstelle zugeschickt. In jedem Fall ist der nachfolgende Fachartikel von Herrn Professor Schwintowski sehr lesenswert und praxisrelevant. Es beginnt mit folgender Problemstellung:

  1. Das Problem

In einer Vielzahl von Wohngebäudeversicherungen heißt es: „Vertraglich vereinbarte Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat, sind:

  1. Die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften“.[1]

Eine Klausel mit diesem Wortlaut lag auch der Wohngebäudeversicherung zugrunde über die das LG Flensburg am 26.1.2017 entschieden hat.[2] Die gegen das Urteil des LG Schleswig gerichtete Berufung hat das OLG Schleswig am 18.5.2017 zurückgewiesen.[3] Eine inhaltlich gleiche Formulierung findet sich auch in den empfohlenen Bedingungen zur Feuerversicherung.[4]

Der BGH hat sich mit einer solchen Klausel bisher nicht vertieft beschäftigt, er hat sie allerdings auch nicht in den Fällen beanstandet, in denen sie vereinbart war.[5] In den Musterbedingungen des GDV zur Wohngebäudeversicherung[6] kommt der Wortlaut dieser Klausel nicht vor. Dort werden Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor dem Versicherungsfall unter A20 definiert. Es geht nicht um die Einhaltung aller gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften, sondern u.a. darum, dass der VN versicherte Sachen stets in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten hat (A20.1.1) und das nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile zu jeder Jahreszeit genügend häufig kontrolliert werden müssen (A20.1.2).

Für den Makler, der verpflichtet ist im bestmöglichen Kundeninteresse (§ 1a VVG) zu beraten, kann die Klausel, wonach der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, zur Haftungsfalle werden. Ihm sollten die Unterschiede zwischen den zwei Deckungskonzepten klar vor Augen stehen. Aus der Perspektive des gut beratenen Versicherungsnehmers sollte der Makler den heutigen Empfehlungen des GDV zur Wohngebäudeversicherung folgen. Die Maklerverbände sollten darauf dringen, dass die Versicherer die früher gebräuchliche Klausel, wonach der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, nicht mehr verwenden. Die Gründe liegen in den Unsicherheiten, ob und in welchen Fällen der Versicherungsnehmer möglicherweise seinen Versicherungsschutz verliert, wenn er eine gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschrift nicht beachtet.

Für den Makler, der verpflichtet ist im bestmöglichen Kundeninteresse (§ 1a VVG) zu beraten, kann die Klausel, wonach der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, zur Haftungsfalle werden. Ihm sollten die Unterschiede zwischen den zwei Deckungskonzepten klar vor Augen stehen. Aus der Perspektive des gut beratenen Versicherungsnehmers sollte der Makler den heutigen Empfehlungen des GDV zur Wohngebäudeversicherung folgen. Die Maklerverbände sollten darauf dringen, dass die Versicherer die früher gebräuchliche Klausel, wonach der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, nicht mehr verwenden. Die Gründe liegen in den Unsicherheiten, ob und in welchen Fällen der Versicherungsnehmer möglicherweise seinen Versicherungsschutz verliert, wenn er eine gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschrift nicht beachtet.

  1. Das Urteil des BGH v. 13.11.1996

Im Fall, den der BGH am 13.11.1996[7] entschieden hat, ging es um eine Feuerversicherung, der die AFB 87 zugrunde lagen. Dort war vereinbart, dass der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen, behördlichen oder im Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten hat. Mitarbeiter des VN hatten einen im Jahre 1989 stillgelegten Ölofen ohne Überprüfung durch den Bezirksschornsteinfegermeister in Betrieb genommen. Die (heißen) Abgase wurden über ein auf einer Holzverkleidung verlegtem Ofenrohr ins Freie geleitet. Nach Inbetriebnahme im Februar 1991 schloss ein Mitarbeiter den Absperrhahn für die Ölzufuhr und verließ den Raum. Eine halbe Stunde später stand das Bürogebäude mit der daneben liegenden Lagerhalle in Flammen und brannte nieder. Der Versicherer berief sich auf Leistungsfreiheit wegen Verstoßes gegen gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften des Landes Rheinland-Pfalz, insbesondere der Feuerverordnung wonach ein Abgasrohr an der Wand entlang der Holzverkleidung verboten war. Außerdem hätte der Schornsteinfegermeister die Anlage überprüfen und genehmigen müssen. Wären diese Sicherheitsvorschriften beachtet worden, wäre das Feuer nicht ausgebrochen.

Die Instanzgerichte verneinten die Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Sicherheitsvorschriften, weil der Versicherer nicht bewiesen habe, dass der Brand seine Ursache in dem vorschriftswidrig aufgestellten Ölofen hatte. Diese Beurteilung der Beweislast wies der BGH als rechtsfehlerhaft zurück. Dies Folge aus der Natur der vereinbarten gefahrvorbeugenden Obliegenheiten. Derartige Obliegenheiten bezweckten und bewirkten erfahrungsgemäß, sofern sie beachtet würden, dass der Eintritt des Versicherungsfalls verhindert oder erschwert werde. Die Vereinbarung der Leistungsfreiheit habe auch für den durchschnittlichen VN erkennbar den Sinn, den Versicherer und die Gemeinschaft der Versicherten vor dem erhöhten Risiko zu schützen, das im Allgemeinen mit der Verletzung einer solchen Obliegenheit verbunden sei.[8] Die Sanktion der Leistungsfreiheit träfe den VN deshalb bereits dann, wenn er durch die Verletzung der Obliegenheit eine Gefahrenlage geschaffen habe, die generell die Wahrscheinlichkeit vergrößere, dass sich das versicherte Risiko verwirkliche. Deshalb sei es Sache des VN nachzuweisen, dass die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht ursächlich gewesen sei.[9]

Diese vom BGH zum früheren § 6 VVG entwickelten Grundsätze gelten auch nach Neuordnung des Rechts der Obliegenheitsverletzungen seit dem 1.1.2008 in § 28 VVG weiter, jedenfalls dann, wenn der VN die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Völlig anders stellen sich die Dinge aber dann dar, wenn man davon ausgehen würde, dass die Klausel, wonach der VN alle gesetzlichen, behördlichen oder im Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten habe, gar keine wirksame Obliegenheit darstellt. Dieser Auffassung sind das LG Flensburg[10] und ihm folgend das OLG Schleswig[11]. Nach beiden Gerichten ist die Obliegenheit in der Wohngebäudeversicherung, „die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu erfüllen“ mangels eigenständigen Regelungsgehalts wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

III. Der Verstoß gegen das Transparenzgebot

In dem Fall, den das LG Schleswig am 26.1.2017 zu entscheiden hatte, ging es um eine Wohngebäudeversicherung für ein Einfamilienhaus. Der VN stellte nach Rückkehr aus einem Urlaub am 31.1.1016 einen Leitungswasserschaden im Erdgeschoss fest. Leitungswasser war aus einem Rücklaufventil hinter der Wasseruhr ausgetreten. Feuchtigkeitsschäden waren in mehreren Räumen des Hauses entstanden. Der Versicherer akzeptierte die Ersatzpflicht mit einer Quote von 70 % und lehnte die Schadenregulierung im Übrigen ab, weil der VN die Verpflichtung zur jährlichen Wartung des Rücklaufventils und damit einer Sicherheitsvorschrift, verletzt hätte. Der VN wies darauf hin, dass es sich bei der Wartungsvorschrift nur um eine ihn nicht betreffende DIN-Norm gehandelt habe.

Das LG Schleswig verurteilte den Versicherer zur Leistung, da die gefahrvorbeugende Obliegenheit intransparent sei. Intransparent sei eine Klausel dann, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließen lasse.[12] Das sei der Fall, da die Klausel keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufweise, sondern lediglich eine dynamische Verweisung auf andere gesetzliche, behördliche oder vertraglich vereinbarte Sicherheitsvorschriften enthalte. Der Regelungsgehalt und damit die Anforderung an den VN ergebe sich folglich nicht aus der Klausel des Vertrages, sondern einzig und allein aus der in Bezug genommenen Vorschrift.[2] Darüber hinaus handele sich bei einer DIN-Norm nicht um eine gesetzliche Vorschrift, sondern um eine schlichte technische Empfehlung, die sich noch dazu an den Installationsbetrieb und nicht den Eigentümer des Hauses wende.

Diesen Erwägungen folgte das OLG Schleswig am 18.5.2017 vollinhaltlich.[14] Das Transparenzgebot verpflichte den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben den Regelungsgehalt einer Klausel möglich klar und überschaubar darzustellen. Zudem verlange das aus dem Transparenzgebot abgeleitete Bestimmtheitsgebot, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lasse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne.[15] Die Bezugnahme auf die Einhaltung „aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften“ verstoße folglich gegen das Bestimmtheitserfordernis.

Eine lediglich präzisierende Verweisung auf gesetzliche Vorschriften begründe zwar regelmäßig keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Intransparent sei eine Klausel aber dann, wenn sich der Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließe oder die Verweisung auf andere Vorschriften dazu führe, dass die Kunden belastende Wirkung der Klausel unter Berücksichtigung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten mehr verschleiert als offengelegt und der Kunde deshalb an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert gewesen sei.[16]

Diesen Überlegungen hat der Vorsitzende der Versicherungskammer beim LG Berlin, Sven Marlow, vollinhaltlich zugestimmt.[17] So habe der BGH am 14.8.2019 eine Schadenminderungsklausel in der Rechtsschutzversicherung für intransparent erklärt.[18] Erweise sich eine Klausel als intransparent, so fehle es an einer vertraglichen Obliegenheit, sodass diese nicht verletzt werden könne. Es komme somit auch nicht auf die Frage des Verschuldens (§ 28 Abs. 2 VVG) oder des Kausalitätsgegenbeweises (§ 28 Abs. 3 VVG) an. Allerdings, darauf weist Marlow ausdrücklich hin, wurde diese gefahrvorbeugende Obliegenheit in der Vergangenheit, wenn auch ohne Begründung, nicht beanstandet.[19] Die Begründung des LG Flensburg und des LG Schleswig sei aber überzeugend, denn der VN wisse bei einer Norm, die auf alle gesetzlichen oder behördlichen Sicherheitsvorschriften verweise, nicht, was er tun müsse, um diese Obliegenheit zu erfüllen. Dies sei für ihn an „ein Buch mit sieben Siegeln“, so auch der frühere Richter am BGH des Versicherungssenats Wendt.[20] Darüber hinaus, so Marlow, bleibe bei der typischen Klausel auch unklar, ob nach Abschluss des Versicherungsvertrages geänderte und/oder später neu hinzukommende gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften gelten sollen. In diesem Fall würde es sich um eine dynamische Klausel handeln, die vom VN verlangen würde, herauszufinden, ob es neue gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften geben könnte. Wie der durchschnittliche VN ohne spezifische Rechtskenntnisse dies bewerkstelligen solle, bleibe offen.[21] In diesem Zusammenhang könnte es zum Beispiel fraglich sein, ob man die in den Bundesländern eingeführte „Rauchmelderpflicht“ als „gesetzliche Sicherheitsvorschrift“ einzuordnen hätte.[22]

Demgegenüber vertritt Günther eine völlig entgegensetzte Auffassung.[23] Er verweist auf die schon zitierte Rechtsprechung des BGH v. 13.11.1996.[24] Darüber hinaus gäbe es im Wortlaut identische Klauseln, die der BGH seit langem akzeptiert habe.[25] Ähnlich habe auch das OLG Oldenburg geurteilt[26] und auch der österreichische OGH[27]. Auch in der Literatur sei die Obliegenheit, wonach der VN alle gesetzlichen, behördlichen und im Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten habe, nicht beanstandet worden.[28] Die Entscheidung des BGH, auf die das LG Flensburg und später auch das OLG Schleswig, verwiesen haben, betreffe eine gänzlich andere Klausel aus dem Bankrecht und sei folglich für den versicherungsrechtlichen Kontext irrelevant.

Richtig sei, so Günther, dass eine Obliegenheit hinreichend bestimmt sein müsse. Der VN müsse wissen, was der Versicherer von ihm fordere. Die Rechtsprechung stelle aber zu Recht keine hohen Anforderungen an die Konkretisierung, da durch AVB möglich sein müsse, das zu fordernde Verhalten abstrakt zu formulieren. Es sei eben unmöglich, jede Situation sprachlich zu erfassen. Umgekehrt wisse der VN oder er könne es zumutbar wissen, dass er bestimmte behördliche oder gesetzliche Vorgaben zu beachten habe, wie z. B. Auflagen der Baugenehmigung, zum Verbot des Einbaus brennbarer Stoffe oder Vorgaben in der Landesbauordnung zur Errichtung einer Brandschutzwand. Gerade wegen der enormen Bandbreite der Sachversicherung wäre das Gegenteil von Transparenz der Fall, wenn der Versicherer in den AVB alle gesetzlichen Sicherheitsvorschriften mitaufnähme, wozu dann, um ein Beispiel zu nennen – die Wiedergabe aller Brandschutzbestimmungen in allen sechzehn Landesbauordnungen gehören würden. Bei behördlichen Auflagen wäre dies dem Versicherer schon deshalb nicht möglich, da diesem – anders als dem VN – diese zum Teil gar nicht bekannt sein können, z.B. was Auflagen in der Baugenehmigung oder bei BImSch-Genehmigungen angehe.

Eine konkrete Regelung der Sicherheitsobliegenheit sei nicht möglich und „die Verpflichtung, der Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren bestehe nur im Rahmen des Möglichen“.[29]

Würde man aber dem LG Flensburg und dem OLG Schleswig folgen, so bestünde die einzige Möglichkeit darin, diese früher tradierte Sicherheitsobliegenheit komplett aus den AVB herauszunehmen, da eine weitergehende Konkretisierung unmöglich sei. Dies aber würde das Gleichgewicht im Versicherungsvertragsverhältnis aushebeln und jenen VN privilegieren, der sich besonders sorglos verhalte, also z.B. Brandschutzbestimmungen, deren Sinnhaftigkeit auf der Hand liege, nicht beachte.[30]

  1. Die Reaktionen der Praxis

In der Praxis ist es heute so, dass in einer Vielzahl von Wohngebäudeversicherungen den Empfehlungen des GDV gefolgt wird, wonach der VN nicht mehr die Pflicht hat, alle gesetzlichen, behördlichen oder im Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten.[31] Für die Versicherungsmakler bedeutet dies, dass sie bei der Vermittlung einer Wohngebäudeversicherung die Frage zu beantworten haben, ob es im bestmöglichen Kundeninteresse liegt (§ 1a VVG) dem Kunden die Beachtung aller gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften aufzuerlegen oder ob es stattdessen für den Kunden und seine Wünsche und Bedürfnisse angemessener wäre, auf die Klausel zu verzichten und stattdessen zu vereinbaren, dass versicherte Sachen stets in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten (A20.1.1) und nicht genutzte Gebäude zu jeder Jahreszeit genügend häufig kontrolliert werden (A20-1.2). Es kommen noch einige weitere Obliegenheiten für kalte Jahreszeiten und Überschwemmungsschäden hinzu.

Entscheidet sich der Makler dafür, ein Deckungskonzept mit der alten, tradierten gefahrvorbeugenden Obliegenheit zu empfehlen, so läuft er Gefahr, dass der Versicherungsnehmer, der beispielsweise keinen Rauchmelder einbaut, seinen Versicherungsschutz verliert. Dieser Versicherungsnehmer müsste dann gegen den Versicherer klagen und – wie im Fall des OLG Schleswig – geltend machen, dass diese Klausel intransparent und folglich unwirksam ist. Die weitere Folge wäre, dass der Versicherer zu leisten hätte.

Ob der Versicherungsnehmer einen solchen Deckungsprozess gegen den Versicherer führen will und finanziell durchstehen kann, ist eine zweite Frage – möglicherweise würde der Versicherungsnehmer dem Versicherungsmakler vorwerfen, dass er ihn auf dieses Risiko nicht hingewiesen und darüber hinaus womöglich nicht für eine entsprechende Rechtschutzversicherung gesorgt hat. Vor allem aber ist nicht auszuschließen, dass ein anderes Oberlandesgericht genau entgegengesetzt zum OLG Schleswig entscheidet, mit der daraus resultierenden Frage, ob der Makler seinen Kunden eben doch nicht im bestmöglichen Interesse, sondern in Wirklichkeit fehlberaten hat, also auf Schadensersatz haften muss (§ 63 VVG).

Diese Konsequenz ist derzeit nicht auszuschließen – darin liegt die Haftungsfalle, in die ein Makler leicht hineintappen kann, wenn er das Deckungskonzept in einer Wohngebäudeversicherung auf diese Frage nicht hinreichend untersucht. So gesehen kann einem Makler letztlich nur angeraten werden, bei der Vermittlung von Wohngebäudeversicherungen darauf zu achten, dass die früher tradierte, gefahrvorbeugende Obliegenheit, wonach der Versicherungsnehmer alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, im Text der AVB so nicht vorkommt.

Die Tatsache, dass der GDV inzwischen seine Empfehlungen in diesem Punkt grundlegend geändert hat, sollte insbesondere den Versicherern zu denken geben, die am alten Deckungskonzept noch immer festhalten. Mit Blick auf diese Versicherer ist nunmehr in einem letzten Schritt zu klären, ob der Auffassung von Günther, die oben dargestellt wurde, oder doch besser derjenigen des LG Flensburg und des OLG Schleswig zu folgen ist.

  1. Das Transparenzargument

Klauseln, so heißt es in Art. 4 Abs. 2 RL93/13/EG müssen klar und verständlich sein. Dies gilt einerseits für Klauseln, die den Hauptgegenstand des Versicherungsvertrages betreffen, aber auch für alle den Versicherungsschutz gestaltenden Klauseln der AVB (Art. 5 RL93/13/EG). Dieses europarechtliche Konzept aus dem Jahre 1993 ist im deutschen Recht in § 307 BGB umgesetzt worden. Dort heißt es: „Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“ Dieser Grundgedanke, hinter dem sich das Transparenzgebot verbirgt, verpflichtet den Versicherer, Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers in den AVB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen[32]. Es geht in diesen Fällen nicht darum, ob eine Klausel dem Versicherungs- oder dem Bankrecht, oder einem anderen Rechtsgebiet angehört. Ganz generell folgt aus § 307 Abs. 1 BGB, dass jede Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen klar und verständlich sein muss. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist – sie muss auch im Kontext mit dem übrigem Klauselwerk verständlich sein[33]. Die Klausel muss die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann[34]. Dem Vertragspartner muss klar sein, welche Rechtsfolgen gegebenenfalls auf ihn zukommen und wie er deren Eintritt verhindern kann[35]. Diese Grundsätze entsprechen auch der Rechtsprechung des EuGH[36].

Auf diese höchstrichterlich entwickelten Grundsätze haben das LG Flensburg und das OLG Schleswig hingewiesen. Sie haben dabei auf eine Entscheidung des BGH aus dem Bereich des Wertpapierrechts verwiesen[37]. Allerdings ging es im Zusammenhang mit dem Transparenzgebot nicht um das Bank- oder Wertpapierrecht, ebenso wenig wie es beim OLG Schleswig um das Versicherungsrecht ging. Es ging vielmehr ausschließlich um die Frage, ob eine bestimmte Klausel, die Gegenstand der AVB war, mit dem bürgerlich-rechtlichen Transparenzgebot in Einklang steht. So gesehen kommt es für die Frage der Intransparenz einer Klausel, ganz unabhängig von dem Rechtsgebiet, in dem sie verwendet wird, darauf an, ob sich ihr Regelungsinhalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließt.

In einem solchen Fall kann der betroffene VN der Klausel selbst nicht entnehmen, welchen Regelungsgehalt sie hat. Er muss zunächst einmal die in Bezug genommene Vorschrift herausfinden und aus ihr ableiten, welche Pflichten ihn treffen. Das ist der Grund, warum Klauseln intransparent sind, deren Regelungsgehalt sich erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließt – sie sind sozusagen inhaltsleer[38]. In diesen Fällen führt die Verweisung auf andere Vorschriften häufig dazu, dass die kundenbelastende Wirkung der Klausel unter Berücksichtigung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten mehr verschleiert als offenlegt und der Kunde deshalb an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert wird[39]. Genauso liegen die Dinge bei einer Klausel, die den Versicherungsnehmer verpflichtet, alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften einzuhalten.

Dies beginnt bereits mit der Frage, ob der durchschnittliche verständige Versicherungsnehmer weiß, was unter gesetzlichen Vorschriften zu verstehen ist. Meint man damit Vorschriften, die der Bundesgesetzgeber erlässt, oder auch solche, die nach Landesrecht erlassen werden? Gehören auch europarechtliche Regelungen dazu, etwa wenn sie Gegenstand von Richtlinien oder Verordnungen sind? Muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer wissen, dass europarechtliche Verordnungen (Art. 288 AEUV) ohne Umsetzungsakt in der gesamten Europäischen Union gelten und somit Gesetzescharakter haben, obwohl sie Verordnungen heißen? Muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer wissen, dass bestimmte Regelungen in einer europäischen Richtlinie ausnahmsweise unmittelbare Wirkung im Sinne einer gesetzlichen Norm entfalten können und ihn dann binden? Sind Regelungen in Vereinssatzungen gesetzesgleich oder nicht? Haben DIN-Normen gesetzlichen Charakter oder handelt es sich dabei nur um Regelungen mit Empfehlungscharakter, was zutreffend ist[40]? Handelt es sich bei Regelungen völkerrechtlicher Art, wie etwa im Pariser Klimaschutzabkommen, um gesetzliche Regelungen, an die der einzelne Bürger gebunden ist? Folgt also womöglich aus dem Pariser Abkommen, dass jeder Eigentümer einer Immobilie zur CO2-Reduktion im Sinne der Pariser Klimaschutzziele verpflichtet ist? Richten sich die Vorschriften des Gebäudeeffizienzgesetzes (GEG) unmittelbar an jeden Einzelnen Gebäudeeigentümer, mit der Folge, dass der VN seine Obliegenheiten verletzt, wenn er Effizienzvorgaben des GEG nicht oder nicht hinreichend erfüllt? Oder handelt es sich möglicherweise gar nicht um sicherheits-, sondern eben um Effizienzvorschriften? Wie grenzt man Effizienz gegenüber Sicherheitsvorschriften ab? Woher soll der verständige VN wissen, dass die Nicht-Einhaltung von CO2-Vorgaben nach dem GEG (Stichwort: Ölheizung) möglicherweise nicht die Sicherheit seiner Immobilie verletzt?

Sehr ähnliche Fragen lassen sich auch mit Blick auf behördliche Sicherheitsvorschriften stellen: Günther meint, dass jedem verständigen Versicherungsnehmer klar ist, dass es sich bei Brandschutzvorgaben um behördliche Sicherheitsvorschriften handelt. Ist das auch dann noch so klar, wenn es sich um einen Brandschutz zugunsten eines Unternehmens handelt, das in der Nachbarschaft gefährliche Chemikalien lagert? Sind auch solche Brandschutzvorschriften zugunsten Dritter gemeint, wenn es um die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers mit Blick auf seine eigene Immobilie geht? Muss der verständige Versicherungsnehmer erkennen, dass die behördliche Auflage, bei Sturmwarnung bestimmte Fluttore zu schließen, um niedriggelegene Teile der Stadt Hamburg vor Überflutung zu schützen, für ihn eine Obliegenheit ist? Oder könnte es auch sein, dass es sich um eine Obliegenheit zugunsten der umliegenden Gebäude und Gewerbebetriebe handelt?

Noch etwas grundsätzlicher gefragt: Woher weiß der verständige durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne spezifische Rechtskenntnisse, unter welchen Voraussetzungen von einer behördlichen Sicherheitsvorschrift die Rede ist? Sind Anordnungen der Polizei zur Gefahrenabwendung im Einzelfall behördliche Sicherheitsvorschriften oder bedarf es eines Verwaltungsaktes im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes? Woher weiß der durchschnittliche Versicherungsnehmer, was ein Verwaltungsakt im Gegensatz zu einer behördlichen Verlautbarung oder einer Allgemeinverfügung ist? Die Beispiele zeigen, wie schwierig es für den einzelnen Versicherungsnehmer werden kann, wenn er tatsächlich für sich die Frage beantworten will, ob bestimmte gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften bestehen, die er zu beachten hat. Dabei kann es leicht zu Fehlern und Missverständnissen kommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dieser Versicherungsnehmer selbst bei Nachfrage bei seinem Vermittler keine eindeutige und klare Antwort finden, weil auch der Versicherungsvermittler die Antwort nicht kennt. Selbst eine Frage in der Rechtsabteilung des Versicherers wird kaum weiterführen. Man wird den Versicherungsnehmer im Zweifel an seinen Rechtsanwalt oder an die für das Gebäude zuständige Baubehörde verweisen.

Die Schwierigkeiten nehmen zu, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein Versicherungsnehmer auch solche gesetzlichen oder behördlichen Sicherheitsvorschriften einhalten muss, die es heute noch gar nicht gibt. Und schließlich kann es sein, dass bestimmte gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften von den Gerichten überprüft und später als rechts- oder auch verfassungswidrig verworfen werden.

Der langen Rede kurzer Sinn: eine Obliegenheit mit dem Inhalt, dass alle gesetzlichen und behördlichen Sicherheitsvorschriften einzuhalten sind, kann ihrem Wesen nach nicht klar und verständlich sein, weil die verwendeten Begriffe zu unbestimmt sind und weil niemand weiß, welche Regelungen in Zukunft gelten oder außer Kraft treten. So gesehen hat Günther völlig recht, wenn er darauf hinweist, dass die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des Möglichen besteht. Das ist auch ständige Rechtsprechung des BGH[41]. Allerdings sind Fachbegriffe, die keine fest umrissenen Begriffe der Rechtssprache sind, mit dem Transparenzgebot unvereinbar[42]. Dies gilt zum Beispiel für die Verwendung des Begriffs „vertragswesentliche Regelungen“[43].

Ganz generell, so der EuGH, sind Kaskadenverweise mit dem Transparenzgebot nicht zu vereinbaren[44]. Gemeint ist damit der Verweis in einer Widerrufsbelehrung auf eine Vielzahl von Rechtsvorschriften, die der Kunde sodann daraufhin zu überprüfen hat, ob sie vom Verwender eingehalten wurden oder nicht. Infolge dieser Rechtsprechung wurde die Musterwiderrufsbelehrung zu § 8 VVG grundlegend neugestaltet.

Im Ergebnis folgt aus dem Transparenzgebot, dass eine Klausel, die den Versicherungsnehmer auf gesetzliche oder behördliche Sicherheitsvorschriften verweist, ohne zu sagen, welche konkreten Inhalte gemeint sind, notwendigerweise unangemessen und unwirksam ist. Es mag sein, dass es für den Versicherer, so wie Günther argumentiert, nicht möglich ist, alle denkbaren behördlichen und gesetzlichen Sicherheitsvorschriften in den AVB zu benennen. Wenn das zutrifft, so gilt dies in gleicher Weise auch für den Versicherungsnehmer. Da der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz gewähren will, ist es nunmehr seine Sache, darüber nachzudenken, wie er die Übernahme des Risikos begrenzen und versicherungsmathematisch angemessen kalkulieren kann. Diese Aufgabe kann er durch unklare und unverständliche Obliegenheiten nicht auf den Versicherungsnehmer verlagern.

Umgekehrt folgt für den Versicherer daraus, dass er Obliegenheiten, die sich nicht konkretisiert beschreiben lassen, dem Versicherungsnehmer nicht auferlegen kann. Das Risiko unklarer Klauseln trägt nun einmal der Verwender und nicht der Versicherungsnehmer. Die Konsequenz aus diesen Überlegungen ist, dass ein Versicherer intransparente Klauseln nicht zu transparenten machen kann, indem er abstrakt und dynamisch auf gesetzliche und behördliche Sicherheitshinweise verweist. Damit würde er das Risiko der Beschreibung seiner Hauptleistung auf den Versicherungsnehmer verlagern. Die Möglichkeit, die er hat, besteht darin, die aus seiner Sicht wichtigsten Sicherheitsvorschriften herauszugreifen und ihre Einleitung zu verlangen. Wenn der Versicherer das nicht will, so müsste er mit einer höheren Prämie kalkulieren.

Im Ergebnis zeigen diese Überlegungen, dass die Judikate des LG Flensburg und des OLG Schleswig an den Grundprinzipien der Klarheit und Verständlichkeit von Klauseln in AGB gemessen wurden und überzeugend sind. Daraus folgt, dass Makler schon aus diesem Grunde mit der tradierten Klausel, wonach der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften einzuhalten, nicht arbeiten dürfen, weil sie damit in jedem Falle die Interessen des Versicherungsnehmers verletzen. Vor allem aber sollten die Versicherer, die heute mit diesen Klauselwerken die Kunden umwerben, ihre AVB ändern.

Mit Blick auf die Empfehlungen des GDV für die Wohngebäudeversicherung 2022 (dort: A20) sollte noch einmal überprüft werden, ob die Obliegenheit des Versicherungsnehmers versicherte Sachen stets „in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten“, mit den eben entwickelten Grundsätzen der Klarheit und Verständlichkeit in Einklang zu bringen ist. Was genau ist ein ordnungsgemäßer Zustand der versicherten Sache? Der Interpretation ist Tür und Tor geöffnet. Das gilt auch für die Klausel, wonach Gebäudeteile zu jeder Jahreszeit „genügend kontrolliert“ werden müssen (A20.1.2). Meint das einmal am Tag, oder einmal in der Woche, oder meint das einen anderen Zeitrahmen und was genau ist eigentlich eine genügende Kontrolle etwa eines lehrstehenden Gebäudes?

Auch mit Blick auf diese Neuformulierung in den GDV-Empfehlungen stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem Transparenzgebot, denn die Wertungsspielräume sind immens.

  1. Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen
  1. Die Klausel in der Wohngebäudeversicherung, wonach der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, alle gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften einzuhalten, verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und ist folglich unwirksam.
  1. Makler, die dessen ungeachtet Gebäudeversicherungen, die diese Klauseln enthalten, empfehlen, beraten ihre Kunden nicht im bestmöglichen Interesse (§ 1a VVG) und müssen deshalb damit rechnen, auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (§ 63 VVG).
  1. Versicherer, die mit diesen überholten Klauseln zulasten der Versicherten arbeiten, sollten ihre Wohngebäudebedingungen in diesem Punkt überarbeiten.
  1. Die Empfehlungen des GDV für die Wohngebäudeversicherung (2022) enthalten die problematische Klausel nicht. Sie verwenden aber sehr offene ausfüllungsbedürftige Begriffe der Alltagssprache, die völlig unkonkret sind. Der GDV sollte die Empfehlung überarbeiten und Begriffe verwenden, die konkret, klar und verständlich sind.

[1] Diese Formulierung wird etwa verwendet in der Wohngebäudeversicherung in der R&V classic 1/2023 Nr. 15.1.1; oder in der Grundeigentümerversicherung VGB 2023 Home Max unter B3.3.1.1a.

[2] LG Flensburg v. 26.1.2017 – 4 O 177/16 juris.

[3] OLG Schleswig Beschluss v. 18.5.2017 – 16 U 14/17 BeckRS 2017, 158399.

[4] AFB 2008/2010 B § 8 dazu Johannsen in: Bruck/Möller VVG 9. Aufl. Bd. 7 Sachversicherung S. 212 f.

[5] BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 226/95-VersR, 1997, 485; BGH v. 30.4.2008 – IV ZR 53/05-VersR, 2008, 961; weitere Nachweise bei Günther, Anm. zu LG Flensburg v. 26.01.2017 – 4 O 177/16 v. 18.01.2018, juris PR-VersR 1/2018 Anm. 2 unter II 1.

[6] VGB 2022 – Wert 1914 „Gleitender Neuwert Plus“.

[7] IV ZR 226/95, VersR 1997, 485.

[8] So bereits BGH v. 27.2.1976 – IV ZR 20/75, VersR 1976, 531 unter I 1 und BGH v. 8.3.1978 – IV ZR 161/76, VersR 1978, 433, 434.

[9] BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 226/95 VersR 1997, 785, Rn. 14.

[10] LG Flensburg v. 26.1.2017 – 4 O 177/16, juris.

[11] OLG Schleswig v. 18.5.2017 – 16 U 14/17, BeckRS 2017, 158399.

[12] So auch BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, NJW 2014, 924.

[13] LG Flensburg v. 26.1.2017 – 4 O 177/16 juris, Rn. 13.

[14] OLG Schleswig v. 18.5.2017 – 16 U 14/17, BeckRS 2017, 158399.

[15] So auch BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, NJW 2014, 924.

[16] So auch BGH v. 14.1.2014 – XI ZR 355/12, juris Rn. 28.

[17] VersR 2019, 1557 – 1559.

[18] BGH v. 14.8.2019 – IV ZR 279/17, VersR 2019,1284.

[19] So Wandt in Langheid/Wandt, Müko/VVG, 2.Aufl., 2019 § 28 Rn. 34 m.w.N; Felsch in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, Rn. 14 m.w.N.

[20] Die Rechtsprechung des BGH zum Versicherungsrecht – Rechtsschutzversicherung, r-s 2010, 221, 228 f.

[21] Zu ähnlichen Klauseln, die Leistungsfreiheit nach „Maßgabe des VVG“ regeln Piontek rts 2019, 512 m.w.N. Anm. zu OLG Saarbrücken v. 19.6.2019 – 5 U 99/18, VersR 2019, 289.

[22] Dazu Staudinger, Rauchwarnmelder und etwaige Leistungskürzungen des Gebäudeversicherers nach dem VVG, ZMR 2015, 179; Marlow in BeckOK/VVG Marlow/Spuhl, 6. Ed., § 28 Rn. 17.1.

[23] juris PR – VersR 1/ 2018 Anm. 2.

[24] IV ZR 2626/95, VersR 1997, 485 und BGH v. 30.4.2008 – IV ZR 3505, VerR, 2008, 961.

[25] BGH v. 9.5.1990 – IV ZR 5189, VersR 1990, 887; BGH v. 20.1.2010 – IV ZR 24/09, VersR 2010, 757.

[26] V. 25.11.1992 – 2 U 112/92, VersR 1994, 715.

[27] V. 27.1.1997 – 7 Ob 246/98x , VersR 2000, 522.

[28] Z.B. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., M I Rn. 18 ff.; Johannsen in: Bruck/Möller, VVG, Sachversicherung, 9.Aufl., AFB § 8 Rn. 3 ff; Wandt in Müko VVG § 28 Rn. 34; Dietz, Wohngebäudeversicherung, 3. Aufl., § 8 VGB Teil B Rn. 4 ff.

[29] so OLG Köln v. 15.8.2017 – 9 U 12/17, I-9 U 12/17, VersR 2017, 1265 m.w.N.

[30] So wie im Fall BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 226/95, VersR 1997, 485.

[31] So etwa die AVB der Allianz oder der Gothaer oder AXA. Allerdings gibt es nach wie vor Versicherer, die mit dem früheren Text arbeiten – wie etwa die R&V oder die Grundeigentümer-Versicherung.

[32] BGH v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575; BGH v. 04.04.2018 – IV ZR 104/17, NJW 2018, 1544; BGH v. 04.04.2018 – IV ZR 104/17, NJW-RR 2019, 942.

[33] BGH v. 26.3.2019 – II ZR 413/18, NJW-RR 2019, 811

[34] BGH v. 21.02.2017 – X ZR 49/16, NJW 2017, 2034, BGH v. 07.02.2019 – III ZR 38/18, NJW-RR 2019, 942

[35] BAG v. 3.12.2019 – 9 AZR 44/19, NJW 2020, 1317

[36] EuGH v. 23.04.2015 – Rs. C-96/14, VuR 2016, 25 m. Anm. Schwintowski

[37] BGH v. 14.01.2014 – XI ZR 355/12 juris ab Rn. 23

[38] So OLG Düsseldorf v. 26.09.1997 – 22 U 10/97, NJW-RR 1997, 1150, 1152; OLG Schleswig v. 01.08.1995 – 9 W 50/95, NJW 1995, 2858, 2859; MüKo BGB/ Wurmnest, § 307 Rn. 61.

[39] BGH v. 14.01.2014 – XI ZR 355/12, Rn. 28; BGH v. 9 5.2001 – IV ZR 121/00, NJW 2001, 2014; BGH v. 02.11.1994 – IV ZR 324/93, NJW 1995, 598.

[40] Hierzu Schwintowski – Müssen Vermittler DIN-Normen kennen? ZfV 2023, … wird demnächst veröffentlicht.

[41] BGH v. 04.04.2018 – IV ZR 104/17, NJW 2018, 1544.

[42] BGH v. 08.05.2013 – IV ZR 84/12, IV ZR 174/12, NJW 2013, 2739.

[43] BGH v. 18.02.2016 – III ZR 126/15, NJW 2016, 2101.

[44] EuGH v. 26.3.2020 – C – 66/19, EuZW 2020, 436.

Bleiben Sie gesund und viel Erfolg!

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Verantwortlich für den Inhalt:

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Tel: +49 40 88888-777,Fax: +49 40 88888-737, www.kanzlei-michaelis.de

Die Finanzaufsicht BaFin hat mit Bescheid vom 11. August 2023 die der ADREALIS Service Kapitalverwaltungs-GmbH (ADREALIS) erteilte Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb einer Kapitalverwaltungsgesellschaft nach §§ 20, 22 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) aufgehoben.

Die Erlaubnis der ADREALIS umfasst ausschließlich die Verwaltung von geschlossenen Investmentvermögen.

Die Aufhebung erfolgte auf Basis von § 39 Abs. 3 Nr. 3 KAGB. Danach kann die BaFin die Erlaubnis aufheben, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis rechtfertigen würden (§ 23 Nr. 2 bis 11 KAGB). Ein solcher Versagungsgrund liegt unter anderem dann vor, wenn die Kapitalverwaltungsgesellschaft nicht mindestens über zwei Geschäftsleiter verfügt (§ 23 Nr. 2 KAGB). Dies ist bei der ADREALIS der Fall.

Die Maßnahme ist noch nicht bestandskräftig, sie ist aber sofort vollziehbar. Die ADREALIS darf nun also nicht mehr als Kapitalverwaltungsgesellschaft nach §§ 20, 22 KAGB agieren.

Grundsätzlich gilt: Erlischt das Recht einer Kapitalverwaltungsgesellschaft zur Verwaltung eines Investmentvermögens, so geht dessen Verwaltung auf die Verwahrstelle über. Die BaFin wird mit geeigneten Maßnahmen sicherstellen, dass die von der ADREALIS verwalteten Investmentvermögen auf die zuständigen Verwahrstellen übergehen und ordnungsgemäß sowie im Interesse der Anlegerinnen und Anleger weitergeführt werden.

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Marie-Curie-Str. 24-28, 60439 Frankfurt, Telefon: 0228 / 4108-0, www.bafin.de

Die Nürnberger Immobiliengesellschaften „PROJECT Immobilien Management GmbH“ (PMG), „PROJECT Immobilien Wohnen und Gewerbe GmbH“ (PWG) und „PROJECT Immobilien Projektentwicklungs GmbH“ (PEG) haben Insolvenz angemeldet.

Die Holding-Gesellschaft der Gruppe „Project Real Estate AG“ (PRE) wird ebenfalls kurzfristig einen Insolvenzantrag stellen.

Als vorläufige Insolvenzverwalter hat das zuständige Amtsgericht Rechtsanwalt Volker Böhm und Rechtsanwältin Dr. Elske Fehl-Weileder von der Nürnberger Kanzlei Schultze & Braun bestellt.

Die vorläufigen Insolvenzverwalter machen sich zurzeit in Gespräch mit dem Management ein Bild der Lage.

Nürnberg. Der Geschäftsbetrieb der Unternehmens wird nach dem Insolvenzantrag fortgeführt. Parallel prüfen Dr. Fehl-Weileder und Böhm die Sanierungsoptionen und ob die Bauprojekte fortgeführt werden können. Anschließend werden sie zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Sanierung der Unternehmen einleiten.

Die Geschäftstätigkeit der PROJECT Immobilien-Gruppe umfasst die eigenständige Entwicklung und Umsetzung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Zurzeit betreut die Gruppe bundesweit rund 60 Immobilienprojekte. Ein wichtiger Grund für die Insolvenz sind  die enorm gestiegenen Baukosten infolge des Ukrainekrieges. Dabei war es nicht möglich, diese Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.

Die vorläufigen Insolvenzverwalter informieren heute die knapp 260 Beschäftigten der Gruppe (70 bei der PMG, 63 bei der PWG, 36 bei der PEG, 85 bei der PRE) über den Stand der Dinge und die weiteren Schritte. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten sind über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert. Böhm und Dr. Fehl-Weileder haben bereits damit begonnen, die wichtigen Verfahrensbeteiligten zu informieren, insbesondere die Nachunternehmer und Kunden.

Aufgrund der komplexen Struktur der Unternehmensgruppe werden die notwendigen Prüfungen einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Gläubiger werden deshalb gebeten, bis auf weiteres von Anfragen abzusehen. Sobald belastbare Informationen vorliegen, werden die Gläubiger unmittelbar unterrichtet.

Über Schultze & Braun

Schultze & Braun ist ein führender Dienstleister für Insolvenzverwaltung und Beratung im Sanierungs- und Insolvenzrecht. Mit rund 600 Mitarbeitern an mehr als 40 Standorten in Deutschland und dem europäischen Ausland unterstützt Schultze & Braun Unternehmen vor Ort, bundesweit und international in allen rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen.

Verantwortlich für den Inhalt:

Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH, Eisenbahnstraße 19-23, 77855 Achern, Tel: 07841/708-0, www.schultze-braun.de

Einführung und Handlungsempfehlung zum neuen Hinweisgeberschutzgesetz

Mit über einem Jahr Verspätung hat der Gesetzgeber die sog. Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Nachdem der Bundestag am 11.05.2023 seine Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf auf Basis der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses erteilte, passierte dieser am 12.05.2023 auch den Bundesrat. Am 02.06.2023 wurde das HinSchG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. I 2023, Nr. 150), so dass es einen Monat später am 02.07.2023 in Kraft getreten ist. Bußgelder für die Nichteinführung eines Systems werden ab sechs Monaten nach der Verkündung verhängt.

Vielleicht betrifft Sie die gesetzliche Neuregelung nicht direkt. Ihre Kunden mit mehr als 49 Mitarbeiter:innen sind aber betroffen. Damit Sie auf Augenhöhe mitreden können erhalten Sie hier eine kleine Übersicht und Handlungsempfehlung.

Was regelt das neue Gesetz:

  1. Welche Unternehmen sind betroffen?

Lediglich Arbeitgeber mit i.d.R. 50 bis 249 Beschäftigten müssen ein entsprechendes Hinweisgebersystem erst zum 17.12.2023 implementieren, vgl. § 42 HinSchG. Die Pflicht zur Implementierung eines Hinweisgebersystems trifft grundsätzliche alle pri-vatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unternehmen mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. Beschäftigte von „Kleinbetrieben“ sind dann auf Meldungen an externe Meldestellen verwiesen.

  1. Welche Arten von Hinweisgebersystemen sind möglich?

Für die hinweisgebenden Personen der Regelbetriebe (mindestens 50 Beschäftigte) bestehen grundsätzlich zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege. Hierbei handelt es sich zum einen um interne und zum anderen um externe Meldekanäle, vgl. § 7 HinSchG. Dabei sollte die hinweisgebende Person jedoch nach § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchtet, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen.

  1. Interne Meldekanäle

Bei der genauen Ausgestaltung des internen Meldekanals besteht Gestaltungsspielraum, vgl. §§ 12 ff. HinSchG. Die interne Meldestelle kann eingerichtet werden, indem eine bei dem jeweiligen Beschäftigungsgeber beschäftigte Person, eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende Arbeitseinheit oder ein Dritter mit den Aufgaben der internen Mel¬destelle betraut wird.

Damit kann insbesondere auch ein Rechtsanwalt als externe Ombudsperson mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragt werden. In jedem Fall benötigt die betreffende Person hinreichende Kompetenzen, um die notwendige rechtliche Bewertung der Meldungen vornehmen zu können. Zu den Aufgaben der internen Meldestelle gehört das Betreiben der Meldekanäle, die Durchführung des Verfahrens nach § 17 HinSchG sowie das Ergreifen von angemessenen Folgemaßnahmen.

Die Meldewege müssen so ausgestaltet sein, dass die Hinweise in schriftlicher oder mündlicher Form erfolgen können. Eine im letzten Entwurf vorgesehene Verpflichtung zur Einrichtung von Meldestellen, die auch eine anonyme Meldung ermöglichen, besteht nach dem nunmehr verabschiedeten Gesetz nicht mehr. § 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG sieht lediglich vor, dass die interne Meldestelle auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollte. Den Unternehmen steht allerdings frei, die anonyme Kontaktaufnahme sowie die anonyme Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und interner Meldestelle zu ermöglichen.

Geht eine Whistleblower-Meldung im Unternehmen ein, ist die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers, der Personen, die Gegenstand der Meldung sind und sonstiger in der Meldung genannten Personen, zu wahren, vgl. § 8 HinSchG. Ausnahmen von diesem Vertraulichkeitsgebot sind nur in sehr eng begrenzten Fällen vorgesehen, vgl. § 9 HinSchG.

Als Hinweisgebersystem bietet sich vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben in erster Linie die Einrichtung einer elektronischen Meldemöglichkeit an. Außerdem muss nach § 16 Abs. 3 HinSchG auf Wunsch des Hinweisgebers auch eine physische Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens ermöglicht werden. Die Möglichkeit für hinweisgebende Personen ein persönliches Gespräch zu führen, hat insbesondere bei der Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle eine herausragende Bedeutung. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft jedoch auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen (§ 16 Abs. 3 HinSchG). Der interne Meldekanal muss zumindest den Beschäftigten und Leiharbeitnehmern des Unternehmens offenstehen. Freiwillig kann das Hinweisgebersystem auch Personen zugänglich gemacht werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem jeweiligen Unternehmen in Kontakt stehen. Hierbei handelt es sich etwa um Organmitglieder und Aktionäre des Unternehmens, Bewerber, Selbstständige bzw. ehemalige Arbeitnehmer.

  1. Externe Meldekanäle

Neben der Etablierung eines internen Meldesystems müssen die Unternehmen ihren Mit¬arbeitern als potenziellen Hinweisgebern aber auch verständliche und leicht zugängliche Informationen über die Möglichkeiten externer Meldungen an bestimmte Behörden erteilen. Auch für die externen Meldestellen gilt, dass sie anonyme Meldungen bearbeiten sollen, jedoch keinen entsprechenden Kanal hierfür einrichten müssen, vgl. § 27 Abs. 1 HinSchG. Zugleich sieht § 24 Abs. 2 HinSchG eine Aufgabe der externen Meldestellen darin, insbesondere auch über die Möglichkeit einer internen Meldung zu informieren.

Der Hinweisgeber kann zwar grundsätzlich entscheiden, ob er Verstöße unternehmensintern meldet oder sich extern an eine Behörde wendet. Allerdings sollen die internen Meldestellen, wie oben dargestellt, bevorzugt werden, § 7 Abs. 1 HinSchG. Es sei denn es handelt sich um einen Beschäftigten eines Unternehmens, dass die vorgegebene Mindestgröße nicht erreicht; hier ist allein auf die externe Meldestelle zurückzugreifen. Nach § 7 Abs. 3 HinSchG sollen Beschäftigungsgeber weiterhin Anreize dafür schaffen, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an eine externe Meldestelle zunächst an die jeweilige interne Meldestelle wenden und für Beschäftigte klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitstellen. Zugleich sind sie nach § 13 Abs. 2 HinSchG verpflichtet, über externe Meldeverfahren zu informieren.

Mit externen Meldungen ist allerdings nicht gemeint, dass sich der Arbeitnehmer nach seiner Wahl an irgendeine Stelle außerhalb des Unternehmens (z.B. Aufsichtsbehörden, Polizei, Staatsanwaltschaften) oder gar an die breite Öffentlichkeit wenden könnte. Vielmehr benennt das HinSchG nur einen engen Kreis von aufnahmebefugten externen Meldestellen. Diese werden vor allem für Meldungen im „Kleinbetrieb“ Bedeutung erlangen. Der Bund wird eine Meldestelle beim Bundesamt für Justiz einrichten. Auch die Länder können (und werden) Meldestellen aufbauen; BaFin und Bundeskartellamt kommen als geeignete externe Stellen hinzu.

  1. Welche Meldungen genießen Whistleblower-Schutz?

Das Hinweisgeberschutzgesetz geht in seinem Anwendungsbereich über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus.

Danach sind Hinweisgeber bei der Meldung von Verstößen geschützt, die strafbewehrt oder (mit einigen Einschränkungen) bußgeldbewehrt sind, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG. Die Meldung muss Informationen über Verstöße bei dem Beschäftigungsgeber, bei dem die hinweisgebende Person tätig ist oder war, oder bei einer anderen Stelle, mit der die hinweisgebende Person aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht oder stand, beinhalten, vgl. § 3 Abs. 3 HinSchG.

Darüber hinaus erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich auf sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft, § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 10, Abs. 2 HinSchG. Darunter fallen u. a. folgende Bereiche:

  • Verbraucherschutz,
  • Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen,
  • bestimmte Verstöße gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Insbesondere der Verbraucherschutz ist im Versicherungsvertriebsrecht die virulente Größe.

Einbezogen sind ferner Verstöße, die mit einem Bußgeld bedroht werden, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient (z.B. MindestlohnG).

Whistleblower-Meldung – und dann?

Dem Hinweisgeber muss der Eingang der Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Der eingegangene Hinweis wird sodann durch die interne Meldestelle geprüft. Anschließend müssen angemessene Folgemaßnahmen nach § 18 HinSchG ergriffen werden. Beispielweise kann das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen auch an eine bei dem Unternehmen für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit abgegeben werden, § 18 Nr. 4 HinSchG. Zudem wird in den Erläuterungen klagestellt, dass zur Durchführung interner Untersuchungen – unter Wahrung der Vertraulichkeit – auch Informationen an Arbeitseinheiten bei dem Unternehmen weitergegeben werden können. Die interne Meldestelle muss der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung des Eingangs der Meldung eine Rückmeldung erteilen.

Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese. Die eingehenden Meldungen sind zu dokumentieren, vgl. § 11 HinSchG. Ggf. sollte dem Hinweisgeber die Dokumentation zum Zwecke der Verifizierung vorgelegt werden.

Schutzwirkung für den Hinweisgeber / Bußgelder

Whistleblower genießen nur dann rechtlichen Schutz, wenn ein berechtigter Grund zu der Annahme bestand, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen, in den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen und sie diese über die vorgegeben internen oder externen Meldekanäle abgegeben haben.

Unter diesen Voraussetzungen verbietet das Gesetz jede Form von Repressalien, Diskriminierungen oder Benachteiligungen, § 33 ff. HinSchG. Die Hinweisgeber müssen bei einer ordnungsgemäßen Meldung keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen befürchten. Im Falle eines arbeitsrechtlichen Prozesses ist eine Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers vorgesehen, vgl. § 36 Abs. 2 HinSchG. Danach muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Zusammenhang mit der Meldung des Hinweises durch den Arbeitnehmer bestand. Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien besteht ein Schadensersatzanspruch für Vermögensschäden des Hinweisgebers.

Bei Verstößen sind Sanktionierungen mit empfindlichen Geldbußen zwischen € 10.000,00 und € 50.000,00 vorgesehen, vgl. § 40 HinSchG. Für die Nicht-Einrichtung einer entsprechenden internen Meldestelle werden die Bußgelder erst mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten und damit ab dem sechsten Monat nach Verkündung verhängt.

Die Bußgelder können sowohl die Verantwortlichen als auch (über § 30 OWiG) die jeweiligen Unternehmen betreffen. Achtung, bei bestimmten Verstößen kann sich das Bußgeld gegen das Unternehmen auch verzehnfachen, § 40 Abs. 6 S. 2 HinSchG!

Fazit: Dringender Handlungsbedarf!

Nach einem langen Hin und Her im Gesetzgebungsverfahren müssen die Unternehmen nun handeln. Dies bedeutet: Vor allem größere Unternehmen (ab 249 Mitarbeitern) müssen umgehend ein Hinweisgebersystem, das den Anforderungen des Hinweisgeber¬schutzgesetzes entspricht, implementieren, um insbesondere empfindliche Geldbußen zu verhindern. Aber auch kleine Unternehmen müssen sich auf die Neuregelungen einstellen, da Hinweisgebersysteme dort bisher ganz regelmäßig nicht bestehen und sie diese gesetzliche Verpflichtung bereits Ende 2023 treffen wird. Sofern solche Systeme vorhanden sind, erfüllen sie häufig zumindest nicht die nun verabschiedeten gesetzlichen Vorgaben. Insofern ist es ratsam, sich schnellstmöglich mit der Implementierung eines solchen Systems einschließlich der gesetzlichen Rahmenbedingungen auseinander zu setzen und Personen mit den anstehenden Aufgaben zu betrauen.

Hierfür bietet sich folgende Handlungsempfehlung an:

  • Prüfung der vorhandenen Meldekanäle auf Konformität beziehungsweise erstmalige Einrichtung eines neuen Meldesystems und Bestellung eines Projektverantwortlichen, der für die Implementierung zuständig ist.
  • Es sollte entschieden werden, ob der Betrieb der Meldestelle durch das Unternehmen selbst oder durch Dritte, etwa eine Anwaltskanzlei oder sonstige Dienstleister durchgeführt werden soll. Im Falle einer Auslagerung sind insbesondere die Vertraulichkeit und die datenschutzrechtlichen Anforderungen durch eine ADV sicherzustellen.
  • Zu den neuen Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes ist auch die Erfüllung arbeits- und datenschutzrechtlicher Anforderungen sicherzustellen. Der zuständige Datenschutzbeauftrage sollte unbedingt eingebunden werden.
  • Vor der erstmaligen Implementierung eines Systems, sollte überprüft werden, ob betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrecht betroffen sind. Daher sollten zuerst die Zuständigkeiten der in Betracht kommenden Verhandlungsgremien geklärt werden.
  • Für einen reibungslosen Ablauf und zur Sicherstellung der notwendigen Fachkunde sollten die Beschäftigten uns insbesondere Systemverantwortlichen hinreichend geschult werden, um etwaige Haftungsfälle wegen falscher Verwendung des Systems oder unzureichender Dokumentation etc. auszuschließen.
  • Insbesondere verwendete Klauseln zum Geheimnisschutz in den Arbeitsverträgen sollten überprüft werden, um die Gefahr gänzlich unwirksamer Klauseln zu beseitigen (Verbot geltungserhaltender Reduktion).

Zusammenfassung:

  • Unternehmen ab 250 Mitarbeitern: Es besteht eine Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgebersystems. Die Umsetzungsfrist lief am 02.07.2023 ab;
  • Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern: Auch diese Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern einen Meldekanal zur Verfügung stellen, allerdings haben sie dazu bis zum 17.12.2023 Zeit;
  • die Meldesysteme müssen sowohl eine schriftliche oder mündliche als auch eine persönliche Meldung von Vorfällen erlauben;
  • innerhalb von 7 Tagen muss ein Hinweis von der internen Meldestelle bearbeitet bzw. bestätigt werden;
  • spätestens 3 Monate nach Meldung müssen Hinweisgeber über die ergriffenen Maßnahmen informiert werden;
  • die Anwendungsbereiche des Hinweisgeberschutzgesetzes beziehen sich auf das EU-Recht und das nationale Recht;
  • das Hinweisgebersystem muss DSGVO-konform sein und die Identität des Hinweisgebers schützen. Das Angebot einer anonymisierten Abgabe von Meldungen wird ausdrücklich empfohlen, ist aber nicht verpflichtend und
  • bei Gesetzesverstößen müssen Unternehmen mit Bußgeldern von bis zu € 50.000,00 rechnen.

Das HinweisgeberschutzG dient der Etablierung eines internen Kommunikationsinstruments, um in einem Betrieb stattfindende Pflichtverletzungen und Regelverstöße aufzudecken.

Compliance ist nicht nur präventiv, sondern durchaus auch repressiv orientiert. Öffentliche Strafverfolgungsbehörden werden genau hinsehen, ob derlei betriebsinterne Aufklärungsmechanismen installiert, geschult und up to date gehalten worden sind. Am Standard dieser Instrumente kann sich dann auch ggfs. die Strafbemessung orientieren.

Für weitere Fragen steht die Kanzlei Michaelis gern zur Verfügung. Der Verfasser des Artikels, Herr Rechtsanwalt Timmermann und Herr Dr. Freitag für das Arbeitsrecht freuen sich, Sie weiterführend beraten zu dürfen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Der Betrug mit gefälschten Finanzportalen im Internet verursacht in Deutschland einen Milliardenschaden.

Nach Recherchen des Saarländischen Rundfunks (SR) haben Anleger in den vergangenen beiden Jahren durch sogenannten Cybertrading-Betrug mehr als eine Milliarde Euro verloren. Hinter den Portalen stecken hochorganisierte Banden – in einer ARD-Dokumentation gibt ein ehemaliges Mitglied exklusive Einblicke.

Es geht um Plattformen mit Namen wie Tradeinvest90, Zoomtrader oder Option888. Sie werden vornehmlich im Internet beworben. Anleger können sich bei den Plattformen anmelden, im Glauben, über die Portale Finanzwetten zu platzieren. Tatsächlich agieren die Plattformen aber rein betrügerisch, das Geld wird nicht investiert.

Dabei spielen Callcenter in Osteuropa eine wesentliche Rolle, Ermittler sprechen vom “Maschinenraum des Betrugs”. Von dort aus geben sich die Telefon-Agenten als Finanzmarktexperten aus. Sie versprechen den Anlegern gute Gewinne, indem sie auf fallende oder steigende Börsenkurse wetten – so genanntes “Cybertrading”. Außerdem erschleichen sich die Callcenter-Agenten das Vertrauen der Opfer, so dass diese möglichst viel Geld einzahlen.

Für die ARD-Fernsehdokumentation “I want more – Milliardenraub im Netz” ist es dem SR-Rechercheteam gelungen, exklusiv mit einem ehemaligen Mitarbeiter eines kriminellen Callcenters im Kosovo zu sprechen. Er bestätigt, dass das Geld der arglosen Anleger direkt in die Taschen der Betrüger floss und diese sich so ein Luxusleben leisten konnten.

Fotos und Videos der Täter, die dem SR zugespielt wurden, zeigen unter anderem Sportwagen, teure Uhren und Designerkleidung.

Auf der anderen Seite verlieren manche Opfer ihre komplette Existenz. Einige Betrogene haben Lebensversicherungen aufgelöst oder Kredite aufgenommen. Ein Betroffener, der auf diese Weise 300.000 Euro verlor, hat Suizid begangen.

Das saarländische Landeskriminalamt hat im Rahmen von internationalen Ermittlungen zwar einer Betrügerbande das Handwerk gelegt und fünf Plattformen abgeschaltet. Die Betrugsmasche läuft jedoch auf anderen Plattformen unvermindert weiter.

Verantwortlich für den Inhalt:

Saarländischer Rundfunk, Anstalt des öffentlichen Rechts, Funkhaus Halberg, 66100 Saarbrücken, Tel: 0681 / 6 02 – 0, www.sr.de