Die Nürnberger Immobiliengesellschaften „PROJECT Immobilien Management GmbH“ (PMG), „PROJECT Immobilien Wohnen und Gewerbe GmbH“ (PWG) und „PROJECT Immobilien Projektentwicklungs GmbH“ (PEG) haben Insolvenz angemeldet.

Die Holding-Gesellschaft der Gruppe „Project Real Estate AG“ (PRE) wird ebenfalls kurzfristig einen Insolvenzantrag stellen.

Als vorläufige Insolvenzverwalter hat das zuständige Amtsgericht Rechtsanwalt Volker Böhm und Rechtsanwältin Dr. Elske Fehl-Weileder von der Nürnberger Kanzlei Schultze & Braun bestellt.

Die vorläufigen Insolvenzverwalter machen sich zurzeit in Gespräch mit dem Management ein Bild der Lage.

Nürnberg. Der Geschäftsbetrieb der Unternehmens wird nach dem Insolvenzantrag fortgeführt. Parallel prüfen Dr. Fehl-Weileder und Böhm die Sanierungsoptionen und ob die Bauprojekte fortgeführt werden können. Anschließend werden sie zur Verfügung stehenden Maßnahmen zur Sanierung der Unternehmen einleiten.

Die Geschäftstätigkeit der PROJECT Immobilien-Gruppe umfasst die eigenständige Entwicklung und Umsetzung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Zurzeit betreut die Gruppe bundesweit rund 60 Immobilienprojekte. Ein wichtiger Grund für die Insolvenz sind  die enorm gestiegenen Baukosten infolge des Ukrainekrieges. Dabei war es nicht möglich, diese Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben.

Die vorläufigen Insolvenzverwalter informieren heute die knapp 260 Beschäftigten der Gruppe (70 bei der PMG, 63 bei der PWG, 36 bei der PEG, 85 bei der PRE) über den Stand der Dinge und die weiteren Schritte. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten sind über das Insolvenzgeld für drei Monate gesichert. Böhm und Dr. Fehl-Weileder haben bereits damit begonnen, die wichtigen Verfahrensbeteiligten zu informieren, insbesondere die Nachunternehmer und Kunden.

Aufgrund der komplexen Struktur der Unternehmensgruppe werden die notwendigen Prüfungen einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Gläubiger werden deshalb gebeten, bis auf weiteres von Anfragen abzusehen. Sobald belastbare Informationen vorliegen, werden die Gläubiger unmittelbar unterrichtet.

Über Schultze & Braun

Schultze & Braun ist ein führender Dienstleister für Insolvenzverwaltung und Beratung im Sanierungs- und Insolvenzrecht. Mit rund 600 Mitarbeitern an mehr als 40 Standorten in Deutschland und dem europäischen Ausland unterstützt Schultze & Braun Unternehmen vor Ort, bundesweit und international in allen rechtlichen, steuerlichen und betriebswirtschaftlichen Fragestellungen.

Verantwortlich für den Inhalt:

Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH, Eisenbahnstraße 19-23, 77855 Achern, Tel: 07841/708-0, www.schultze-braun.de

Einführung und Handlungsempfehlung zum neuen Hinweisgeberschutzgesetz

Mit über einem Jahr Verspätung hat der Gesetzgeber die sog. Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Nachdem der Bundestag am 11.05.2023 seine Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf auf Basis der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses erteilte, passierte dieser am 12.05.2023 auch den Bundesrat. Am 02.06.2023 wurde das HinSchG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. I 2023, Nr. 150), so dass es einen Monat später am 02.07.2023 in Kraft getreten ist. Bußgelder für die Nichteinführung eines Systems werden ab sechs Monaten nach der Verkündung verhängt.

Vielleicht betrifft Sie die gesetzliche Neuregelung nicht direkt. Ihre Kunden mit mehr als 49 Mitarbeiter:innen sind aber betroffen. Damit Sie auf Augenhöhe mitreden können erhalten Sie hier eine kleine Übersicht und Handlungsempfehlung.

Was regelt das neue Gesetz:

  1. Welche Unternehmen sind betroffen?

Lediglich Arbeitgeber mit i.d.R. 50 bis 249 Beschäftigten müssen ein entsprechendes Hinweisgebersystem erst zum 17.12.2023 implementieren, vgl. § 42 HinSchG. Die Pflicht zur Implementierung eines Hinweisgebersystems trifft grundsätzliche alle pri-vatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unternehmen mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. Beschäftigte von „Kleinbetrieben“ sind dann auf Meldungen an externe Meldestellen verwiesen.

  1. Welche Arten von Hinweisgebersystemen sind möglich?

Für die hinweisgebenden Personen der Regelbetriebe (mindestens 50 Beschäftigte) bestehen grundsätzlich zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege. Hierbei handelt es sich zum einen um interne und zum anderen um externe Meldekanäle, vgl. § 7 HinSchG. Dabei sollte die hinweisgebende Person jedoch nach § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchtet, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen.

  1. Interne Meldekanäle

Bei der genauen Ausgestaltung des internen Meldekanals besteht Gestaltungsspielraum, vgl. §§ 12 ff. HinSchG. Die interne Meldestelle kann eingerichtet werden, indem eine bei dem jeweiligen Beschäftigungsgeber beschäftigte Person, eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende Arbeitseinheit oder ein Dritter mit den Aufgaben der internen Mel¬destelle betraut wird.

Damit kann insbesondere auch ein Rechtsanwalt als externe Ombudsperson mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragt werden. In jedem Fall benötigt die betreffende Person hinreichende Kompetenzen, um die notwendige rechtliche Bewertung der Meldungen vornehmen zu können. Zu den Aufgaben der internen Meldestelle gehört das Betreiben der Meldekanäle, die Durchführung des Verfahrens nach § 17 HinSchG sowie das Ergreifen von angemessenen Folgemaßnahmen.

Die Meldewege müssen so ausgestaltet sein, dass die Hinweise in schriftlicher oder mündlicher Form erfolgen können. Eine im letzten Entwurf vorgesehene Verpflichtung zur Einrichtung von Meldestellen, die auch eine anonyme Meldung ermöglichen, besteht nach dem nunmehr verabschiedeten Gesetz nicht mehr. § 16 Abs. 1 S. 4 HinSchG sieht lediglich vor, dass die interne Meldestelle auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollte. Den Unternehmen steht allerdings frei, die anonyme Kontaktaufnahme sowie die anonyme Kommunikation zwischen hinweisgebender Person und interner Meldestelle zu ermöglichen.

Geht eine Whistleblower-Meldung im Unternehmen ein, ist die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers, der Personen, die Gegenstand der Meldung sind und sonstiger in der Meldung genannten Personen, zu wahren, vgl. § 8 HinSchG. Ausnahmen von diesem Vertraulichkeitsgebot sind nur in sehr eng begrenzten Fällen vorgesehen, vgl. § 9 HinSchG.

Als Hinweisgebersystem bietet sich vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben in erster Linie die Einrichtung einer elektronischen Meldemöglichkeit an. Außerdem muss nach § 16 Abs. 3 HinSchG auf Wunsch des Hinweisgebers auch eine physische Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens ermöglicht werden. Die Möglichkeit für hinweisgebende Personen ein persönliches Gespräch zu führen, hat insbesondere bei der Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle eine herausragende Bedeutung. Mit Einwilligung der hinweisgebenden Person kann die Zusammenkunft jedoch auch im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen (§ 16 Abs. 3 HinSchG). Der interne Meldekanal muss zumindest den Beschäftigten und Leiharbeitnehmern des Unternehmens offenstehen. Freiwillig kann das Hinweisgebersystem auch Personen zugänglich gemacht werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem jeweiligen Unternehmen in Kontakt stehen. Hierbei handelt es sich etwa um Organmitglieder und Aktionäre des Unternehmens, Bewerber, Selbstständige bzw. ehemalige Arbeitnehmer.

  1. Externe Meldekanäle

Neben der Etablierung eines internen Meldesystems müssen die Unternehmen ihren Mit¬arbeitern als potenziellen Hinweisgebern aber auch verständliche und leicht zugängliche Informationen über die Möglichkeiten externer Meldungen an bestimmte Behörden erteilen. Auch für die externen Meldestellen gilt, dass sie anonyme Meldungen bearbeiten sollen, jedoch keinen entsprechenden Kanal hierfür einrichten müssen, vgl. § 27 Abs. 1 HinSchG. Zugleich sieht § 24 Abs. 2 HinSchG eine Aufgabe der externen Meldestellen darin, insbesondere auch über die Möglichkeit einer internen Meldung zu informieren.

Der Hinweisgeber kann zwar grundsätzlich entscheiden, ob er Verstöße unternehmensintern meldet oder sich extern an eine Behörde wendet. Allerdings sollen die internen Meldestellen, wie oben dargestellt, bevorzugt werden, § 7 Abs. 1 HinSchG. Es sei denn es handelt sich um einen Beschäftigten eines Unternehmens, dass die vorgegebene Mindestgröße nicht erreicht; hier ist allein auf die externe Meldestelle zurückzugreifen. Nach § 7 Abs. 3 HinSchG sollen Beschäftigungsgeber weiterhin Anreize dafür schaffen, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an eine externe Meldestelle zunächst an die jeweilige interne Meldestelle wenden und für Beschäftigte klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitstellen. Zugleich sind sie nach § 13 Abs. 2 HinSchG verpflichtet, über externe Meldeverfahren zu informieren.

Mit externen Meldungen ist allerdings nicht gemeint, dass sich der Arbeitnehmer nach seiner Wahl an irgendeine Stelle außerhalb des Unternehmens (z.B. Aufsichtsbehörden, Polizei, Staatsanwaltschaften) oder gar an die breite Öffentlichkeit wenden könnte. Vielmehr benennt das HinSchG nur einen engen Kreis von aufnahmebefugten externen Meldestellen. Diese werden vor allem für Meldungen im „Kleinbetrieb“ Bedeutung erlangen. Der Bund wird eine Meldestelle beim Bundesamt für Justiz einrichten. Auch die Länder können (und werden) Meldestellen aufbauen; BaFin und Bundeskartellamt kommen als geeignete externe Stellen hinzu.

  1. Welche Meldungen genießen Whistleblower-Schutz?

Das Hinweisgeberschutzgesetz geht in seinem Anwendungsbereich über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus.

Danach sind Hinweisgeber bei der Meldung von Verstößen geschützt, die strafbewehrt oder (mit einigen Einschränkungen) bußgeldbewehrt sind, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG. Die Meldung muss Informationen über Verstöße bei dem Beschäftigungsgeber, bei dem die hinweisgebende Person tätig ist oder war, oder bei einer anderen Stelle, mit der die hinweisgebende Person aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht oder stand, beinhalten, vgl. § 3 Abs. 3 HinSchG.

Darüber hinaus erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich auf sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft, § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 10, Abs. 2 HinSchG. Darunter fallen u. a. folgende Bereiche:

  • Verbraucherschutz,
  • Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen,
  • bestimmte Verstöße gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Insbesondere der Verbraucherschutz ist im Versicherungsvertriebsrecht die virulente Größe.

Einbezogen sind ferner Verstöße, die mit einem Bußgeld bedroht werden, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient (z.B. MindestlohnG).

Whistleblower-Meldung – und dann?

Dem Hinweisgeber muss der Eingang der Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Der eingegangene Hinweis wird sodann durch die interne Meldestelle geprüft. Anschließend müssen angemessene Folgemaßnahmen nach § 18 HinSchG ergriffen werden. Beispielweise kann das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen auch an eine bei dem Unternehmen für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit abgegeben werden, § 18 Nr. 4 HinSchG. Zudem wird in den Erläuterungen klagestellt, dass zur Durchführung interner Untersuchungen – unter Wahrung der Vertraulichkeit – auch Informationen an Arbeitseinheiten bei dem Unternehmen weitergegeben werden können. Die interne Meldestelle muss der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung des Eingangs der Meldung eine Rückmeldung erteilen.

Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese. Die eingehenden Meldungen sind zu dokumentieren, vgl. § 11 HinSchG. Ggf. sollte dem Hinweisgeber die Dokumentation zum Zwecke der Verifizierung vorgelegt werden.

Schutzwirkung für den Hinweisgeber / Bußgelder

Whistleblower genießen nur dann rechtlichen Schutz, wenn ein berechtigter Grund zu der Annahme bestand, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen, in den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen und sie diese über die vorgegeben internen oder externen Meldekanäle abgegeben haben.

Unter diesen Voraussetzungen verbietet das Gesetz jede Form von Repressalien, Diskriminierungen oder Benachteiligungen, § 33 ff. HinSchG. Die Hinweisgeber müssen bei einer ordnungsgemäßen Meldung keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen befürchten. Im Falle eines arbeitsrechtlichen Prozesses ist eine Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers vorgesehen, vgl. § 36 Abs. 2 HinSchG. Danach muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Zusammenhang mit der Meldung des Hinweises durch den Arbeitnehmer bestand. Bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien besteht ein Schadensersatzanspruch für Vermögensschäden des Hinweisgebers.

Bei Verstößen sind Sanktionierungen mit empfindlichen Geldbußen zwischen € 10.000,00 und € 50.000,00 vorgesehen, vgl. § 40 HinSchG. Für die Nicht-Einrichtung einer entsprechenden internen Meldestelle werden die Bußgelder erst mit einer Übergangsfrist von sechs Monaten und damit ab dem sechsten Monat nach Verkündung verhängt.

Die Bußgelder können sowohl die Verantwortlichen als auch (über § 30 OWiG) die jeweiligen Unternehmen betreffen. Achtung, bei bestimmten Verstößen kann sich das Bußgeld gegen das Unternehmen auch verzehnfachen, § 40 Abs. 6 S. 2 HinSchG!

Fazit: Dringender Handlungsbedarf!

Nach einem langen Hin und Her im Gesetzgebungsverfahren müssen die Unternehmen nun handeln. Dies bedeutet: Vor allem größere Unternehmen (ab 249 Mitarbeitern) müssen umgehend ein Hinweisgebersystem, das den Anforderungen des Hinweisgeber¬schutzgesetzes entspricht, implementieren, um insbesondere empfindliche Geldbußen zu verhindern. Aber auch kleine Unternehmen müssen sich auf die Neuregelungen einstellen, da Hinweisgebersysteme dort bisher ganz regelmäßig nicht bestehen und sie diese gesetzliche Verpflichtung bereits Ende 2023 treffen wird. Sofern solche Systeme vorhanden sind, erfüllen sie häufig zumindest nicht die nun verabschiedeten gesetzlichen Vorgaben. Insofern ist es ratsam, sich schnellstmöglich mit der Implementierung eines solchen Systems einschließlich der gesetzlichen Rahmenbedingungen auseinander zu setzen und Personen mit den anstehenden Aufgaben zu betrauen.

Hierfür bietet sich folgende Handlungsempfehlung an:

  • Prüfung der vorhandenen Meldekanäle auf Konformität beziehungsweise erstmalige Einrichtung eines neuen Meldesystems und Bestellung eines Projektverantwortlichen, der für die Implementierung zuständig ist.
  • Es sollte entschieden werden, ob der Betrieb der Meldestelle durch das Unternehmen selbst oder durch Dritte, etwa eine Anwaltskanzlei oder sonstige Dienstleister durchgeführt werden soll. Im Falle einer Auslagerung sind insbesondere die Vertraulichkeit und die datenschutzrechtlichen Anforderungen durch eine ADV sicherzustellen.
  • Zu den neuen Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes ist auch die Erfüllung arbeits- und datenschutzrechtlicher Anforderungen sicherzustellen. Der zuständige Datenschutzbeauftrage sollte unbedingt eingebunden werden.
  • Vor der erstmaligen Implementierung eines Systems, sollte überprüft werden, ob betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrecht betroffen sind. Daher sollten zuerst die Zuständigkeiten der in Betracht kommenden Verhandlungsgremien geklärt werden.
  • Für einen reibungslosen Ablauf und zur Sicherstellung der notwendigen Fachkunde sollten die Beschäftigten uns insbesondere Systemverantwortlichen hinreichend geschult werden, um etwaige Haftungsfälle wegen falscher Verwendung des Systems oder unzureichender Dokumentation etc. auszuschließen.
  • Insbesondere verwendete Klauseln zum Geheimnisschutz in den Arbeitsverträgen sollten überprüft werden, um die Gefahr gänzlich unwirksamer Klauseln zu beseitigen (Verbot geltungserhaltender Reduktion).

Zusammenfassung:

  • Unternehmen ab 250 Mitarbeitern: Es besteht eine Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgebersystems. Die Umsetzungsfrist lief am 02.07.2023 ab;
  • Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern: Auch diese Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern einen Meldekanal zur Verfügung stellen, allerdings haben sie dazu bis zum 17.12.2023 Zeit;
  • die Meldesysteme müssen sowohl eine schriftliche oder mündliche als auch eine persönliche Meldung von Vorfällen erlauben;
  • innerhalb von 7 Tagen muss ein Hinweis von der internen Meldestelle bearbeitet bzw. bestätigt werden;
  • spätestens 3 Monate nach Meldung müssen Hinweisgeber über die ergriffenen Maßnahmen informiert werden;
  • die Anwendungsbereiche des Hinweisgeberschutzgesetzes beziehen sich auf das EU-Recht und das nationale Recht;
  • das Hinweisgebersystem muss DSGVO-konform sein und die Identität des Hinweisgebers schützen. Das Angebot einer anonymisierten Abgabe von Meldungen wird ausdrücklich empfohlen, ist aber nicht verpflichtend und
  • bei Gesetzesverstößen müssen Unternehmen mit Bußgeldern von bis zu € 50.000,00 rechnen.

Das HinweisgeberschutzG dient der Etablierung eines internen Kommunikationsinstruments, um in einem Betrieb stattfindende Pflichtverletzungen und Regelverstöße aufzudecken.

Compliance ist nicht nur präventiv, sondern durchaus auch repressiv orientiert. Öffentliche Strafverfolgungsbehörden werden genau hinsehen, ob derlei betriebsinterne Aufklärungsmechanismen installiert, geschult und up to date gehalten worden sind. Am Standard dieser Instrumente kann sich dann auch ggfs. die Strafbemessung orientieren.

Für weitere Fragen steht die Kanzlei Michaelis gern zur Verfügung. Der Verfasser des Artikels, Herr Rechtsanwalt Timmermann und Herr Dr. Freitag für das Arbeitsrecht freuen sich, Sie weiterführend beraten zu dürfen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr,

Stephan Michaelis LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Verantwortlich für den Inhalt:

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Tel: +49 40 88888-777,Fax: +49 40 88888-737, www.kanzlei-michaelis.de

Der Betrug mit gefälschten Finanzportalen im Internet verursacht in Deutschland einen Milliardenschaden.

Nach Recherchen des Saarländischen Rundfunks (SR) haben Anleger in den vergangenen beiden Jahren durch sogenannten Cybertrading-Betrug mehr als eine Milliarde Euro verloren. Hinter den Portalen stecken hochorganisierte Banden – in einer ARD-Dokumentation gibt ein ehemaliges Mitglied exklusive Einblicke.

Es geht um Plattformen mit Namen wie Tradeinvest90, Zoomtrader oder Option888. Sie werden vornehmlich im Internet beworben. Anleger können sich bei den Plattformen anmelden, im Glauben, über die Portale Finanzwetten zu platzieren. Tatsächlich agieren die Plattformen aber rein betrügerisch, das Geld wird nicht investiert.

Dabei spielen Callcenter in Osteuropa eine wesentliche Rolle, Ermittler sprechen vom “Maschinenraum des Betrugs”. Von dort aus geben sich die Telefon-Agenten als Finanzmarktexperten aus. Sie versprechen den Anlegern gute Gewinne, indem sie auf fallende oder steigende Börsenkurse wetten – so genanntes “Cybertrading”. Außerdem erschleichen sich die Callcenter-Agenten das Vertrauen der Opfer, so dass diese möglichst viel Geld einzahlen.

Für die ARD-Fernsehdokumentation “I want more – Milliardenraub im Netz” ist es dem SR-Rechercheteam gelungen, exklusiv mit einem ehemaligen Mitarbeiter eines kriminellen Callcenters im Kosovo zu sprechen. Er bestätigt, dass das Geld der arglosen Anleger direkt in die Taschen der Betrüger floss und diese sich so ein Luxusleben leisten konnten.

Fotos und Videos der Täter, die dem SR zugespielt wurden, zeigen unter anderem Sportwagen, teure Uhren und Designerkleidung.

Auf der anderen Seite verlieren manche Opfer ihre komplette Existenz. Einige Betrogene haben Lebensversicherungen aufgelöst oder Kredite aufgenommen. Ein Betroffener, der auf diese Weise 300.000 Euro verlor, hat Suizid begangen.

Das saarländische Landeskriminalamt hat im Rahmen von internationalen Ermittlungen zwar einer Betrügerbande das Handwerk gelegt und fünf Plattformen abgeschaltet. Die Betrugsmasche läuft jedoch auf anderen Plattformen unvermindert weiter.

Verantwortlich für den Inhalt:

Saarländischer Rundfunk, Anstalt des öffentlichen Rechts, Funkhaus Halberg, 66100 Saarbrücken, Tel: 0681 / 6 02 – 0, www.sr.de

Altersrente oder Alterskapital? Diese Frage stellen sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer beim Übergang in den Ruhestand.

Denn viele Pensionszusagen sehen beide Varianten vor. Einige enthalten darüber hinaus auch Mischformen wie die Auszahlung in Form von mehreren Teilzahlungen. Dabei sollten Unternehmer die Steuer nicht aus dem Auge verlieren. Denn sonst drohen Steuervorteile verloren zu gehen. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs. Was bei der Auszahlung eines Alterskapitals zu beachten ist, erklärt Ines Mummert, Steuerberaterin bei Ecovis in Erfurt.

Welche Regeln gelten bei einer Auszahlung eines Alterskapitals?

Wer beim Übergang in den Ruhestand statt einer regelmäßigen Altersrente mit einer Auszahlung seiner Pensionszusage in Form eines Alterskapitals liebäugelt, der kann von steuerlichen Begünstigungen profitieren. „Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten können als Einmalzahlung als außerordentliche Einkünfte begünstigt sein. Das gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch bei anderer Auszahlungsaufteilung“, erklärt Ecovis-Steuerberaterin Mummert. „Achtung: Bei einer betrieblichen Altersvorsorge in Form einer Direktversicherung, Pensionskasse und eines Pensionsfonds handelt es sich auch bei einer Einmalauszahlung nicht um begünstige außerordentliche Einkünfte.“

Welche Ausnahmen gibt es?

Grundsätzlich erkennt das Finanzamt nur einmalige Zuflüsse als außerordentliche Einkünfte an. Ausnahmen von der Regel gelten:

bei Auszahlung einer nur geringfügigen Teilleistung (maximal zehn Prozent) im Folgejahr neben der überwiegenden, in einem Betrag gezahlten Leistung;

bei Entschädigungszusatzleistungen in Jahren nach der Hauptleistung aus Gründen der sozialen Fürsorge;

bei Festsetzung der Zahlung von vornherein in einer Summe und Verteilung der Zahlung auf zwei Jahre wegen ungewöhnlicher Höhe und besonderer Verhältnisse des Zahlungspflichtigen oder

wenn der Zahlungsempfänger dringend auf den Bezug von Vorauszahlungen angewiesen ist.

„Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zeigt, dass Abweichungen von diesen Ausnahmen zu höheren Steuern führen“, sagt Steuerberaterin Ines Mummert.

Was hat der Bundesfinanzhof jetzt geurteilt?

Der Bundesfinanzhof hat diese Ausnahmeregelungen in einem aktuellen Urteil bestätigt. Im vorliegenden Fall sagte ein Unternehmen seiner langjährigen Gesellschafterin zu, ihr mit Erreichen des Pensionsalters ein einmaliges Alterskapital statt einer regelmäßigen Altersrente zu zahlen. „Hier wäre natürlich eine ermäßigte Besteuerung der Vergütung in Betracht gekommen“, sagt Ecovis-Steuerberaterin Mummert. Weil die Auszahlung jedoch entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht als Einmalzahlung erfolgte, sondern in nicht nur geringfügigen Teilzahlungen über drei Kalenderjahre, war keine Ausnahmeregelung erfüllt. Der Anspruch auf eine steuerliche Begünstigung ging so verloren.

Tipp: Was sollten Sie jetzt tun?

Verlieren Sie bei der Gestaltung von Auszahlungsregelungen nicht die Steuer aus den Augen.

Beachten Sie die Ausnahmeregelungen, sollten Sie Abfindungen oder Alterskapital in mehreren Tranchen auszahlen wollen.

Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater über weitere individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, um den Übergang in den Ruhestand möglichst reibungslos zu gestalten.

Verantwortlich für den Inhalt:

Ecovis, Agnes-Bernauer-Straße 90, 80687 München, Tel: +49 89 5898 -266, Fax: +49 89 5898 -280, www.ecovis.com

Beitrag von Stephan Michaelis LL.M. ,Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Sehr geehrte Mandantinnen und Mandanten, liebe Versicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler, wenn Sie einen Bestand kaufen, kaufen Sie dann eventuell auch die Haftung aus dem Bestand gleich mit? Was ist ein Betriebsübergang und wann liegt der vor? Und hätten Sie in diesem Fall über Ihre Vermögensschadenhaftpflichtversicherung Versicherungsschutz? Diese Rechtsfragen erläutert Ihnen unser Kollege Rechtsanwalt Dr. Robert Boels in seiner nachfolgenden Ausarbeitung.

  1. Grundsatz der Einzelrechtsnachfolge des Asset Deals

Überträgt ein Versicherungsmakler seinen gesamten Kunden-Bestand oder einen Teil seines Bestandes durch einen Asset Deal, kann eine vollständige Haftungsübernahme des Käufers für Fehler des Vormaklers grundsätzlich vermieden werden, da der Käufer die Verträge mit den einzelnen Kunden lediglich fortsetzt. Für die Durchführung eines Asset Deals ist eine gute Vertragsdokumentation des veräußernden Versicherungsmaklers auch hinsichtlich bereits älterer Kunden-Verträge erforderlich. Denn es müssen für eine künftige Bearbeitung des Bestandes durch den Käufer die Rechte des Versicherungsmaklers aus den Verträgen, die den zu veräußernden Bestand betreffen, einschließlich der den Bestand selbst bildenden Einzelverträge mit den Kunden und dessen Vollmachten, nach §§ 398, 413 BGB auf den Käufer übertragen werden.

Die Veräußerung des Kunden-Bestandes durch einen Asset Deal bedarf zudem einer sehr engen rechtlichen Begleitung, damit weder bei Kunden noch bei dessen Vertragspartnern der Eindruck entsteht, der Käufer übernehme im Rahmen eines sog. „Betriebsübergangs“ die gesamten Rechtspositionen des Vormaklers (Gesamtrechtsnachfolge) oder er erkläre ungewollt „konkludent“ einen Schuldbeitritt und übernehme damit eine gesamtschuldnerische Haftung im Sinne des § 421 BGB für den Veräußerer!

  1. Was ist ein Betriebsübergang?

Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb als wirtschaftliche Einheit unter Wahrung seiner Identität auf einen neuen Inhaber übergeht und von diesem tatsächlich fortführt wird. Es bedarf also eines Wechsels der natürlichen oder juristischen Person, die den Betrieb unter Wahrung der Betriebsidentität in eigenem Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt. Tritt z.B. eine natürliche oder juristische Person in das Geschäft eines Einzelkaufmanns ein oder einer Personengesellschaft (z.B. GbR, oHG oder KG) als vertretungsberechtigter Gesellschafter bei, so haftet diese Person nach den Vorschriften der §§ 28 Absatz 1, 130 Abs. 1, § 173 HGB gleich den anderen Gesellschaftern für alle im Geschäftsbetrieb vor ihrem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten.

  1. Erfolgt ein Betriebsübergang auch durch Rechtsgeschäft, also Verkauf?

Ein Betrieb kann nicht nur durch einen Inhaberwechsel übergehen, sondern bereits dadurch, dass dies vertraglich– etwa in einem Bestandskaufvertrag per Asset Deal – oder in einem sonstigen rechtsgeschäftlichen Rahmen vereinbart wird. Aber auch andere Rechtsgeschäfte wie Schenkung, Pacht, Miete oder Nießbrauch können einen Betriebsübergang zur Folge haben.

Werden in einem Rechtsgeschäft etwa sämtliche Aktiva und Passiva eines Unternehmens übertragen, liegt ein Betriebsübergang vor. Mit der Übertragung sämtlicher materiellen und immateriellen Betriebsmittel auf den Käufer wird dieser zum neuen Betriebsinhaber.

Bei einem produzierenden Betrieb liegt ein Betriebsübergang bereits vor, wenn die Produktionsstätten veräußert werden. Bei Dienstleistungsbetrieben, wie einem Versicherungsmaklerunternehmen, ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Das Unternehmen hat keinen Maschinenpark oder Produktionshallen. Der Maklerbetrieb stützt sich auf Fachwissen der Geschäftsleitung und der Mitarbeiter, auf Kundenbeziehungen und auf feststehende Arbeitsabläufe.

In ständiger Rechtsprechung nehmen die Gerichte einen Betriebsübergang an, wenn eine wirtschaftliche Einheit übertragen wird (so EuGH, Urt. v. 11.3.1997, Az.13/95; BAG, Urt. v. 27.02.2020, Az. 8 AZR 215/19). Ein Betriebsübergang wird demnach bereits dann angenommen, wenn nicht der gesamte Betrieb, sondern nur ein Betriebsteil einem neuen Inhaber übertragen wird, der eine wirtschaftliche Einheit bildet. Daher sollte zur Vermeidung des Anscheins eines Betriebsübergangs bei der Gestaltung des Bestandskaufvertrages darauf geachtet werden, dass neben den zu übertragenden Kunden-Beständen möglichst keine weiteren Assets übertragen werden, die mit diesen eine „wirtschaftliche Einheit“ bilden.

Das Risiko der Annahme eines Betriebsübergangs und der damit einhergehenden Haftungsfolgen steigt, wenn Betriebsmittel wie Räumlichkeiten, Mobiliar, Arbeitsmittel, EDV etc. übernommen werden, wenn Urheber- oder Markenrechte mit übertragen werden, wenn die Tätigkeiten nach der Übertragung ähnlich verrichtet werden, wie etwa durch Weiternutzung des Maklerverwaltungsprogramms oder wenn Personal zur Betreuung der Kundenbestände übernommen wird.

Gegen die Annahme eines Betriebsübergangs sprechende Umstände sollten im Bestandskaufvertrag ausdrücklich hervorgehoben werden. So könnte ein Betriebsübergang abzulehnen sein, wenn der Verkäufer seine wirtschaftliche Betätigung nicht einstellt oder keine Arbeitnehmer übernommen werden, die die Bestandsbetreuung fortsetzen.

Auch wenn der Käufer den Kunden-Bestand fortan unter ähnlicher Firmierung betreut (ungeachtet der rechtlichen Zulässigkeit), kann ein Betriebsübergang angenommen werden. Schließlich wissen weder der Kunde noch sonstige Vertragspartner, dass lediglich die Kunden-Bestände übertragen wurden. Entscheidend ist, ob nach der Verkehrsanschauung trotz der leichten Namensänderung noch von derselben Firma ausgegangen wird und nach Treu und Glauben eine Kontinuität, auch der Haftung, erwartet werden darf. Zusätzlich können Werbeangaben (Anzeigen, Werbeschriften oder Schilder in der Außenwerbung als Indizien für eine Betriebsfortführung herangezogen werden.

Der Käufer sollte zudem vermeiden, einen sog. Rechtsschein zu setzten, das heißt, nach dem Bestandskauf durch sein Verhalten den Anschein zu erwecken, die Betriebsfortführung übernommen zu haben. Behauptet beispielsweise der wenig bekannte und erfolglose Käufer wahrheitswidrig, das florierende Maklerunternehmen des Verkäufers übernommen zu haben, um mit dessen Namen zu werben und damit Makleraufträge für sich zu gewinnen, dann läuft er große Gefahr, auch für Altverbindlichkeiten des Verkäufers aus einem „Betriebsübergang“ zu haften.

  1. Kann ein Betriebsübergang rückgängig gemacht werden?

Weder eine Unwirksamkeit des Bestandskaufes noch ein vereinbartes Rücktrittsrecht, lassen einen Betriebsübergang entfallen (BAG, Urt. v. 31.01.2008, Az. 8 AZR 2/07). Tatsächliche Umstände, wie eine Übertragung des Kunden-Bestandes, können nicht durch eine Rückübertragung aus der Welt geschafft werden. Rechtliche Mängel einer Schuldübernahme sind nach § 417 Abs. 2 BGB unerheblich. Daher bleibt es ggf. beim haftungsbegründenden Betriebsübergang, auch wenn Kundenbestände nach Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechtes rückübertragen werden oder der Bestandskaufvertrag mangels Bestimmbarkeit des Kaufpreises, wegen Scheingeschäfts, Sittenwidrigkeit, Verstoß gegen ein Verbotsgesetz oder aus anderen Gründen nach §§ 117, 138, 134 BGB wirksam angefochten wird.

  1. Haftungsfolgen des Käufers bei Annahme eines Betriebsübergang

Bei jedem Betriebsübergang gehen z.B. gem. § 613a BGB alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen des übergegangenen Betriebes automatisch auf den Erwerber über. Übernimmt der Käufer beispielsweise den Kunden-Bestand eines Maklerunternehmens mit drei Angestellten und noch ausstehenden Lohnforderungen, so haftet der Käufer für diese Lohnforderungen nach § 613a BGB i.V.m. dem jeweiligen Arbeitsvertrag. Im Bestandskaufvertrag sollte daher ausdrücklich erklärt werden, dass keine Arbeitsverhältnisse bestehen, die übergehen könnten und vorsorglich vereinbart werden, dass etwaige Verpflichtungen aus laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und aus unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedener Mitarbeiter auf Leistung der betrieblichen Altersversorgung bei dem Verkäufer verbleiben. Andernfalls sollte der Verkäufer dem Käufer die Freihaltung auf erstes schriftliches Anfordern erklären und sich zum Ersatz aller eventueller Schäden verpflichten.

Der Käufer haftet bei einem Betriebsübergang gem. § 75 AO immer auch für Steuerschulden des Betriebs, die im letzten Jahr vor der Veräußerung entstanden sind (insbesondere Umsatzsteuer, Lohnsteuer und Gewerbesteuer), allerdings anders als bei § 25 HGB nur mit dem Betriebs- und nicht mit dem Privatvermögen. Daher sollte der Verkäufer den Käufer im Bestandskaufvertrag vorsorglich von jeglicher Haftung, insbesondere der gemäß § 75 AO ausdrücklich freistellen.

Haften der Verkäufer und der Käufer aufgrund eines anzunehmenden Betriebsübergangs gesamtschuldnerisch, so können die Kunden und Vertragspartner ihre Ansprüche wahlweise entweder gegen Verkäufer oder den Käufer in vollem Umfang geltend machen. Wen von beiden sie dabei auswählen, liegt in ihrem freien Ermessen. Während die Haftung des Verkäufers nach § 160 Abs. 1 HGB auf fünf Jahre begrenzt ist (Nachhaftung), haftet der Käufer dann weiterhin nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften für Schäden aus Vertragspflichtverletzungen drei Jahre ab Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, jedoch maximal zehn Jahre.

Für den Käufer besteht also nach Ablauf der Nachhaftung des Vormaklers das Risiko, als allein verbliebener Schuldner in Anspruch genommen zu werden. Diesen Schaden kann der Käufer dann auch nicht von seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung ersetzt bekommen, da die Versicherung frühere Pflichtverletzungen des Vormaklers vermutlich nicht umfasst. Daher bleiben dem Käufer in diesen Fällen nur die Streitverkündung im Prozess, sowie der anschließende Regress bei dem hoffentlich solventen Vormakler und seiner Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Vorsorglich sollte sich der Verkäufer im Bestandskaufvertrag dazu verpflichten, persönlich für die Befriedigung von Haftungsansprüchen einzustehen, die aus einer falschen oder unterlassenen Beratung gegenüber seinen Kunden resultieren und Ansprüche wegen Pflichtverletzung, die den Zeitpunkt ihrer Entstehung vor der Übertragung des Kunden-Bestandes hatten, zu tragen. Eine eventuelle Mithaftung des Käufers sollte im Bestandkaufvertrag ausdrücklich abbedungen werden.

Zur Abwendung der wirtschaftlichen Folgen könnte es für den Käufer auch bei einem Bestandskaufvertrag sinnvoll sein, seinen Vertrag mit der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, um eine Subsidiär-Deckung oder eine Rückwärtsversicherung hinsichtlich des erworbenen Kunden-Bestandes zu erweitern. Der Vorteil einer solchen Versicherungslösung wären die feststehenden Kosten, die dann bereits bei Vertragsschluss bei der Ermittlung des Kaufpreises berücksichtigt werden können.

  1. Fazit

Bei einem Bestandskaufvertrag geht also nicht automatisch die Haftung auf den Erwerber über. Es empfehlen sich aber klare Regelungen innerhalb des Bestandskaufvertrages, dass die Haftung beim Veräußerer verbleibt, sodass gegebenenfalls seine Berufshaftpflichtversicherung eintrittspflichtig bleibt.

Erwerben Sie aber eine „wirtschaftliche Einheit“, mit weiteren Betriebsmitteln oder Arbeitskräften, so kann dies als Betriebsübergang bewertet werden. Dies hätte dann zur Folge, dass Sie auch für die Beratungshaftung und sonstige Altverbindlichkeiten hinsichtlich der übernommenen (Alt-) Verträge einzustehen hätten.

Der Bestandskaufvertrag sollte also so konzipiert sein, dass aus der vertraglichen Regelung heraus kein Betriebsübergang anzunehmen ist. Korrespondierend dazu muss natürlich auch das tatsächliche Verhalten des Erwerbers sein. Fehlt es an einem Betriebsübergang, fehlt es auch an der Haftung für Altverbindlichkeiten!

Verantwortlich für den Inhalt:

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Tel: +49 40 88888-777,Fax: +49 40 88888-737, www.kanzlei-michaelis.de

Einträge zu Privatinsolvenzen werden künftig nach sechs Monaten gelöscht

Die Auskunftei Schufa gibt dem Druck der Verbraucher und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nach und verkürzt die Speicherdauer für Einträge zu abgeschlossenen Privatinsolvenzen von drei Jahren auf sechs Monate. Im Vorfeld hatte am EuGH der Generalanwalt Priit Pikamäe in seinen Schlussanträgen am 16. März 2023 bereits angedeutet, dass die lange Speicherdauer von drei Jahren dem europäischen Datenschutz widerspricht (Az.: C-634/21). Der Bundesgerichtshof (BGH) setzte zeitgleich am 28. März 2023 ein entsprechendes Schufa-Verfahren aus, um die endgültige Entscheidung des EuGH in der Sache abzuwarten. Die Schufa reagierte somit auf die jüngsten juristischen Entwicklungen und erleichtert den Start für ehemalige insolvente Verbraucher zurück ins Geschäftsleben. Durch negative Schufa-Einträge haben Verbraucher oftmals Schwierigkeiten, Kreditverträge abzuschließen oder Wohnungen anzumieten. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer bietet Verbrauchern mit Schufa-Problemen eine kostenlose Erstberatung im Online-Check an. Mehr Infos zum Thema Schufa gibt es auf unserer speziellen Website.

Geschäftsmodell der Schufa steht am EuGH auf der Kippe

Wer einen Kredit benötigt, eine neue Wohnung anmieten oder gar ein Haus bauen oder kaufen möchte, der wird schnell mit der Schufa konfrontiert. Banken, Telekommunikationsdienste oder Energieversorger überprüfen meist bei privaten Auskunfteien wie der Schufa die Kreditwürdigkeit einer Person. Dieses lukrative Geschäftsmodell der Auskunftei Schufa steht jetzt auf der Kippe.

Zum einen verstößt die Erstellung des sogenannten Score-Wertes für die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern nach Ansicht eines Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und damit gegen Europarecht. Und zum anderen stößt die Dauer der Datenspeicherung auch auf Kritik am EuGH. Die Schufa dürfe Daten aus öffentlichen Verzeichnissen – wie beispielsweise die Register der Insolvenzgerichte – nicht länger speichern als das öffentliche Verzeichnis selbst, erläuterte Generalanwalt Priit Pikamäe am 16. März 2023 in seinen Schlussanträgen (Az.: C-634/21). Mit dem Urteil wird in einigen Monaten gerechnet. Im Mittelpunkt stehen mehrere Verfahren aus Deutschland. Die Schlussanträge sind für das Gericht nicht bindend, oft folgen sie ihnen aber. Mit der Reduzierung der Speicherdauer ist jetzt die Schufa einem Urteil zuvorgekommen.

Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die entsprechenden Verfahren am EuGH noch einmal kurz zusammen:

Im ersten Rechtsstreit (Rechtssache C-634/21) verlangt der Kläger von der Schufa, seinen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren. Ihm war ein Kredit verwehrt worden. Die Schufa stellte sich jedoch quer, gab ihm nur seinen Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung bekannt. Daraufhin klagte der Verbraucher. Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden legte den Fall dem EuGH vor. Das VG interessiert sich besonders für die Frage, ob es sich bei dem Schufa-Scoring um eine automatisierte Verarbeitung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 DSGVO handelt. Entscheidungen mit rechtlicher Wirkung dürfen nach dieser Norm, nicht nur durch die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden. Doch genau so verhält sich das Scoring nach Ansicht des Generalanwalts. Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Kreditwürdigkeit stellt eine solche verbotene automatische Entscheidung dar. Dabei spielt es keine Rolle, wenn beispielsweise Banken endgültig entscheiden, ob die Person kreditwürdig sei.

Mit dem Thema Restschuldbefreiung nach einer Insolvenz beschäftigen sich zwei weitere Verfahren (Az.: C-26/22 und C-64/22). Privatleute haben die Möglichkeit, sich durch eine Verbraucherinsolvenz innerhalb eines begrenzten Zeitraums von ihren Schulden zu befreien, auch wenn sie nicht alles zurückzahlen können. Am Ende eines erfolgreichen Verfahrens steht die sogenannte Restschuldbefreiung. Alle nicht getilgten Schulden werden dabei erlassen. Die Privatinsolvenz soll Verbrauchern zum Neustart verhelfen. Daher löschen Insolvenzgerichte öffentliche Informationen über Privatinsolvenzen nach einem halben Jahr. Die Schufa löscht die Einträge in ihrem eigenen Register allerdings erst nach bis zu drei Jahren.

Das lange Aufbewahren der Daten über private Insolvenzen wertet der EuGH-Generalanwalt als rechtswidrig. Ziel der Restschuldbefreiung sei es, dass die Betreffenden sich wieder am Wirtschaftsleben beteiligen können. Das würde vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien die Daten über die Insolvenz länger speichern dürften. Betroffene hätten deshalb das Recht, von der Schufa zu verlangen, dass die Daten unverzüglich gelöscht werden.

DSGVO stärkt Verbraucherrechte gegen Auskunftei Schufa

Bis zur Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 konnten nach geltender Rechtsprechung Auskunfteien nach Erteilung der Restschuldbefreiung die beendete Privatinsolvenz für insgesamt drei Jahren speichern und in ihrer Bonitätsbewertung (Score) berücksichtigen. Mit Einführung der DSGVO kam neue Bewegung in die Diskussion. Denn nach Artikel 17 Abs. 1 DSGVO kann eine Löschung unter anderem dann verlangt werden, wenn die Verarbeitung nicht rechtmäßig und nach dem Verarbeitungszweck nicht mehr notwendig ist oder wegen einer besonderen persönlichen Situation. Gerade die persönliche Situation nach einer Insolvenz ist für Verbraucher heikel. Ein negativer Schufa-Eintrag, der sich auf die abgeschlossene Insolvenz bezieht, behindert in jedem Fall den vom Gesetzgeber gewollten Neustart des ehemaligen Schuldners.

Die DSGVO stärkt aus Sicht der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer die Rechte der Verbraucher auch gegen Auskunfteien wie die Schufa. Die Kanzlei rät Verbrauchern, die Probleme mit Schufa-Angelegenheiten haben, daher zur anwaltlichen Beratung. Im kostenfreien Online-Check und der kostenlosen Erstberatung zeigen wir Möglichkeiten auf, wie Schufa-Einträge geprüft und gelöscht werden können.

Dr. Stoll & Sauer gehört zu den führenden Kanzleien

Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien in Deutschland. Mit der Expertise von 37 Anwälten und Fachanwälten steht die Kanzlei in allen wichtigen Rechtsgebieten den Mandanten in den Standorten Lahr, Stuttgart, Kenzingen und Ettenheim zur Verfügung. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht sowie den Abgasskandal spezialisiert. Hinzu kommen die Themen Arbeits-, IT-, Versicherungs-, Reise-, Sozial-, Arbeits-, Verkehrs- und Verwaltungsrecht. Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führten die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG, handelten für 260.000 Verbraucher einen 830-Millionen-Vergleich aus. Aktuell führen die Inhaber in einer Spezialgesellschaft die Musterklage gegen die Mercedes-Benz Group AG.

Verantwortlich für den Inhalt:

Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einsteinallee 1/1, 77933 Lahr,Tel: 07821 / 92 37 68 – 0, www.dr-stoll-kollegen.de

Erhebliche Darlehensrückforderung kann hinfällig werden – erst Buchauszug, dann Provisionsrückforderung

Wird ein Handelsvertreter aus Anlass einer Kündigung zu erheblichen Rückzahlungen verpflichtet (hier: 54.937,47 €), dann können ihn solche Vereinbarungen zumindest mittelbar von einer Kündigung abhalten. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis verstößt aber gegen § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB und ist unwirksam, wie der BGH in einer aktuellen Entscheidung vom 19.01.2023 zum Geschäftszeichen VII ZR 787/21 entschieden hat.

In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt erhielt der Handelsvertreter eines Möbelunternehmens für seine Tätigkeit pauschale Provisionsvorschüsse. Hierzu war zunächst vereinbart, dass die Vorschüsse mit den tatsächlichen von dem Handelsvertreter erwirtschafteten Provisionen verrechnet würden. Allerdings schaffte er es nicht, diese Vorschüsse mit den verdienten Provisionen auszugleichen. Bei Beendigung des Vertrages betrug der Saldo fast 55.000 Euro. Schon während der Vertragslaufzeit wurde vereinbart, dass der Saldo als Darlehen gewährt und  mit 3,5 % p.a. verzinst würde und mit Beendigung des Handelsvertretervertrages in voller Höhe zurückgezahlt werden muss. Das Unternehmen verklagte den Vertreter nun auf Rückzahlung des Darlehens nebst Zinsen.

Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht gab der Klage statt. Der BGH gab dem Handelsvertreter zumindest vorläufig Recht.

Er führte aus, dass jede Partei das Recht zu einer fristlosen Kündigung hat und dieses Recht auch nicht mittelbar eingeschränkt werden darf. Hierbei handele es sich, so der BGH um eine „Schutzvorschrift des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters“. Dieser wird mittelbar von einer Kündigung abgehalten, wenn an die Kündigung schwere Nachteile geknüpft werden, wie beispielsweise erhebliche Zahlungsverpflichtungen. Daran ändert sich laut BGH auch nichts dadurch, dass die Parteien wegen der Rückforderungen ein Darlehen geschlossen haben. Diesem Darlehen lag kein konkreter Kreditbedarf des Handelsvertreters zugrunde, so dass es der ursprünglichen Abrede- sofortige Rückzahlung – gleichzustellen war. Der BGH geht sogar noch weiter: Sofern eine unzulässige Kündigungserschwernis vorliege, führe dies nicht nur zur Unwirksamkeit der Regelung, dass das Darlehen mit Beendigung des Handelsvertretervertrages sofort zur Rückzahlung fällig werde. Vielmehr müsse der Handelsvertreter das Darlehen dann überhaupt nicht zurückzahlen. Der BGH verwies die Sache wieder zurück an das Oberlandesgericht, damit dies weitere Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob die finanziellen Nachteile so schwer sind, dass eine unzulässige Kündigungserschwernis vorliegt.

Bemerkenswert ist auch noch ein weiterer vom BGH in dem Urteil am Rande entschiedener Aspekt: Danach steht ein vom Handelsvertreter geltend gemachtes, aber vom Unternehmer noch nicht erfülltes Buchauszugsbegehren, der Fälligkeit der Forderung auf Rückzahlung des Provisionsvorschusses entgegen. Dem Unternehmer steht wegen der Provisionsrückforderung kein Zurückbehaltungsrecht zu. Vielmehr ist er wegen des Buchauszuges vorleistungspflichtig. Denn anhand der Angaben im Buchauszug soll der Handelsvertreter prüfen können, ob die Provisionsrückforderung überhaupt berechtigt ist.

Der BGH bleibt damit seiner bisherigen Rechtsprechung und der Rechtsprechung der Instanzengerichte treu. „Wir erleben es häufig, dass in Handelsvertreterverträge der Finanz- und Versicherungsbranche ähnliche Vereinbarungen enthalten sind.“ so Rechtsanwalt Tobias Strübing von der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Hier muss dann immer im Einzelfall geprüft werden, ob diese Forderungen berechtigt sind. „In jedem Fall sollten Handelsvertreter solche Forderungen nicht einfach hinnehmen, sondern erst einmal einen Buchauszug einfordern und am besten sondern rechtlich prüfen lassen.“, so Strübing weiter. Besteht ein Unternehmen gleichwohl auf die Bezahlung, dann kann darin durchaus auch ein Grund zu einer fristlosen Kündigung gesehen werden.

Über Wirth-Rechtsanwälte:

Seit 1998 vertrauen anspruchsvolle Mandanten in Rechtsfragen auf die Kompetenz der bundesweit tätigen Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte. Die in der Kanzlei tätigen Anwälte haben sich insbesondere auf das Versicherungs-, Vertriebs- und Bank- und Kapitalmarktrecht sowie gewerblichen Rechtschutz und Datenschutz spezialisiert.

Verantwortlich für den Inhalt:

Wirth­ Rechtsanwälte, Carmerstr. 8, D­-10623 Berlin, Tel: 030 ­ 319 805 44 0, Fax: 030 ­ 319 805 44 1, www.wirth-­rechtsanwaelte.com

Mercedes-Benz, der Stuttgarter Autobauer von Weltruf, hat vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine schwere Schlappe erlitten.

Das Gericht urteilte, dass Mercedes auch für fahrlässige Rechtsverstöße gegen die europäischen Zulassungsbestimmungen haftet. Dies bedeutet eine deutlich erweiterte rechtliche Verantwortung für alle Hersteller, die sich sowohl auf schon anhängige als auch auf neue Klageverfahren auswirkt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 21.03.2023 in der Rechtssache C-100/21 ein Urteil gesprochen, das für alle von Abgasmanipulationen betroffenen Autokäufer hohe Relevanz hat. Das Gericht bestätigte die Ansicht des EuGH-Generalanwalts Rantos und entschied, dass die maßgebliche EU-Verordnung Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen jeden einzelnen Käufer schützt.

Das heißt: Betroffene haben einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Autohersteller, die illegale Abschalteinrichtungen verwendet haben und müssen dafür nicht mehr den Vorsatz der Hersteller nachweisen, sondern lediglich deren Fahrlässigkeit.

Konflikt zwischen BGH und EuGH schwelt schon länger

Brisant ist, dass der Bundesgerichtshof (BGH) sich bisher gegen gegen eine solche Anwendung der EU-Verordnung gesperrt hatte und damit Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB nur bejaht wurden, wenn der Vorsatz der Autobauer belegt werden konnte. Die Karlsruher Richter hatten dabei sogar eine Vorlage an den EuGH verweigert, weil sie die Rechtsfragen für ausreichend geklärt hielten. Erst aufgrund einer Vorlage des Landgerichts Ravensburg, die das Bundesgericht sehr kritisch sah, befasste sich der EuGH mit der Materie.

Dr. Veaceslav Ghendler, Partner der Kanzlei GHENDLER RUVINSKIJ hat dazu seine eigene Meinung: “Mir scheint es fast so, als dass der Bundesgerichtshof hier mehr die Gewinne der Großkonzerne verteidigt, als das Recht. Anders ist die Art und Weise, wie der BGH immer wieder Vorlageverfahren blockiert, kaum zu erklären. Ich hoffe, dass in Karlsruhe nun endlich ein Umdenken stattfindet.”

Das aktuelle Verfahren hat das Luxemburger Gericht genutzt, um ein Machtwort zu sprechen, dem der BGH sich kaum entziehen kann. Doch der Krimi ist noch nicht auserzählt. Der nächste Teil wird am 8. Mai 2023 erwartet, wenn der BGH zu einer ähnlichen Angelegenheit verhandelt. Wird sich das höchste deutsche Gericht dem Druck der Luxemburger Richter beugen? Oder kommt es zur Eskalation?

Geht es nach der rechtlichen und gerichtlichen Hierarchie, dann ist die Sache eindeutig. Europäisches Recht genießt hier den Vorrang vor nationalen Regelungen. Mit dem Resultat, dass der BGH seine bisherige Rechtsprechung aufgeben müsste und klarzustellen hätte, dass der Beweis der Fahrlässigkeit bei dem Verbau von Abschalteinrichtungen ausreicht.

Position für Geschädigte hat sich deutlich verbessert

Klar ist schon jetzt. Die Rechtsposition der geschädigten Autokäufer hat sich deutlich verbessert. Die Chancen auf ein positives Ende des Verfahrens und damit auf die Zahlung von Schadensersatz steigen durch die Haftung für Fahrlässigkeit deutlich an. Und auch das Thema Nutzungsentschädigung, dass der EuGH gleichfalls kritisch betrachtete, dürfte durch das Urteil zugunsten der Käufer beeinflusst werden.

Dazu kommt, dass durch Feststellung der Anwendbarkeit von EU-Recht auch das Thema Verjährung im anderen Licht erscheint. Denn der EuGH hat in den letzten Jahren immer wieder klargestellt, dass die Wahrnehmung von EU-Recht nicht durch nationale Vorschriften behindert werden darf. Vielmehr muss Verbrauchern eine faire Chance auf Wahrnehmung Ihrer Rechte gewährt werden.

Nimmt man diese Rechtsprechung für bare Münze, dann müssten sich auch Altfälle, die anderenfalls verjährt wären, über den Verstoß gegen EU-Verordnung Nr. 715/2007 noch ins Verfahren bringen lassen. Eine Möglichkeit, die den Autoherstellern gar nicht schmecken dürfte und die noch weiterer rechtlicher Erwägungen bedarf.

Dr. Ghendler hat hier eine klare Ansage an die Autohersteller: “Wir verfolgen jeden Anspruch, der Aussicht auf Erfolg hat. Die Hersteller werden sich nicht verstecken können.”

Ob wirklich eine neue Klagewelle anrollt, wie viele Medien und Kommentatoren erwarten, ist noch völlig offen. Die Anwaltschaft jedenfalls ist darauf vorbereitet, das in die Realität umzusetzen, was das höchste europäische Gericht für Recht erkannt hat.

Verantwortlich für den Inhalt:

KRAUS GHENDLER RUVINSKIJ Anwaltskanzlei, Aachener Str. 1, 50674 Köln, Tel: 0221 / 986 584 92, www.anwalt-kg.de

Es gibt leider viele falsche Einschätzungen rund um das Thema Vorsorgevollmacht.

Wir erklären fünf weit verbreitete Irrtümer, erläutern eine gesetzliche Neuerung und geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen. Daher ist es ratsam, vorsorglich zu handeln und einer Person (oder mehreren Personen) des Vertrauens in gesunden Tagen eine Vorsorgevollmacht zu erteilen. Sollten Sie einmal nicht mehr in der Lage sein, selbst zu entscheiden, kann diese Person dann in Ihrem Sinne Angelegenheiten für Sie regeln und direkt handeln. Es lässt sich auch festlegen, was dem*der Bevollmächtigten nicht erlaubt werden soll. Dafür müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt und Regeln beachtet werden.

  1. Ehepartner*innen sind immer automatisch vertretungsbefugt.

Für Ehe- oder Lebenspartner*innen galt bisher, dass sie ohne gültige Vorsorgevollmacht nicht automatisch gesetzliche Vertreter*innen waren und eine rechtsgültige Bevollmächtigung per Vollmacht benötigten. Eine automatische Vertretungsberechtigung besitzen nur Eltern gegenüber ihren minderjährigen, nicht geschäftsfähigen Kindern oder Vormünder im Verhältnis zu ihren Mündeln oder eben Betreuer*innen im Verhältnis zu ihren Betreuten.

Seit dem 01.01.2023 gilt das sogenannte Ehegatt*innenvertretungsrecht. Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen können einander in Gesundheitsangelegenheiten kraft Gesetzes für die Dauer von sechs Monaten gegenseitig vertreten, wenn sich ein*e Ehegatt*in oder Lebenspartner*in infolge von Krankheit oder Unfall vorübergehend nicht um ihre*seine Angelegenheiten kümmern kann. Liegt eine Betreuung oder eine gültige Vorsorgevollmacht vor, dann ist das Vertretungsrecht der Ehegatt*innen und Lebenspartner*innen ausgeschlossen.

Um Ihrem*Ihrer Ehegatt*in oder Lebenspartner*in eine entsprechende Vorsorgevollmacht erteilen zu können, bedarf es der Geschäftsfähigkeit. Den Umfang der Vollmacht können Sie dabei frei bestimmen. Damit die bevollmächtigte Person alle denkbaren Angelegenheiten erledigen kann, empfiehlt sich, eine möglichst umfassende Bevollmächtigung zu erteilen. Üblicherweise wird die Befugnis erteilt, “in allen vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten für den*die Vollmachtgeber*in tätig zu werden”. Ist eine rechtsgültige Vorsorgevollmacht vorhanden, lässt sie sich auch gut mit einer sogenannten Betreuungsverfügung verbinden. Die Einsetzung eines*einer Betreuers*Betreuerin im Not- oder Ernstfall durch ein Betreuungsgericht könnte somit entbehrlich werden und ein möglicherweise notwendiges richterliches Verfahren mit ärztlicher und psychiatrischer Begutachtung könnte entfallen. Wichtige Angelegenheiten des Vollmachtgebers oder der Vollmachtgeberin können in diesem Fall durch eingesetzte Bevollmächtigte erledigt werden. Der Umfang bemisst sich im Einzelfall daran, ob eine Vollmacht für Einzelfälle oder eine General- und Vorsorgevollmacht oder ob gegebenenfalls eine notariell beglaubigte Vollmacht erteilt wurde.

  1. Durch die Vorsorgevollmacht ist auch meine Gesundheitsvorsorge vollständig abgedeckt.

Eine Vorsorgevollmacht kann die medizinisch und pflegerisch erforderlichen Maßnahmen zwar regeln, aber wenn Sie sichergehen wollen, dass Ihr Wille berücksichtigt wird, ist eine Patientenverfügung notwendig. Darin kann detailliert festgelegt werden, welche Maßnahmen nach Unfällen oder Erkrankungen getroffen werden sollen, sollten Sie zum etwaigen Zeitpunkt keine eigenständigen Entscheidungen mehr treffen können. Nur eine korrekte und gültige Patientenverfügung sichert Ihnen im Notfall Ihr gewünschtes Recht auf Selbstbestimmung zu.

Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie eine Vertrauensperson Ihrer Wahl bestimmen, Sie in persönlichen Angelegenheiten zu unterstützen, sollten Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt dazu nicht mehr selbstständig in der Lage sein. Das kann zum Beispiel Ihre Finanzen betreffen, gerichtliche Angelegenheiten oder auch Fragen zu Ihrem Wohnraum meinen. Verfügen Sie über eine Patientenverfügung UND haben Sie eine Vorsorgevollmacht, dann hat der*die Bevollmächtigte der Vorsorgevollmacht dafür Sorge zu tragen, dass die Patientenverfügung durchgesetzt wird. Das gilt auch im Rahmen eines Ehegatt*innenvertretungsrechts. So ist laut § 1901 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 BGB zu prüfen, ob die Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation anzuwenden ist, was bei Bejahung eine Durchsetzung des Patientenwillens nach sich ziehen würde.

Ist keine Patientenverfügung vorhanden oder trifft diese nicht zu, ist der Wille des*der Patient*in festzustellen. Seine*ihre Wünsche sind durch konkrete Annahmen zu ermitteln, wobei frühere Willensäußerungen und Wertvorstellungen zu berücksichtigen seien. Sollten Sie mit Hilfe der Vorsorgevollmacht, an Stelle einer Patientenverfügung, auch gesundheitliche Fragen für sich regeln wollen, sollten diese aus Gründen der Klarheit und der Beweiskraft schriftlich verfasst werden.

  1. Eine Vorsorgevollmacht ist nur mit notarieller Beglaubigung wirksam und rechtsgültig.

Eine volljährige, geschäftsfähige Person kann eine Vollmacht grundsätzlich formfrei verfassen. Im Gegensatz zur Patientenverfügung ist diese auch mündlich bindend. Es ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit zu empfehlen, die von Ihnen bevollmächtigte Vertrauensperson privat(hand-)schriftlich festzuhalten. Die Vollmacht erhält dann ihre Rechtsgültigkeit durch Ihre Unterschrift. Für das rechtssichere Verfassen können Sie z.B. Druckvorlagen von Rechtsverlagen oder des Bundesjustizministeriums oder zertifizierte Online-Anbieter nutzen. Die notarielle Beglaubigung durch Beurkundung der von Ihnen verfassten Vollmacht ist dann erforderlich, wenn der*die Bevollmächtigte Sie z.B. in Immobiliengeschäften vertreten soll. Dafür reicht dem*der Bevollmächtigten keine Kopie, um Sie vertreten zu können. Diese von Ihnen erstellte Vorsorgevollmacht kann jederzeit ohne Angaben von Gründen widerrufen werden, sollten sich Ihre Wünsche oder das Vertrauensverhältnis zum*zur Bevollmächtigten ändern. In diesem Zuge sollte die Heraus-, bzw. Rückgabe der Vollmacht verlangt werden.

  1. Eine Vorsorgevollmacht wird erst im Vorsorgefall wirksam.

Eine Vorsorgevollmacht entfaltet für den Bevollmächtigten in der Regel mit Erhalt des Originals ihre Wirksamkeit, es sei denn, Sie haben explizit andere Vereinbarungen getroffen: Sie lassen sich also erst ab dem Zeitpunkt vertreten, wenn Sie selbst nicht mehr in der Lage sind, eigenständig über Ihre Angelegenheiten zu entscheiden. Daher spielt hohes Vertrauen in die von Ihnen bevollmächtigte Person eine wichtige Rolle bei der Ausstellung einer Vollmacht. Missbrauchsrisiken können durch ergänzende Klauseln minimiert werden. So können Sie z.B. die Vorlage eines ärztlichen Attests über ihren Gesundheitszustand zur Bedingung für die Verwendung der Vorsorgevollmacht machen. Eine zu erfüllende Zusatzklausel kann im Notfall wiederum zu unerwünschten, zeitlichen Verzögerungen führen. Sie sollten daher beim Verfassen eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile in Betracht ziehen.

Ihre Gültigkeit verliert die Vorsorgevollmacht grundsätzlich erst, wenn sie von Ihnen widerrufen wird, was jederzeit möglich ist. Weitere Bestimmungen können in der Vollmacht selbst geregelt werden. Eine Vorsorgevollmacht kann auch über den Tod hinaus Gültigkeit besitzen und den*die Bevollmächtigte*n auch nach dem Ableben des*der Vollmachtgebenden zur Regelung seiner*ihrer Angelegenheiten verpflichten. Dabei müssen aber in der Regel auch die Interessen der Erben berücksichtigt werden, welchen in diesem Fall auch die Widerrufsmöglichkeit zufällt.

  1. Vorsorgevollmachten decken alle Bank- und Geldgeschäfte ab.

Das stimmt leider nur theoretisch. Banken können sich jedoch weigern, eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht anzuerkennen und pochen in der Regel auf eine separate Bankvollmacht des jeweiligen Kreditinstituts. Das geschieht, weil Banken in der Praxis die Rechtsgültigkeit einer privatschriftlichen Vorsorgevollmacht oder die fehlende Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers nicht überprüfen (können). Um Streitfälle daher von vorneherein auszuschließen, sollten Sie sich bei Ihrer Bank über die individuellen Möglichkeiten einer Bankvollmacht informieren. Durch eine Vorsorgevollmacht werden darüber hinaus auch Schenkungen im gesetzlichen Rahmen möglich.

Sogenannte Insichgeschäfte, also Geschäfte des*der Bevollmächtigten mit sich selbst, sind zur Vermeidung von Interessenskonflikten und des Missbrauchs zwar grundsätzlich verboten, es sei denn, der*die Vollmachtgeber*in erlaubt sie ausdrücklich. So wie Sie Handlungen explizit erlauben können, lassen sich Schenkungen zum Beispiel auch ausdrücklich verbieten oder auf bestimmte Vermögenswerte beschränken. Nur eine sogenannte Generalvollmacht gestattet dem*der Bevollmächtigten uneingeschränkte Möglichkeiten und Rechte im Umgang mit Ihren Vermögenswerten. Es kann, zur Vermeidung von unerwünschten Folgen, daher immer empfohlen werden, bei der Erstellung einer Vorsorgevollmacht auch die Hilfe einer professionellen Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.

Hintergrund:

Die compass private pflegeberatung GmbH berät Pflegebedürftige und deren Angehörige telefonisch, per Video und auf Wunsch auch zu Hause gemäß dem gesetzlichen Anspruch aller Versicherten auf kostenfreie und neutrale Pflegeberatung (§ 7a SGB XI sowie § 37 Abs. 3 SGB XI). Die telefonische Beratung steht allen Versicherten offen, die aufsuchende Beratung sowie die Beratung per Videogespräch ist privat Versicherten vorbehalten.

compass ist als unabhängige Tochter des PKV-Verbandes mit rund 650 Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern bundesweit tätig. Die compass-Pflegeberaterinnen und -berater beraten im Rahmen von Telefonaktionen sowie zu den regulären Service Zeiten zu allen Fragen rund um das Thema Pflege.

Verantwortlich für den Inhalt:

compass private pflegeberatung GmbH, Gustav-Heinemann-Ufer 74c, 50968 Köln, Tel: 0221 933 32-111,  www.compass-pflegeberatung.de

Sie haben eine Rürup-Rente abgeschlossen, aber sind nun unzufrieden mit Ihrer Entscheidung?

Keine Sorge – die Experten der LawTechGroup stehen Ihnen zur Seite. Wir helfen Ihnen dabei, Ihre Rechte und Optionen zu verstehen, um Ihre Rürup-Rente effektiv und rechtssicher zu widerrufen.

Die Rürup-Rente, auch bekannt als Basis-Rente, ist eine staatlich geförderte Altersvorsorge für Selbständige, Freiberufler und andere Personen mit unregelmäßigem Einkommen. Obwohl sie steuerliche Vorteile bietet, kann es vorkommen, dass die Rürup-Rente nicht die optimale Lösung für Ihre individuelle Situation ist.

Gründe für den Widerruf der Rürup-Rente können sein:

Unzureichende Beratung: Wurden Sie nicht ausreichend über die Vertragsdetails, Konditionen und möglichen Risiken aufgeklärt, kann dies ein Grund für den Widerruf sein.

Falsche oder irreführende Angaben: Haben Sie einen Vertrag aufgrund von falschen oder irreführenden Angaben abgeschlossen, kann dies ebenfalls einen Widerruf rechtfertigen.

Änderung der persönlichen oder finanziellen Situation: In manchen Fällen kann eine veränderte Lebenssituation oder finanzielle Lage den Widerruf einer Rürup-Rente erforderlich machen.

Wie funktioniert der Widerruf einer Rürup-Rente?

Ein Widerruf der Rürup-Rente ist nicht immer einfach, da sie in der Regel eine langfristige Verpflichtung darstellt. Dennoch gibt es Möglichkeiten, den Vertrag zu widerrufen oder anzupassen:

Widerrufsrecht: Innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsabschluss können Sie Ihre Rürup-Rente ohne Angabe von Gründen widerrufen. Hierzu müssen Sie lediglich eine schriftliche Widerrufserklärung an den Versicherer senden.

Widerspruchsjoker: Bei unzureichender Belehrung über Ihr Widerspruchsrecht oder fehlerhaften Vertragsunterlagen können Sie auch nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist von Ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen.

Fazit:

Wenn Sie Ihre Rürup-Rente widerrufen oder anpassen möchten, sind Sie bei bei Lawtechgroup GmbH   in den besten Händen. Wir unterstützen Sie bei jedem Schritt des Prozesses und helfen Ihnen, Ihre Rechte geltend zu machen. Kontaktieren Sie uns noch heute für eine unverbindliche Erstberatung und lassen Sie sich von unseren Experten auf dem Weg zu einer für Sie optimalen Altersvorsorge begleiten.

Verantwortlich für den Inhalt:

Lawtechgroup GmbH, Promenadeplatz  11, 80333 München, Tel: +49(089) -215 429 72, Fax: +49(089) – 215 429 73 , www.lawtechgroup.de

Nummer 018/23 – Urteil vom 06.12.2022  IV R 21/19

Enthält eine Pensionszusage einen Vorbehalt, demzufolge die Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gemindert oder entzogen werden kann, ist die Bildung einer Pensionsrückstellung steuerrechtlich nur in eng begrenzten Fällen zulässig. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 06.12.2022 – IV R 21/19 entschieden.

Im Streitfall hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine betriebliche Altersversorgung für ihre Mitarbeiter eingeführt und für die hieraus resultierenden Verpflichtungen sog. Pensionsrückstellungen gebildet. Einzelheiten waren in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Die Höhe der Versorgungsleistungen ergab sich aus sog. Versorgungsbausteinen, die aus einer „Transformationstabelle“ abzuleiten waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hatte sich vorbehalten, u.a. diese Transformationstabelle einseitig ersetzen zu können. Wegen dieses Vorbehalts erkannte das Finanzamt die sog. Pensionsrückstellungen nicht an, so dass es in den Streitjahren jeweils zu Gewinnerhöhungen kam.

Auch der BFH sah den Vorbehalt als steuerschädlich an. Die Bildung einer Pensionsrückstellung sei steuerrechtlich nur zulässig, wenn der Vorbehalt ausdrücklich einen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten, eng begrenzten Tatbestand normiere, der nur ausnahmsweise eine Minderung oder einen Entzug der Pensionsanwartschaft oder Pensionsleistung gestatte. Demgegenüber seien uneingeschränkte Widerrufsvorbehalte, deren arbeitsrechtliche Gültigkeit oder Reichweite zweifelhaft oder ungeklärt sei, steuerrechtlich schädlich. Auch im Streitfall sei dies der Fall, da der Vorbehalt eine Änderung der Pensionszusage in das Belieben des Arbeitgebers stelle. Der Vorbehalt sei keiner in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Fallgruppe zuzuordnen, bei der ein Abschlag ausgeschlossen sei.

Siehe auch: IV R 21/19

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesfinanzhof, Ismaninger Straße 109, 81675 München, Tel: (089) 9231-0, www.bundesfinanzhof.de

Die Finanzaufsicht BaFin weist darauf hin, dass sie kein eigenes Profil auf den Social Media-Plattformen Facebook und Instagram besitzt und nicht über diese sozialen Netzwerke kommuniziert.

Die BaFin hat mehrere Hinweise dazu erhalten, dass fälschlicherweise unter ihrem Namen auf Facebook und Instagram kommuniziert wird. Ziel könnte unter anderem sein, an persönliche Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gelangen.

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Marie-Curie-Str. 24-28, 60439 Frankfurt, Telefon: 0228 / 4108-0, www.bafin.de

Ein Trilemma, geeignet, neue Impulse im Ordnungsrecht des Versicherungsvertriebs zu setzen

Beitrag von Oliver Timmermann, Rechtsanwalt – Versicherungsrecht  

Gewerberecht als öffentliches Wirtschaftsverwaltungsrecht enthält auch Ordnungsrecht. Allein sind die Zuständigkeiten dieses Sonderpolizeirechts nicht immer eindeutig. Neben der sachnahen IHK kamen bislang für Aufgaben des Polizeirechtes die  Gewerbeordnungsbehörden und – da der Schutz der „gesamten Rechtsordnung“ ein Rechtsgut ist, das der Generalklausel des Polizeirechts unterliegt –subsidiär auch die allgemeinen Ordnungsbehörden in Betracht. Neue Impulse dürfte diese verwaltungsrechtliche Spezialmaterie durch das VerbandssanktionenG erfahren. Die Staatsanwaltschaft wird im Rahmen ihrer Entscheidung, Ermittlungen aufzunehmen, Einblick fordern, ob ein Unternehmen Compliance-Maßnahmen ergriff. Für den Versicherungsvertrieb bedeutet die Umsetzung des VerbandssanktionenG eine Zäsur. Die Zurückhaltung des Ordnungswidrigkeitenrechts würde durch „forschere“ staatsanwaltschaftliche Ermittlungen abgelöst. Der Beitrag will einen Überblick über die opaken Zuständigkeitsregeln des aktuellen Gewerbeordnungsrechts geben, des Weiteren aufzeigen, dass die Umsetzung des Unternehmensstrafrechts nicht vom Tisch ist, sondern mit einer Umsetzung alsbald gerechnet werden muss. Deshalb ist auf Konsequenzen hinzuweisen, die für den Vertrieb nötig erscheinen. Der Aufsatz endet mit einem bilanzierenden Ausblick.

I.) Ordnungsrecht im Versicherungsvertrieb bisher

Es mag wie eine rhetorische Übertreibung klingen, den Maklern auf irgendeinem Rechtsgebiet „rosige Zeiten“ nachsagen zu wollen. Sorgen nicht EU-Richtlinien1 und neue Auslegungsergebnisse aus der Rechtsprechung2 allen Orten dafür, dass die Regulierung immer stärker zupackt und stellt das Richterrecht zu neuralgischen Punkten im Vertrieb – wie z.B. die „ewigen“ Themen zum Buchauszug3 oder Ausgleichsanspruch4 – nicht immer engmaschigere Anforderungen? Von der weiten Haftung, die den Makler anlässlich einer Beratung trifft, besser ganz zu schweigen.5 Doch ein „gallisches Dorf“ bot den Vermittlern bislang relativen Schutz vor staatlicher Drangsal: das Ordnungsrecht. Gewiss, bekannt sind der Erlaubnis-Widerruf gem. § 34d Abs. 5 GewO i. V. m. § 49 VwVfG bei erwiesener „Unzuverlässigkeit“ oder Verhängung eines Bußgeldes gem. § 144 Abs. 2 Nr. 7c GewO wegen nicht geleisteter Weiterbildung durch die IHK. Doch ein großer Vorteil des Maklers – auch wenn er diesen zumeist gar nicht wahrnahm – bestand darin, dass der IHK im Gewerbe-Organisationsrecht eine Sonderrolle zukam und wegen des Grauschleiers, der die Zuständigkeitsverteilung bzgl. des Ordnungswidrigkeitenrechts umgab, die Gewerbeordnungsbehörden selten in Erscheinung traten.6 Ein Großteil der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten blieb schlicht auf der Strecke, da die IHK sich auf die Kontrolle der Erlaubnisvergabe- und Kontrolle konzentrierte und die Gewerbeordnungsbehörde – grundsätzlich zuständig für die Wirtschaftsüberwachung i.w. S. – im Zweifel wiederum auf die „größere Sachnähe“ der IHK verwies. Dieser „blinde Fleck“ kann bei einer neuen Gesetzesinitiative zum VerbandssanktionenG ein jähes Ende finden. Den Vermittlern wird dann nämlich plötzlich seitens staatlicher Ermittlungsbehörden Ungemach völlig anderer Qualität ins Haus stehen.

II.) Änderungstendenzen

1.) Ordnungswidrigkeiten-Zuständigkeits-Wirrwarr

Durch die ausdrückliche Bestimmung in § 1 Abs. 1 S. 1 IHKG sind die Industrie- und Handels-Kammern für die Erlaubniserteilung zuständig. Dies war im Jahr 2007 eine grundlegende Neuerung in der GewO, da grundsätzlich alle anderen dort aufgestellten Erlaubnispflichten in der unmittelbaren Staatsverwaltung von den Gewerbeämtern vollzogen werden.7 Die IHKs sind zuständig für die Erteilung und in der Folge (als actus contrarius) auch für Rücknahme und Widerruf einer Erlaubnis; dies gilt entsprechend auch für Erlaubnisbefreiungen.8 Bereits hinsichtlich ihrer Zuständigkeit für die Verhängung von Bußgeldern gegenüber Versicherungsvermittlern und Maßnahmen nach § 15 Abs. 2 sowie § 35 GewO herrscht dagegen föderale Vielfalt.9 In der Regel sind für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten – außer in Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, wo dies tatsächlich auch in die sachliche Zuständigkeit der IHK fällt – abwechselnd mal die Gewerbeämter, Ordnungsämter, das Bezirksamt oder die untere Verwaltungsbehörde (Landkreis oder kreisfreie Stadt) zuständig. Auch nachdem aufgrund der Dienstleistungs-Richtlinie 2006/123/EG die Frage diskutiert wurde, im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Effizienz einen „einheitlichen Ansprechpartner“ zu installieren und wegen der Wirtschaftsnähe hierfür die IHK zu betrauen, brachte dies hinsichtlich des föderalen Flickenteppichs keine wirkliche Änderung.10

2.) Unternehmensverfolgung nach § 30, 130 OwiG

Einzig im Wege des Ordnungswidrigkeitenrechts besteht derzeit in Deutschland die Möglichkeit, auch gegen juristische Personen oder Personenvereinigungen (also Unternehmen) vorzugehen und ein Bußgeld nach § 30 Abs. 1 OWiG zu verhängen, sofern deren Repräsentanten (Organe, Vorstände, Geschäftsführer, Vertreter oder sonstige Leitungspersonen) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen haben. Neben diese originäre Organ- oder Vertreterhaftung tritt bekanntlich die Haftung für Aufsichtspflichtverletzungen aus § 130 Abs. 1 OWiG, welche die wichtigste Bezugstat für eine Geldbuße nach § 30 Abs. 1 OWiG darstellt.11 Dem Grunde nach erkennt das deutsche Recht damit eine Sanktionsfähigkeit von Verbänden bereits an, die auf einem Modell von Repräsentation und Zurechnung beruht, das demjenigen einer Vielzahl kontinentaleuropäischer Rechtsordnungen entspricht. Es fußt auf dem Grundsatz, dass juristische Personen nur für eigenes Verhalten straf- bzw. bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Dieses dem Haftungsregime von § 30 OWiG zugrundeliegende Zurechnungsmodell, das sich bereits seit Jahrzehnten nicht unerheblicher Kritik, insbesondere mit Blick auf den strafrechtlichen Schuldgrundsatz, 12 ausgesetzt sieht, ist letztlich Konsequenz der organschaftlichen Struktur juristischer Personen13, die zwar Träger von Rechten und Pflichten sein können, dafür aber auf Organe und Vertreter angewiesen sind. Da eine juristische Person oder ein Verband nur durch Organe und Vertreter Handlungsfähigkeit erlangt, kann für ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Verbandes auch nur auf diese abgestellt werden. Dies führt dazu, dass delinquentes Verhalten eines berufenen Organs oder Vertreters in einem delinquenten Verhalten des Verbandes insgesamt mündet, für das dieser als eigenes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten haften kann. Der juristischen Person wird also das Handeln seiner Organe und Vertreter als eigenes „zugerechnet“. Eines Rückgriffs auf die Grundsätze der klassischen Drittzurechnung, wie z.B. im Rahmen der zivilrechtlichen Stellvertretung,14 bedarf es für die Legitimation der Haftung bei § 30 OWiG damit nicht.15 Geht man von der rechtlichen Zulässigkeit der Begründung einer solchen Verbandshaftung über das Zurechnungsmodell16 aus, so ist die organschaftliche Verbandstäterschaft im deutschen Recht bereits kodifiziert, wenn bislang freilich nur für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts. Nahegelegt wurde ein VerbandsstrafR bereits in einem Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 1966 im sog. Bertelsmann-Lesering-Verfahren.17 Dort heißt es wörtlich: „Die Bestrafung juristischer Personen ist dem geltenden deutschen Rechtssystem nicht fremd. […] Die Anwendung strafrechtlicher Grundsätze ist also nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn das Rechtssubjekt eine juristische Person ist […]. Die juristische Person ist als solche nicht handlungsfähig. Wird sie für schuldhaftes Handeln im strafrechtlichen Sinne in Anspruch genommen, so kann nur die Schuld der für sie verantwortlich handelnden Personen maßgebend sein.“ Nach langer Diskussion18 soll das VerbandssanktionenG hier Abhilfe schaffen und das deutsche Recht endlich internationalen Standards anpassen.19

III.) VerbandssanktionenG nicht vom Tisch

Der Entwurf des Verbandssanktionsgesetz ist mittlerweile Geschichte. Er war Bestandteil des „Gesetzes zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft“ und sollte Straftaten, die aus Verbänden heraus begangen werden, angemessen sanktionieren.20 Bereits im Koalitionsvertrag der letzten Bundesregierung war ein Gesetz zur Verbandssanktion vorgesehen. Es folgten zwei Referentenentwürfe sowie ein Regierungsentwurf und viel Kritik21 in der Anhörungsphase und im Bundesrat. 22 Zum Einbringen in den Bundestag gem. Art. 77 GG kam es nicht mehr. Die Koalition konnte sich über einige Punkte des Gesetzesvorhabens bis zum Schluss nicht einigen. In der Folge verfiel der Gesetzesentwurf gem. des aus Art. 29 Abs. 1 S. 2 GG abgeleiteten Grundsatzes der Diskontinuität des letzten Bundestags.23 Jedoch spricht vieles dafür, dass es einen neuen Anlauf geben wird.24 Angeführt werden hierfür unter anderem der internationale Druck, die weitere Zunahme von Unternehmensskandalen wie Wirecard oder der Dieselabgas-Skandal.25 Auch aus dem Wortlaut des Koalitionsvertrags der neuen Ampel-Koalition kann allerdings ein Arbeitsauftrag herausgelesen werden.26

1.) Kontinuität mühselig diskutierter Standards

Wird es aber eine Neuauflage dieses Gesetzesvorhabens geben, ist die Prognose nicht abwegig, dass diese an geleistete Vorarbeit des nun (vorläufig) in Diskontinuität geratenen Entwurfs der Vorgänger-Regierung anknüpfen wird, auch wenn das Justiz-Ressort mittlerweile eine andere politische Farbe trägt. Die dogmatischen Grabenkämpfe (unter anderem Schuldprinzip, Bestimmtheitsgrundsatz, warum keine Ausweitung des Ordnungswidrigkeitenrechts? etc.)27 sind in Diskurs- Kreiseln genug erörtert worden, so dass der Primat der Politik im Falle eines neuen Anlaufs gewillt sein wird, bei dem Unternehmensstrafrecht endlich Realitäten zu schaffen.

2.) Ordnungs- und Polizeirecht versus Strafrecht

Polizeirechtliche Gefahrenabwehr, die einen Schaden präventiv erst gar nicht eintreten lässt, ist dem repressiven Straf- und Strafverfahrensrecht, das einen realisierten Schaden voraussetzt, heutzutage überlegen, weil die Verhinderung einer Rechtsgutsverletzung einfach die plausiblere Form der Sicherheitsgewährleistung ist.28 Gleichwohl ist in der polizeilichen Praxis der Kriminalitätsbekämpfung die Sichtweise der Kriminalisten dominant, die in ihrer Fixierung auf das Strafund Strafverfahrensrecht die Möglichkeiten des Polizeirechts mit seinen neuen Befugnissen zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung nur dann nutzen, wenn die Strafprozessordnung defizitär ist, wenn etwa polizeiliche Aufklärungsverfahren als Notnagel für fehlende strafprozessuale Vorfeldermittlungen in Anspruch genommen werden. 29 Ein Interventionsstrafrecht als neuer Typus des Strafrechts will aber selbst – wie das Polizeirecht – Straftaten verhindern.

Das erfolgt immaterialen Strafrecht bereits seit langemdurch Schaffung abstrakter Gefährdungsdelikte, wie die §§ 129 ff. und §§ 89a ff. StGB, die als Vorfelddelikte keine Rechtsgutsverletzung mehr voraussetzen und schon vollendet sein können, bevor der Täter die Phase des Versuchs eines Verletzungsdelikts erreicht hat.30 Das traditionelle Verständnis, nachdem sich Polizei- und Strafrecht einerseits anhand ihrer Funktion (präventiv/repressiv) und andererseits anhand des Vorliegens eines Tatverdachts unterscheiden, ist damit ins Wanken geraten.

Die aktuelle Entwicklung hin zu einem gesteigerten Präventionsbedürfnis, die sich auf einer rechtstheoretischen, materiell-rechtlichen, prozessrechtlichen und polizeirechtlichen Ebene des Strafjustizsystems offenbart, schafft eine Veränderung beider Rechtsgebiete. Der modernen strafrechtlichen Konzipierung liegen aufgrund des verstärkten gesellschaftlichen Sicherheitsbedürfnisses gehäuft gefahrenabwehrende Zwecke zugrunde, wobei der sich ins Strafrecht drängende Präventions-Gedanke die Grenze zwischen Polizei- und Strafrecht verwischt.31 Gleichsam gewinnt das Polizeirecht im Rahmen der Verbrechensprophylaxe an Bedeutung. Für die juristische Einordnung des „Predictive Policing“ bedeutet dies, dass entsprechende Prognosetools als Mittel der Gefahrenabwehr grundsätzlich sowohl im Polizeirecht als auch in einer Strafverfolgung mit Präventionsfunktion zu verorten sind.

3.) Allgemeiner Trend zur Prozeduralisierung

Das Ordnungsrecht folgt damit einem allgemeinen Trend. Wo die liberale formal-rationale Rechtskonzeption das Recht als Instrument der Absicherung einzelner gesellschaftlicher Lebens- und Handlungsbereiche verstanden und Interventionen in diese Bereiche dementsprechend abgelehnt hat, wurde für das material-rationale Recht des Wohlfahrtsstaates der 70-er und 80-er die Idee der Intervention prägend, indem einzelne gesellschaftliche Lebens- und Handlungsbereiche durch das Recht material gestaltet werden sollten.32 Im Risiko-Staat dieser Tage ist man jedoch auch darüber hinaus. Dem Staat wurde − verfassungsrechtlich gestützt auf grundrechtliche Schutzpflichten und ein damit korrespondierendes Grundrecht auf Sicherheit − die Aufgabe der Abschirmung von Risiken zugewiesen und er greift zur Erfüllung dieser Aufgabe vermehrt auf ein Sicherungsrecht zurück, das im Wesentlichen auf dem Gedanken der Prävention beruht. Das Präventionsstrafrecht der Risikogesellschaft33 manifestiert sich nicht allein auf der Rechtsfolgenseite von Strafnormen, sondern in Gestalt überindividueller Rechtsgüter und abstrakter Gefährdungsdelikte auch auf Tatbestandsseite, wobei das Umwelt-, Wirtschafts- und Betäubungsmittelstrafrecht sowie die Gesetze zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität als Beispiel benannt werden. 34 Die allgemeine Regulierung von Gewerberisiken würde also selbst in dieser abstrakten Form kein Novum mehr darstellen.

Das alles spricht dafür, dass auch in dem neuen VerbandssanktionenG die Verfolgung letztlich der Staatsanwaltschaft zufallen wird. Bei OWiG-Verfahren stehen in der Regel Personen und nicht das Unternehmen im Mittelpunkt. Folglich hat dieses auch keine Beschuldigten- oder Beteiligungs-Rechte. Ebenso wenig kann es durch Kooperation mit der Ermittlungsbehörde den Strafrahmen beeinflussen. Bereits gem. §§ 23, 24 VerSanG-E sollte die Staatsanwaltschaft für die Ermittlungen zuständig sein und eine Ermittlungspflicht35 bestehen. Laut Gesetzesbegründung sollte sichergestellt werden, dass geltendes Recht gleichermaßen und regelmäßig angewendet wird.36 Für den Ausspruch von Ordnungswidrigkeiten waren zuvor Fachbehörden zuständig, sofern keine Straftat vorliegt, vgl. § 131 OWiG. Die Spezialisten der Ordnungsbehörden kennen sich in den Spezialgebieten (z.B. Hygiene, Emissionsschutz, Strahlenschutz, Gerwerbe etc.) i. d. R. besser aus als der Staatsanwalt, vgl. Argument der „größeren Sachnähe“. Missstände können zudem mittels modernen, informellen Verwaltungshandelns im Rahmen von Begehungen aufgezeigt und Lösungsmöglichkeiten auf Fachebene für komplexe Anforderungen im Einvernehmen gefunden werden. Doch ein förmliches Verfahren im Wege des Legalitätsprinzips schafft mehr Transparenz. Hinzutritt die Vorfeldinvestigations-Bereitschaft des modernen Strafrechts. Deshalb wird auch der kommende Gesetzgeber wieder auf diese Verfahrensart setzen und in Kauf nehmen, dass damit eine gewisse Entmachtung der Fachbehörden verbunden ist.

IV.) Konsequenzen für den Vermittler – Ergebnis

Laut Gesetzgeber war die Stärkung von Compliance-Maßnahmen bereits ein Ziel des VerSanG-E.37 Compliance-Maßnahmen sollen eine Verbandsverantwortlichkeit verhindern können. Diese wären die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E erwähnten „angemessenen Vorkehrungen“.

Zudem hätten diese als Auflage nach der Tat „zur Genugtuung“ vom Gericht gem. § 12 VerSanG-E, erteilt werden können und können somit zur Reduzierung der Sanktionen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 5, 7 VerSanG-E führen.

Compliance-Maßnahmen entstammen der „behavioural economics“, mithin der Verhaltensökonomik,38 wie diese vorrangig der Tradition des amerikanischen Rechtskreises entspricht.39 Die Grundlage des USamerikanischen Compliance-Modells beruht auf dem Dreiklang Verbandsstrafe, Plea-Agreement40 und Compliance-Paper. Abgesehen von den Bedenken gegen eine Geldsanktion gegen juristische Personen, die nicht die tadelnswerten Führungskräfte, sondern unschuldige Mitarbeiter und Aktionäre trifft, ist aus der prozessualen Perspektive auch der Voluntarismus zur Kooperation mit den US-amerikanischen Verfolgungsbehörden in der Praxis der Compliance zu bedenken. Diese Kooperation, die einem Verzicht auf die eigene Verteidigung ähnelt, wird von dem US-Strafrechtssystem im Rahmen einer Unternehmenshaftung und Strafbemessungsrichtlinien durch Plea-Agreement und Deferred-Prosecution-Agreement (DPA)/Non-prosecution Agreement (NPA) stark gefördert.41 Dabei wird vereinbart, dass die Strafverfolgungsbehörde die Strafverfolgung einstellt oder aussetzt, wenn das betroffene Unternehmen der Zahlung einer Geldstrafe zustimmt und künftigen Missständen durch (neue) organisatorische Compliance- Maßnahmen vorbeugt. Dies führt nun zum Hauptproblemeines solchen Compliance-Modells: Es weicht in vielerlei Hinsicht von den Grundprinzipien traditioneller Strafrechtsdogmatik ab. Es wird nicht in der strafrechtlichen individuellen Verantwortlichkeit verankert, sondert gründet auf einen strafrechtlichen Pragmatismus der US-amerikanischen Kriminalpolitik. Dahinter steht die Tradition des Utilitarismus, während kontinental-europäisches Recht eher auf die Deontologie und Pflichten-Lehre Kants gesetzt hat.42

Man wird fragen können, ob diese Traditions-Zäsur wirklich „durchdacht“ ist, man wird ein Nachlaufen verhaltensökonomischer Grundsätze beklagen können, doch wird man kaum verhindern können, dass diese Maßstäbe bald auch für Vermittler gelten. Aus Sicht des Rational- Choice-Modells werden mittels Compliance Abwägungstatbestände geschaffen, die der Täter bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss. Compliance-Maßnahmen sind konditionelle Programmierung, die Transaktionskosten bei der Tatbegehung erhöhen. Für den Staatsanwalt, der in der Regel keine fachliche Vorbefassung mit dem Vertriebsrecht hatte, werden die Compliance-Maßnahmen vermutlich aber das Kennzeichen sein, ob er bei diesem Vorgang „schärfer“ zupacken soll. Darauf hinzuweisen, wollte ich mit diesen Zeilen anfangen. Ein Denken allein in zivilrechtlichen Kategorien greift im Vertriebsrecht, auch im Versicherungs-Vertrieb43, mittlerweile zu kurz.

V.) Fazit

Der kurze Parforceritt durch das Gelände des Gewerbeordnungsrechtes hat gezeigt, dass eine Vielzahl von Faktoren anzeigen, dass es mit der relativen Ruhe in der Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten für den Versicherungsvertrieb bald vorbei sein wird. Es mag noch dauern, ehe eine gewisse Klarheit über den theoretischen Überbau der Compliance hergestellt sein wird. Bislang speist diese aus erkenntnistheoretischer Sicht sich aus Quellen, die nur bedingten Einfluss auf das autarke44 System des Rechts beanspruchten. Doch wird im Zuge der neuen Einflussnahme der Staatsanwaltschaft das Erfordernis von angemessenen Compliance-Maßnahmen ganz handfeste Bedeutung erlangen: Die Güte der Umsetzung dieser Maßgaben, wird darüber entscheiden, ob die Strafverfolgungsbehörde zu Ermittlungen ausholen wird. Ist diese Entscheidung getroffen, können dabei – quasi als Beifang – auch nichtstrafrechts- aber doch ordnungswidrigkeitsrelevante Umstände zutage gefördert werden. Im Zuge dessen könnte sich dann das Räderwerk der sonst eher zurückhaltenden Gewerbeordnungsverwaltung durchaus herausgefordert sehen, verstärkte Aktivität zu entfalten.

1 Vgl. etwa die Transparenz-VO (EU) 2019/2088 oder die EU-Beratungs-VO (EU) 2021/1257.

2 Vgl. etwa zu den Anforderungen der Beratungsgrundlage OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.9.2021 – 6 U 82/20 – dazu Timmermann, ZVertriebsR 2022, 177 ff. oder zu den angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen nach dem GeschGehG, vgl. dazu etwa: LG Verden, Urt. v. 1.3.2021 – 9 O 34/20.

3 Vgl. etwa: OLG München, Urt. v. 31.7.2019 – 7 U 4012/17, ZVertriebsR 2019, 372 ff.

4 Vgl. etwa: OLG Hamburg, Urt. v. 19.5.2022 – 6 U 83/21 – sehr lehrreich auch zu den Merkmalen einer Statusabgrenzung zum „Kooperationsvertrag“.

5 Vgl. etwa: OLG Frankfurt, Urt. v. 13.5.2022 – 7 U 168/16; Timmermann, ZfV 2019, 701 ff.

6 Vgl. Stober/Eisenmenger, Öffentliches WirtschaftsR Besonderer Teil, 17. Aufl. 2019, § 45, S. 11 ff.

7 Vgl. Schönleitner, GewA 2007, 265 f.

8 Vgl. BT-Drs. 16/1935, S. 18.

9 Vgl. Übersicht: Schönleiter, in: Landmann/Rohmer/Schönleiter, GewO, Stand Sep. 2021, zu § 34d Rn. 279.

10 Vgl. Windorffer, DVBl 2006, 1210 ff.; Stober, WiVerw 2008, 139 ff.

11 Vgl. Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rn. 20. § 30 OWiG geht zurück auf die zur Schaffung einer einheitlichen Verbandsgeldbuße 1968 ins OWiG aufgenommene Regelung des § 26 a. F., vgl. zur historischen Entwicklung auch Rogall, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 5. Aufl. 2018, Rn. 22 ff.

12 Vgl. Rostalski, NJW 2020, 2087 ff.

13 Vgl. Dannecker, NZWiSt 2012, 441 ff.; zum Streit der Vertreter- und Organtheorie: Klingbeil, ZfPW 2020, 150, 176 ff.

14 Vgl. wie vor: Klingbeil, ZfPW 2020, 150, 176 ff.

15 Vgl. Dannecker/Dannecker, NZWiSt 2016, 162 ff.

16 Vgl. Wohlers, NZWiSt 2018, 412 ff.

17 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.1966 – 2 BuV 506/63, BVerfGE 20, 323, 335 f.

18 Vgl. Gehring, NZWiSt 2022, 437 ff.

19 Vgl. Rotsch/Mutschler/Grobe, CCZ 2020, 169 ff.

20 Vgl. unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE /Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.html#:~:text=Juni%202020%20Gesetz%2 0zur%20St%C3%A4rkung,Ordnungswidrigkeiten%20(OWiG)%20geahndet%20w erden.

21 Vgl. Busekist/Izrailevych, CCZ 2021, 40 ff.

22 Vgl. Peukert/Sinn, Newsdienst Compliance, 2021, 230005.

23 Vgl. Trüg, NZWiSt 2022, 106 ff.

24 Vgl. Gehring, NZWiSt 2022, 437 ff.; Schweiger, LRZ 2022, Rn. 439, www.lrz.leg al/2022Rn439.

25 Vgl. Gehring, NZWiSt 2022, 437.

26 So jedenfalls Gehring, NZWiSt 2022, 437.

27 Vgl. etwa: IHK Braunschweig unter: https://www.ihk.de/braunschweig/berat ung-und-service/rechtsthemen/wirtschaftsrecht-von-a-bis-z/gesellschaftsre cht/kritik-an-geplantem-unternehmensstrafrecht-4934838; Wostry, Stellungnahme zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfa hren/Stellungnahmen/2020/Downloads/06122020_Stellungnahme_HHU_ RegE_Integritaet-Wirtschaft.pdf;jsessionid=EC12BE04F9B411783C88D6F6A 5B401CD.2_cid289?__blob=publicationFile&v=2.

28 Vgl. Kniesel, Kriminalitätsbekämpfung durch PolizeiR, 2022, S. 35 ff.; Gropp, in: Sinn/Gropp/Nagy (Hrsg.), Grenzen der Vorverlagerung in einem TatstrafR, 2011, S. 99 ff.; kritisch zur „Präventions-Euphorie“: Pollähne, Kriminalprognostik, 2011, S. 261 ff.

29 Vgl. Park, Wandel des klassischen PolizeiR zum neuen SicherheitsR, 2013, passim; hierzu: Ambs, in: Geppert/ Dehnke (Hrsg.), GS für Karlheinz Meyer, 2019, S. 7, 10 ff.

30 Vgl. etwa: Timmermann, StraFo 2007, 358 ff.

31 Zum sog. „predictive policing“ vgl. etwa: Pullen, in: Simmler, Smart criminal justice, 2021, S. 123 ff.

32 Zur Materialisierung vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273 ff.; Auer, Materialisierung, Flexibilisierung und Richterfreiheit, 2005, S. 25 ff.

33 Vgl. Beck, Risikogesellschaft, 1986, passim; Neureiter, Die Risikogesellschaft von Ulrich Beck: Konzept und Kontext, 2015, passim.

34 Vgl. Eicker, Die Prozeduralisierung des StrafR, 2010, S. 12 ff.; S. 49 ff.

35 Vgl. § 24 VerSanG-E i. V. m. § 152 StPO das sog. „Legalitätsprinzip“.

36 Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokum ente/RegE_Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.pdf;jsessionid=3820958A8CA C4BF0CC4621C0042FE591.2_cid334?__blob=publicationFile&v=2, S. 59. Timmermann, Versicherungsvertrieb: Ordnungswidrigkeit, Compliance und Verbandssanktion

37 Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“, wie Fn. 37, dort S. 55.

38 Vgl. Klöhn, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg) in: Beitrag der Verhaltensökonomie (behavioural economics) zum Handels- und Wirtschaftsrecht, ZHR-Beiheft 75 (2011), S. 3 ff.; Möslein, Austrian Law Journal 2014, 135 ff.

39 Vgl. Navarro, StrafR und Criminal Compliance in philosophischer Perspektive, 2022, S. 28 ff., die Darstellungen zum Thema der Rechtsnatur und dem Überbau der CC fallen in der Unternehmensstrafrechtsliteratur schmal aus; es ist ein „unbestelltes Feld“, vgl. Rotsch, in: Achenbach/Ransiek/Rönnau, HdB WirtschaftsstrafR, 5. Aufl. 2019, S. 54, Rn. 41, der von „Bemühungen der theoretischen Fundierung“ spricht.

40 Vgl. Ransiek, ZIS 2008, 116 ff. m. w. N.

41 Vgl. Schlutz, Compliance Monitorships – Wie kann ein US-Instrumentarium den Alltag dt. Unternehmen bestimmen?, 2021, S. 75 ff.

42 Vgl. von der Pfordten, in: Hilgendorf/Joerden (Hrsg), HdB Rechtsphilosophie, 2017, I. E., S. 98 f. m. w. N.

43 Dem aber immerhin die Querelen des Kartellrechts erspart bleiben, vgl. Timmermann, Sonderausgabe proontra 2019, 28 ff.

44 Der Begriff der berühmt-berüchtigten Autopoiesis soll hier absichtlich einmal vermieden werden.

Verantwortlich für den Inhalt:

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Glockengießerwall 2, 20095 Hamburg, Tel: +49 40 88888-777,Fax: +49 40 88888-737, www.kanzlei-michaelis.de

Nummer 013/23 – Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22

Veräußerungsgewinne, die ein Steuerpflichtiger innerhalb eines Jahres aus dem Verkauf oder dem Tausch von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Monero erzielt, unterfallen der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14.02.2023 – IX R 3/22 entschieden.

Im Streitfall hatte der Kläger verschiedene Kryptowährungen erworben, getauscht und wieder veräußert. Im Einzelnen handelte es sich um Geschäfte mit Bitcoins, Ethereum und Monero, die der Steuerpflichtige privat tätigte. Im Streitjahr 2017 erzielte er daraus einen Gewinn in Höhe von insgesamt 3,4 Millionen Euro.

Mit dem Finanzamt kam es zum Streit darüber, ob der Gewinn aus der Veräußerung und dem Tausch von Kryptowährungen der Einkommensteuer unterliegt. Die vom Steuerpflichtigen beim Finanzgericht erhobene Klage war ganz überwiegend erfolglos.

Der BFH hat die Steuerpflicht der Veräußerungsgewinne aus Bitcoin, Ethereum und Monero bejaht. Bei Kryptowährungen handelt es sich um Wirtschaftsgüter, die bei einer Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterfallen.

Virtuelle Währungen (Currency Token, Payment Token) stellen nach Auffassung des BFH ein “anderes Wirtschaftsgut” i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar. Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit zu fassen. Er umfasst neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung sich ein Steuerpflichtiger etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten selbständigen Bewertung zugänglich sind. Diese Voraussetzungen sind bei virtuellen Währungen gegeben. Bitcoin, Ethereum und Monero sind wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge Verwendung finden. Technische Details virtueller Währungen sind für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht von Bedeutung. Erfolgen Anschaffung und Veräußerung oder Tausch der Token innerhalb eines Jahres, unterfallen daraus erzielte Gewinne oder Verluste der Besteuerung.

Das ist nach Ansicht des BFH auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein sog. strukturelles Vollzugsdefizit, das einer Besteuerung entgegensteht, liegt nicht vor. Es sind weder gegenläufige Erhebungsregelungen vorhanden, die einer Besteuerung entgegenstehen, noch liegen Anhaltspunkte vor, dass seitens der Finanzverwaltung Gewinne und Verluste aus Geschäften mit Kryptowährungen nicht ermittelt und erfasst werden können. Dass es in Einzelfällen Steuerpflichtigen trotz aller Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden (z.B. in Form von Sammelauskunftsersuchen) beim Handel mit Kryptowährungen gelingt, sich der Besteuerung zu entziehen, kann ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht begründen.

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesfinanzhof, Ismaninger Straße 109, 81675 München, Tel: (089) 9231-0, www.bundesfinanzhof.de

Das Direktorium der BaFin ist wieder vollständig besetzt:

Silke Deppmeyer übernimmt die Leitung des Geschäftsbereichs Innere Verwaltung. Zuvor hatte Deppmeyer den Bereich kommissarisch geleitet.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) setzt mit der Personalie auf eine erfahrene Frau aus den eigenen Reihen, die die BaFin seit langem kennt.

Silke Deppmeyer ist seit 20 Jahren in der BaFin tätig. Nachdem sie verschiedene Positionen in der inneren Verwaltung und Rechtsabteilung inne hatte, leitete die studierte Juristin das Digital Office der BaFin und anschließend dessen Nachfolgeeinheit, die Stabsstelle Transformationsmanagement. Zusätzlich übernahm Deppmeyer im April 2022 die kommissarische Leitung des Geschäftsbereichs Strategie, Policy und Steuerung (SPS), bis sie am 1. November 2022 kommissarische Leiterin des Geschäftsbereichs Innere Verwaltung (IV) wurde.

„Ich freue mich sehr, dass Silke Deppmeyer nun die Rolle der Exekutivdirektorin des Geschäftsbereichs Innere Verwaltung übernimmt“, sagt BaFin-Präsident Mark Branson. Sie bringe eine ausgewiesene Fach- und Führungsexpertise mit und habe als kommissarische Leiterin des Bereichs in den vergangenen Monaten bereits die Weichen für 2023 gestellt. „Silke Deppmeyer ist die Richtige, um die Modernisierung in den Bereichen IT, Personal und Haushalt konsequent weiterzuführen“, unterstreicht Branson.

Die 52-jährige Deppmeyer kennt die Herausforderungen ihrer Aufgabe und geht diese motiviert an: „Ich bedanke mich für das Vertrauen, das man mir entgegenbringt, und werde gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen den eingeschlagenen Weg zur internen Modernisierung der BaFin weiter vorantreiben.“

Verantwortlich für den Inhalt:

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Marie-Curie-Str. 24-28, 60439 Frankfurt, Telefon: 0228 / 4108-0, www.bafin.de

BAG, Urteile vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22 (Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 08.02.2022, AZ: 12 Sa 746/21) sowie 3 AZR 501/21 (Vorinstanz LAG Hamm, Urteil vom 11.08.2021 – 4 Sa 221/21)

In beiden zu entscheidenden Fällen hatte der Arbeitgeber jeweils Versorgungszusagen erteilt, die einseitig auf Arbeitgeberseite die Möglichkeit vorsahen, anstelle einer lebenslangen Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten. Von dieser Option machte der Arbeitgeber zum Rentenbeginn in beiden Fällen Gebrauch, womit die jeweiligen Arbeitnehmer nicht einverstanden waren. Das BAG entschied in beiden Fällen zugunsten der Arbeitnehmer. Derzeit liegen noch keine Entscheidungsgründe vor.

BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 220/22

In diesem Fall (Vorinstanz LAG Düsseldorf) war in der vom Arbeitgeber über eine Unterstützungskasse erteilten Versorgungszusage vorgesehen, anstelle der laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu zahlen. Hiervon wurde zum Rentenbeginn Gebrauch gemacht, womit sich die Arbeitnehmerin nicht einverstanden erklärte und den Betrag zurücküberwies. Das BAG gab der Arbeitnehmerin Recht und wies die Revision des Arbeitgebers zurück. Die Vorinstanz (LAG Düsseldorf) hatte die in der Versorgungszusage enthaltene Klausel für unwirksam erklärt.

Umstellung auf Kapital bedarf einer wechselseitigen Interessenabwägung

Die Umstellung einer eigentlich vorgesehenen Betriebsrente in eine Kapitalzahlung bedarf einer Rechtfertigung anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Bei der Abwägung muss zugunsten des Arbeitnehmers beispielsweise verhindert werden, dass das Langlebigkeitsrisiko vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer übertragen wird. Des Weiteren darf weder eine Rentenanpassungsprüfungspflicht, mangelnder Pfändungsschutz oder eine höhere Steuerlast entstehen. Zugunsten des Arbeitgebers kann die günstigere Bilanzierung oder die Leistungsverbesserung durch Anhebung des Dotierungsrahmens berücksichtigt werden.

Änderung in Kapitalzahlung hier nicht zumutbar – Verstoß gegen die AGB

Im Grundsatz sind laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung. Bei der Interessenabwägung kann jedoch insbesondere eine Änderung des Äquivalenzverhältnisses, also des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung, ein Indiz für die Unzumutbarkeit des Änderungsvorbehalts sein. Das war vorliegend der Fall. Der Arbeitgeber hatte hier durch eine formularmäßig einseitig vorbehaltene Gestaltungsmöglichkeit aus der laufenden Betriebsrente eine nicht wertgleiche Kapitalabfindung gemacht. Dadurch wird ihm zum einen die Möglichkeit eröffnet, einseitig zum Beispiel das Langlebigkeitsrisiko zu verlagern. Des Weiteren kann der Arbeitgeber die Anpassungsprüfungspflicht damit umgehen. Hinzu kommen steuerrechtliche Nachteile für die Arbeitnehmerin.

Das LAG Düsseldorf orientierte sich hinsichtlich der Wertgleichheit einer Kapitalabfindung, die nirgends definiert wird, am Betriebsrentengesetz. Maßgeblich ist hier für die Abfindungsberechnung der Barwert der künftigen Versorgungsleistung, wobei bei der Berechnung des Barwerts die Rechnungsgrundlagen sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend sind. Im vorliegenden Fall wird durch die Klausel gestattet, die laufende Betriebsrentenleistung ohne weitere Voraussetzungen in eine geringwertigere Kapitalleistung zu ändern, nämlich nur die zehnfache Jahresrente zu bezahlen. Unter Berücksichtigung der zuvor genannten Nachteile ist diese daher unwirksam.

BAG-Urteil vom 17.01.2023 – 3 AZR 501/21

In diesem zu entscheidenden Fall lautete die zuletzt in einem Nachtrag befindliche Klausel zur Kapitalabfindung anstelle einer lebenslangen Rentenzahlung in der Versorgungszusage wie folgt: „Die Firma behält sich vor, anstelle der Renten eine wertgleiche, einmalige Kapitalabfindung zu zahlen; hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus dieser Versorgungszusage. Die Höhe der einmaligen Kapitalzahlung entspricht dem Barwert der künftigen Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften, ermittelt nach den Rechnungsgrundlagen des versicherungsmathematischen Gutachtens über die Höhe der ertragssteuerlich zulässigen Pensionsrückstellung gemäß § 6a EStG zum letzten Bilanztermin vor der Abfindung”. Von dieser Abfindungsklausel machte die Firma Gebrauch, womit der Arbeitnehmer nicht einverstanden war. Dieser wollte auf jeden Fall bei Rentenbeginn eine lebenslange Altersrente erhalten. In einem undatierten Anhang zu seinem Dienstvertrag, der nicht unterschrieben wurde, war nur noch von der „Rente“ die Rede. Hier hat das BAG das Urteil der Vorinstanz (LAG Hamm) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Vereinbarung eines wirksamen Wahlrechts?

Die Vorinstanz war der Auffassung, dass eine wirksame Abfindungsklausel vereinbart wurde und sich durch die Klausel in der Versorgungszusage das Recht der Firma ergeben habe, nach ihrer Wahl anstelle der monatlichen Rentenzahlung eine wertgleiche einmalige Kapitalabfindung zu zahlen. Billiges Ermessen sei hier nicht zu berücksichtigen, so dass nicht näher auf die Interessen des Arbeitnehmers eingegangen wurde. Die Vereinbarung des Wahlrechts, anstelle der Altersrente eine Kapitalzahlung zu leisten, lässt den Schluss zu, dass die Arbeitgeberin einseitig und ohne Rücksicht auf die Interessenlage des Klägers entscheiden kann, ob sie von dem Vorbehalt Gebrauch macht oder nicht. Insofern hielt das LAG Hamm die Kapitalabfindung für rechtmäßig.

Bewertung

Das sah das BAG anders, hob das Urteil des LAG Hamm auf und wies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Diese Entscheidung deutet darauf hin, dass wohl auch in diesem Fall die wesentlichen Umstände abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen. Eine solche Abwägung hatte vorliegend nicht stattgefunden. Zudem könnte eine Rolle gespielt haben, dass im Anhang zum Arbeitsvertrag nur noch von Rentenzahlung die Rede war. Hier bleibt die weitere Begründung abzuwarten.

Insgesamt dürfte es durch die Rechtsprechung seitens des BAG schwieriger für Arbeitgeber werden, sich einseitig eine Kapitalzahlung vorzubehalten und diese dann im Versorgungsfall wirksam auszuüben, ohne dabei auch die Interessen des einzelnen Arbeitnehmers im Blick zu halten. Vielmehr dürften zukünftig immer die jeweiligen Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen sein. In diesem Zusammenhang müsste auch die Frage der Wertgleichheit der Kapitalleistung eine entscheidende Rolle spielen. Das BAG hat bereits in einer früheren Entscheidung dargelegt, dass dann, wenn die Kapitalleistung den nach den Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ermittelten Barwert denjenigen der nach der Altregelung geschuldeten Rentenleistung übersteigt, unter Umständen die Nachteile des Arbeitnehmers infolge der Umstellung überwiegen kann. Das bedeutet im Klartext, dass der Arbeitgeber sich bereits im Vorfeld überlegen sollte, solche Fälle hinsichtlich der Höhe der Leistung großzügiger zu behandeln, um so die Nachteile des Arbeitnehmers abzumildern. Die mögliche Höhe dieser Summe hängt von vielen Faktoren ab und ist sicherlich nicht leicht zu entscheiden.

Verantwortlich für den Inhalt:

Longial GmbH, Prinzenallee 13, 40549 Düsseldorf, Tel: +49 (0) 211 4937-7600, Fax: +49 (0) 211 4937-7631, www.longial.de

10 von 17 Bausparkassen erstatten ihren Kunden nicht die Jahresentgelte.

Das ist das Ergebnis einer Finanztest-Abfrage bei allen Bausparkassen. Solche Gebühren hat der Bundesgerichtshof für unzulässig erklärt.

Die pro Monat oder Jahr fälligen Gebühren kassierten alle Kassen zumindest zeitweise, meist 12, 24 oder 36 Euro pro Jahr. Über die Laufzeit eines Vertrages können so hunderte Euro unrechtmäßige Gebühren entstanden sein.

Doch 10 der 17 angefragten Bausparkassen kassieren weiter für laufende Bausparverträge und erstatten zumindest einen Teil der Gebühren nicht. Bei Riester-Verträgen macht gar kein Unternehmen Zusagen. Die Unternehmen argumentieren, dass das Urteil nur für die BHW-Gebühren gelte, die in Karlsruhe Thema waren. Verbraucherschützer meinen, dass das Urteil auf andere Kassen übertragbar sei.

Finanztest rät, die Bausparkasse zunächst schriftlich aufzufordern, Entgelte zu erstatten. Denn ohne Aufforderung erstattet keine einzige Kasse, mit Aufforderung immerhin drei vollständig und mehrere teilweise. Entsprechende Musterbriefe finden sich unter www.test.de/bauspargebuehren.

Wenn sich eine Bausparkasse weigert, sollten sich Kunden bei der zuständigen Schlichtungsstelle beschweren. Das stoppt auch die Verjährung. Auch hierfür bietet die Stiftung Warentest auf test.de Mustertexte und Tipps.

Welche Bausparkassen zahlen und welche nicht, ist auch in der März-Ausgabe der Zeitschrift Finanztest nachzulesen.

Verantwortlich für den Inhalt:

Stiftung Warentest, Lützowplatz 11-­13, D­-10785 Berlin, Tel: 030/26310, Fax: 030/26312727, www.test.de

Mit seinem Urteil vom 07.02.2023 stärkt das Oberlandesgericht Oldenburg maßgeblich die Rechte von Direktinvestoren der Deutsche Lichtmiete Gruppe (2 U 8/23).

Anlass der Klage war ein Schreiben der One Square Advisory GmbH aus dem November 2022, in dem das Münchener Unternehmen einer Firma aus Solingen das Eigentum der Klägerin zum Verkauf anbot. One-Square-Geschäftsführer Frank Günther habe hinter ihrem Rücken über ihr Eigentum verfügt, so die Klägerin.

Dieser Auffassung folgten nun auch die Oldenburger Richter: “Vorliegend hat sich die Verfügungsbeklagte eindeutig des Eigentums an den streitgegenständlichen Leuchten berühmt, das der Verfügungsklägerin bzw. der Erbengemeinschaft zusteht.” (2 U 8/23, S. 3).

Zudem bestehe laut Urteil Wiederholungsgefahr. So habe sich der Geschäftsführer der One Square Advisory GmbH geweigert “eine für die Widerlegung der Wiederholungsgefahr nicht einmal ausreichende Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung abzugeben” (2 U 8/23, S. 4).

Dr. Wolfgang Schirp von der Kanzlei Schirp & Partner aus Berlin, der das Urteil erstritten hat, begrüßt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg: “Diese Entscheidung stärkt maßgeblich die Rechte der Direktinvestoren der Deutsche Lichtmiete Gruppe. Das Eigentum der Direktinvestoren an den ihnen gehörenden Leuchtmitteln ist ohne Wenn und Aber zu respektieren, daran lässt das OLG keine Zweifel.”

Außerdem ergänzt Herr Dr. Schirp: “Wir werden der Verwertungsgesellschaft und dem Insolvenzverwalter weiter auf die Finger schauen und für die Rechte der Anleger intervenieren, wo dies nötig ist.”

Verantwortlich für den Inhalt:

Schirp & Partner Rechtsanwälte mbB, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Tel: +49 (0)30 327 617-0, www.schirp.com

Im Auftrag zahlreicher Investoren aus Deutschland und anderen europäischen Ländern hat die Stuttgarter Kanzlei WEISSWERT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH („WEISSWERT“) unter schwierigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen einen Erfolg in Moskau erzielt:

Zertifikate, denen russische Aktien zugrunde liegen, konnte die Kanzlei WEISSWERT erfolgreich für ausländische Investoren in Originalaktien konvertieren.

Die Konvertierung war für den Schutz des Vermögens der ausländischen Investoren von zentraler Bedeutung. Ausländische Investoren besitzen regelmäßig nicht die Originalaktien russischer Emittenten. Sie besitzen lediglich hierauf basierende Zertifikate, sogenannte American Depositary Receipts („ADR“) bzw. Global Depositary Receipts („GDR“).

Der Erwerb von ADR war für ausländische Investoren bislang praktisch: Ausländische Anleger konnten durch den Erwerb von ADR in russische Konzerne wie Gazprom investieren, ohne dass die Unternehmen an ausländischen Börsen gelistet sein mussten. Erhöhte Transaktionskosten konnten vermieden werden. Ausländische Banken, speziell aus den USA, brachten daher weltweit ADR in Umlauf, während die den ADR zugrundeliegenden Aktien bei Depotbanken in Russland gehalten wurden. Auf diese Weise wurde der globale Handel mit Aktien russischer Emittenten wesentlich vereinfacht.

Doch die ADR-Inhaber müssen nun erhebliche Nachteile befürchten. Die Europäische Union hat den Handel mit russischen Wertpapieren sanktioniert. Russland hat zahlreiche russische Unternehmen dazu verpflichtet, ihre ADR-Programme zu beenden. „Vor dem Hintergrund der rechtlich und politisch schwierigen Lage drohen im Ergebnis Zwangsverkäufe bis hin zum Totalverlust für all diejenigen ADR-Inhaber, denen es nicht gelingt, ihre ADR noch rechtzeitig in Originalaktien umzutauschen“, erklärt WEISSWERT-Anwalt Maximilian Weiss.

Die nun erfolgreichen Anleger, die ihre ADR in Aktien umtauschen konnten, dürfen hingegen aufatmen: Durch den nun erfolgten Umtausch von ADR in russische Originalaktien gelang es den Investoren, den drohenden Zwangsverkauf ihrer Investments erfolgreich zu verhindern. Zudem besitzen die Investoren durch die Konvertierung der ADR in Originalaktien jetzt auch Ansprüche auf den Erhalt von Dividenden, welche sie zuvor nicht hatten.

„Einfach war die Konvertierung nicht. Wir mussten uns unter Beachtung von Sanktionen seitens der EU, der USA und Russlands auf ständig neue Spielregeln einstellen. Viele Anleger scheiterten darin, ihre ADR zu konvertieren. Umso mehr aber freut es mich, dass wir sämtliche der von uns begleiteten Verfahren auf Konvertierung in Moskau zum Erfolg führen durften”, erklärt WEISSWERT-Anwalt Maximilian Weiss.

Es ist ein erster Erfolg für Investoren. Weiterhin sind aber Investments ausländischer Anleger in Höhe von vielen Milliarden US-Dollar in Gefahr. Nicht nur institutionelle Investoren, sondern auch zehntausende Privatanleger sind von der ADR-Problematik betroffen – und fürchten damit weiterhin um ihre Investments. Sie sind u. a. in den russischen Konzernen Gazprom, Lukoil oder Nornickel investiert.

„Zahlreiche Anleger reisten in der Vergangenheit persönlich nach Russland, mit dem Ziel, vor Ort ihre Investments durch Vorsprache bei örtlichen Depotbanken zu schützen. Insbesondere bei der Gazprombank in Moskau haben sich tagtäglich und über Wochen abenteuerliche Szenen abgespielt“, sagt Maximilian Weiss, der viele deutsche und ausländische Investoren in der Sache vertritt. „In den frühen Morgenstunden vor der Öffnung der einzigen für die Konvertierung von Gazprom-Aktien zuständigen Filiale der Gazprombank bildeten sich lange Warteschlangen mit Anwälten und ausländischen Investoren“.

Für bislang erfolglose Anleger, die weiterhin hoffen, ihre ADR-Investments in Aktien umzutauschen, bleibt die Lage schwierig. Emittenten der ADR haben die Bücher für die Konvertierung geschlossen. Fristen für die Zwangskonvertierung, ein alternatives Verfahren in Russland, sind abgelaufen. Eine Konvertierung in Originalaktien ist für zahlreiche ADR-Inhaber damit abermals ausgeschlossen.

Doch es besteht Hoffnung: „Die Duma hat nun ein Gesetz verabschiedet, auf dessen Grundlage ein Umtausch von ADR in Aktien wieder möglich wird“, erläutert WEISSWERT-Anwalt Maximilian Weiss. Das Gesetz dürfte im Januar 2023 in Kraft treten. „Dann tickt die Uhr. Es ist die vermutlich letzte Chance für viele Anleger, ihre Investitionen zu schützen und ADR zu konvertieren“, fährt Maximilian Weiss fort. Zu rechnen sei mit einer gesetzlichen Frist von 120 Tagen, innerhalb derer Investoren Vorkehrungen treffen müssen.

Verantwortlich für den Inhalt:

WEISSWERT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Feuerbacher Weg 51, 70192 Stuttgart, Tel: + 49 711 340383 00, www.weisswert.de

Das Bundeswirtschaftsministerium/BMWK hat den mit Spannung erwarteten Referentenentwurf zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung/FinVermV vorgelegt.

Durch die dort geplanten Änderungen unterliegen künftig auch Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater gemäß § 34f und § 34h GewO der Pflicht, im Rahmen der Anlageberatung die Nach­haltigkeitspräferenzen von Kunden zu erfragen und zu berücksichtigen. Einige Branchenverbände und Anwälte hatten noch in der ersten Jahreshälfte 2022 nach oberflächlicher Prüfung der Rechts­lage vorschnell unterstellt, dass diese neuen EU-Vorschriften zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen einfach automatisch für § 34f ab dem 02.08.2022 gelten. ‘k-mi’ konnte diese Ver­un­sicherung jedoch schnell klären: Am 13.05.2022 schrieben wir in ‘k-mi’ 19/22, dass “Nachhaltigkeitspräferenzen nicht für § 34f gelten!” Unsere Auffassung wurde einen Monat später offiziell vom BMWK bestätigt. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt auch schon “davon auszugehen, dass die neuen EU-Vorgaben über kurz oder lang auch für Finanzanlagenvermittler umgesetzt werden”, wie wir in ‘k-mi’ 19/22 bereits Mitte Mai 2022 prognostizierten (vgl. ‘k-mi’ 17/22, 19/22, 20/22, 21/22, 23/22). Nun nimmt diese Umsetzung für § 34f Formen an:

Je nach Zeitpunkt des entsprechenden Bundesrats-Beschlusses könnten die neuen Regeln zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen voraussichtlich im Frühjahr oder Sommer 2023 im Kraft treten. Vorher sind allerdings eine Reihe von Punkten und Zweifelsfragen zu klären, die sich aus dem aktuellen Referentenentwurf ergeben. Dies betrifft nicht zuletzt die Kosten. Die nun anstehenden Änderungen summieren sich für 34f-Vermittler auf eine Mehrbelastung von 100 Mio. € jährlich: “Durch diese 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben entstehen Bürokratiekosten aus Informationspflichten in Höhe von 101 Mio. € pro Jahr”, heißt es dazu im aktuellen Referentenentwurf. Zu ergänzen wäre hier nach unserer Einschätzung allerdings: “Bürokratiekosten aus Informationspflichten in Höhe von mindestens 101 Mio. € pro Jahr.” Denn die Kostenschätzung beruht darauf, dass “die Abfrage und Zusammenstellung von Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden im Durchschnitt einen Zeitaufwand von 6 Minuten pro Fall verursachen“. 6 Minuten, um das ambitionierteste Projekt der EU in den letzten Jahrzehnten umzusetzen? Macht man für 6 Minuten eigens eine Reform?

Die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden müssen ja nicht nur eingeholt, sondern man muss diese auch “bei der vorzunehmenden Eignungsbeurteilung berücksichtigen”. Hinzu kommt noch die entsprechende – sehr komplexe – Produktauswahl, die den Präferenzen entsprechen soll, damit das Ganze überhaupt einen Sinn ergibt. Dass sich dies alles in 6 Minuten abwickeln lässt, dürfte schlicht praxisfern sein. Unterstellt man für den gesamten Prozess – etwas realitätsnäher – 30 Minuten, türmen sich die Mehrkosten für die 34f-Vermittler z. B. schon auf 500 Mio. € pro Jahr auf! Es bleibt letztlich ein Widerspruch in sich: Niemand in der Branche dürfte ernsthaft daran glauben, dass man mit 6 Minuten pro Kunde und Jahr eine nachhaltige Finanzberatung gewährleisten, geschweige denn damit einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

‘k-mi’-Fazit: Die enormen Mehrkosten für 34f-Vermittler belasten vor allem die ohnehin kostenintensive Anlageberatung. Dabei sollte man auch berücksichtigen, dass die neuen Pflichten in Bezug auf die Nachhaltigkeitspräferenzen nichts mit Anlegerschutz etc. zu tun haben. Sie entspringen im wesentlichen nur den experimentellen Vorstellungen der EU-Bürokratie, wie eine nachhaltige Finanzwirtschaft zur Unterstützung des Klimaschutzes einmal aussehen soll. Und stehen den administrativen Mehrbelastungen zusätzliche Umsatzchancen für Vermittler und Berater gegenüber? Das hängt letztlich von der Produktwelt ab. Die Nachhaltigkeitsvorgaben der EU hierfür sind aber ebenso experimentell bzw. alles andere als transparent und trivial! Wir werden uns mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Mittelständischer Investmentpartner/BMI an dem Konsultationsprozesses zum Verordnungsentwurf beteiligen und halten Sie über den Fortgang auf dem Laufenden!

Verantwortlich für den Inhalt:

kapital-markt intern Verlag GmbH, Grafenberger Allee 337a, 40235 Düsseldorf, Tel: +49(0)211 6698-199, www.kapital-markt-intern.de