Transaktionsvolumen am deutschen Markt sinkt zu Jahresbeginn deutlich

 

Das Transaktionsvolumen am gewerblichen Wohnungsmarkt* ist im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zurückgegangen. Der Umsatz sank von 6,4 Milliarden auf vier Milliarden Euro und blieb damit etwa ein Drittel unter dem Fünfjahresschnitt. Die Anzahl der verkauften Wohneinheiten hat sich um knapp die Hälfte von rund 35.900 auf 17.600 reduziert.

Hauptverantwortlich für den deutlichen Rückgang ist der Mangel an großen Portfoliodeals. So machten die fünf größten Abschlüsse lediglich 22 Prozent des Gesamtvolumens aus. Zu den größten Deals der ersten drei Monate zählten der Kauf von 400 Wohnungen in Berlin durch DWS und 340 Wohnungen in Frankfurt durch Aberdeen. Beide Transaktionen verfehlten recht deutlich die 200-Millionen-Euro-Marke. Im Vorjahreszeitraum gab es dagegen allein zwei Ankäufe, bei denen zwischen 6.000 und 8.000 Einheiten den Besitzer wechselten.

Auf der anderen Seite war zu Beginn dieses Jahres eine recht hohe Aktivität bei kleineren Deals zu verzeichnen, sodass mit 112 registrierten Transaktionen die Zahl der Abschlüsse um fünf Prozent über dem Fünfjahresschnitt lag. Im Schnitt fielen die gehandelten Portfolios um 36 Prozent kleiner aus als der Mittelwert der vergangenen fünf Jahre.

Unter den Käufergruppen stachen Asset- und Fondsmanager besonders hervor. Auf sie entfielen mit einem Volumen von 2,6 Milliarden Euro zwei Drittel des gesamten Transaktionsvolumens. Mit weitem Abstand folgen die Immobiliengesellschaften mit rund 22 Prozent (870 Millionen Euro). Dominiert wurde der Markt von Käufern aus Deutschland mit einem Anteil von 85 Prozent. Am aktivsten waren Investoren in Berlin. Dort wechselten Wohngebäude für 548 Millionen Euro den Eigentümer, dahinter folgen Hamburg mit 446 Millionen Euro und Frankfurt am Main mit 340 Millionen Euro.

Erhöhte Anforderungen an Projektentwickler und Bauträger

Auffällig ist die relativ hohe Quote an Forward-Deals. Mit rund 36 Prozent lag sie deutlich über dem Fünfjahresschnitt (21,2 Prozent). Allerdings schauen potenzielle Käufer immer genauer auf die individuellen Konzepte der Entwickler, weiß Michael Bender, Head of Residential JLL Germany: „Ein nachhaltiges Projektkonzept und eine hohe Marktkonformität sind die beiden wichtigsten Anforderungen an Projektentwicklungen.“ Und auch die Entwickler selbst werden laut Bender genauer unter die Lupe genommen. „Erfahrene Bauträger mit einer großen Marktpräsenz und einem breit gefächerten Lieferantennetzwerk können unabhängiger agieren und haben gegenüber kleineren Wettbewerbern zumindest in einigen Punkten Vorteile.“

Fusionen und Plattformverkäufe dürften zunehmen

Nachteilig für alle Marktakteure wirken sich dagegen die starken Preissteigerungen im Energiesektor und in der Materialwirtschaft aus. „Wir erwarten, dass der Markt darauf zunehmend mit Versuchen zur Effizienzsteigerung, zum Beispiel bei den Betriebskosten, reagieren wird. Dabei dürften auch Fusionen und Plattformverkäufe eine Rolle spielen, sodass wir im weiteren Verlauf des Jahres von einigen Transaktionen ausgehen, die von den genannten strategischen Entscheidungen getrieben werden“, erklärt Bender.

Rohstoffpreise und Materialknappheit bremsen Wohnungsneubau aus

Die hohen Rohstoffpreise wirken sich trotz der Investitionsbereitschaft der Bauherren dämpfend auf den Wohnungsneubau aus. Die Preise für den konventionellen Wohnungsneubau in Deutschland sind 2021 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zehn Prozent gestiegen. Am stärksten verteuerten sich Baustoffe aus Holz und Stahl mit Preissprüngen zwischen 53 und 77 Prozent. Aber auch die gestiegenen Energiepreise haben erhebliche Auswirkungen auf den Wohnungsneubau. So wird beispielsweise Bitumen aus Rohöl immer knapper, und auch die Stahlproduzenten müssen ihre Produktion zunehmend drosseln. „Während die Zahl der Fertigstellungen im Wohnungsneubau in der Vergangenheit vor allem aufgrund begrenzter Kapazitäten im Bauwesen, bei den Genehmigungsverfahren und bei den verfügbaren Grundstücken stagnierte, wird der Wohnungsneubau nun zusätzlich durch die Materialknappheit gehemmt“, sagt Bender. In der Folge werde das Angebot die Nachfrage bei weitem nicht befriedigen können.

Direkte Auswirkungen auf den Wohninvestmentmarkt dürfte ebenso die bereits in Gang gesetzte Zinswende haben. Die Zinsen am Hypothekenmarkt haben die Talsohle bereits spürbar durchschritten. Im weiteren Jahresverlauf ist mit einem weiteren deutlichen Anstieg zu rechnen. „Die durch den Ukraine-Konflikt zusätzlich angefeuerte Inflation wird den Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhen, an der Zinsschraube zu drehen“, sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Handlungsdruck komme auch aus Übersee: „Die US-Notenbank Fed hat insgesamt sechs Zinserhöhungen angekündigt, sodass sich der Leitzins bis zum Jahresende in einer Bandbreite von 1,75 bis zwei Prozent bewegen dürfte“, schätzt Scheunemann.

Wohninvestments bleiben auch bei steigenden Zinsen und Kreditkosten attraktiv

Dass die Zinsen auch im Euroraum wahrscheinlich weiter anziehen werden, liege allerdings nicht nur an der Geldpolitik der Notenbanken, sondern auch an der nationalen Finanzaufsicht. Die Bafin hat zu Beginn dieses Jahres den antizyklischen Kapitalpuffer reaktiviert. Zum 1. Februar 2023 müssen Banken zudem einen spezifischen Risikopuffer für Wohnimmobilien in Höhe von zwei Prozent vorhalten.

„Auch wenn die aktuelle Entwicklung mit steigenden Kreditkosten die Renditekompression verlangsamen dürfte, wird sich an der fundamentalen Situation auf dem Wohninvestmentmarkt, der hohen Liquidität und der Nachfrage auf dem Markt kurz- und mittelfristig nicht viel ändern“, erklärt Michael Bender. So habe sich zum einen die Anlageklasse Wohnen während der Coronapandemie als defensiv und resilient erwiesen. Dies erkläre nicht nur die starke Renditekompression des vergangenen Jahres, sondern rechtfertige auch eine Festigung auf dem aktuellen Niveau.

Zum anderen bleibt laut Scheunemann der Investitionsdruck auf institutioneller und privater Seite hoch. Während andere Märkte viel empfindlicher auf Konjunkturabschwünge reagieren, werde der Wohnungsmarkt durch starke realwirtschaftliche Fundamentaldaten gestützt, von denen einige weniger konjunkturabhängig sind. Dazu zählt er etwa demografische Veränderungen. „Wohnimmobilien – und insbesondere der stark regulierte deutsche Markt – könnten angesichts der zunehmenden Volatilität auf den Kapitalmärkten eine attraktive Wahl bleiben“, meint Scheunemann.

*Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens zehn Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung sowie der Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge

 

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